Misel Maticevic: Der will nur spielen
Mafioso, Dichter, Liebhaber: Ein Treffen mit dem Darsteller Misel Maticevic. Der Schauspieler ist gleich mit zwei Filmen auf der Berlinale vertreten.
Eine Handverletzung, eine schmerzhafte OP am Weisheitszahn – Misel Maticevic sieht leicht ramponiert aus, ein paar Wochen vor der Berlinale beim Treffen in einem Charlottenburger Café. Dabei hat der Schauspieler Grund zu lachen. Er ist gleich mit zwei Arbeiten beim Filmfest vertreten: Mit dem hochgelobten Thriller „Im Schatten“ von Thomas Arslan, der im „Forum“ lief und dem Fernsehmehrteiler „Im Angesicht des Verbrechens“, der auf der Berlinale am Samstag und Sonntag in zwei Teilen als Welturaufführung gezeigt wird. Im Fernsehen wird das mit Spannung erwartete Werk von Dominik Graf ab 27. April auf Arte zu sehen sein.
Dieser Krimi, ein russisches Mafia-Epos, das in Berlin spielt, ist bereits die fünfte Zusammenarbeit von Maticevic und Graf. Der deutsche Schauspieler kroatischer Herkunft, 39, der sich, in Gropiusstadt aufgewachsen, zunächst mit Gelegenheitsarbeiten durchschlug, bis er sich Anfang der neunziger Jahre in der Schauspielschule Konrad Wolf mit dem Satz vorstellte: „Hallo, ich werde heute hier angenommen.“ Der, als er kurz vorm Abi Gérard Dépardieu im Kino sah, gesagt hat: „Was der kann, kann ich auch.“ Und dazu der Münchner Regisseur, 57, der sich gerne am amerikanischen Genrekino orientiert und der mit fast jedem seiner Filme seinen Traum vom Fernsehen als dem besseren Kino verfolgt, einer der wichtigsten lebenden deutschen Filmemacher – da scheinen sich zwei gefunden zu haben. Maticevic und Graf, eine besondere Beziehung? Der Schauspieler überlegt kurz. Er würde da schon von Freundschaft sprechen. „Ich kann ihn nachts um drei Uhr anrufen: Dominik, ich habe ein Problem. Wie ein großer Bruder.“
Großer Bruder, das gilt wohl auch für Hotte, den Berliner Zuhälter, den Maticevic in Grafs Fernsehfilm „Hotte im Paradies“ (2003) grandios gespielt hat. Eine „Diamanten-Rolle“, sagt Maticevic. Große Schnauze, großes Gewaltpotenzial, großes Herz – diese Rolle hat das Image des Schauspielers lange Zeit geprägt. Ein Macho, ein echter Kerl, ein Frauentyp, so etwas liest man immer wieder; genauso wie den Satz von Dominik Graf, dass die sogenannten echten Männer seit Jahren ein gewisses Problem bei uns seien – Misel Maticevic explodiere wie eine Tretmine. Der Schauspieler hört sich diesen Satz erst mal ruhig an. Dann nestelt er an seinem Handverband, rümpft die Nase. „Na ja, Dominik hat das ja auch noch differenziert: Weil ich kein Problem mit meiner Männlichkeit habe und das auch nicht herauskehre. Es ist da, es ist natürlich. Instinktiv.“
Es ist wohl so: Diesen prügelnden Hotte, den hätte nicht jeder gespielt. Und Maticevic spielt Zuhälter, den Dichter Clemens Brentano, Regimegegner, einen Kriminellen bei Arslan, den Major Crampas in „Effi Briest“, und nun wieder den Russen-Mafioso „Im Angesicht des Verbrechens“. Der Schauspieler kann all die Klischees, die er sich neben diversen Mobster-Rollen auch schon mal mit dem einen oder anderen Interviewsatz selbst eingefangen hat, nicht mehr hören. „Da wird immer etwas aus dem Zusammenhang gerissen, so dass die Leute denken: Was für ein blöder Mensch, ein Affenhirn.“ Dass er ’ne Prise Macho in sich habe, das stimme ja. Das hieße ja nichts anderes als: Mann sein. „Und was macht einen Mann aus? In erster Linie: Zu seinem Wort zu stehen. Daran kann ich nichts Schlimmes finden.“ Er steuere da gar nicht mehr gegen, um sein Image könne sich weiterhin die Öffentlichkeit Gedanken machen.
Das wäre ja noch schöner: sich für sein Mann-Sein entschuldigen zu müssen. Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur selten dazu – mit dem Zitat von Ödön von Horvath hat Maticevic nichts am Hut. Schon nach wenigen Minuten denkt man: Der Mann hat, abgesehen davon, dass Kroatien nicht zur Fußball-WM fährt, keine wirklichen Probleme. Seit 1996 ist er im Geschäft. Wenn nicht den Namen, mindestens das Gesicht kennt jeder. Seit Jahren wird er in Deutschland als kommender „Star“ gehandelt, was immer das heißen mag. Den roten Teppich meidet er. Letztes Jahr bei der Berlinale-Eröffnung hatte er vergeblich versucht, einen Lieferanteneingang zu finden. In T-Shirt, Trainingsjacke und Turnschuhen, so wie er zum Journalisten-Gespräch erschienen ist, kann man sich ihn auf dem roten Teppich auch nicht so gut vorstellen. Die Arbeit zählt. Und, zugegeben, der Deutsche Fernsehpreis 2008 für Maticevic’ Darstellung in gleich drei Filmen. Das kommt selten genug vor.
Seither ist es erstaunlicherweise etwas stiller um ihn geworden. Dabei dachte vor zwei, drei Jahren noch jeder: Der Mann schießt jetzt durch die Decke. So richtig erklären kann er sich das nicht. Vielleicht lag’s an Marcel Reich-Ranicki. Die Sache mit dem Deutschen Fernsehpreis ging in der Öffentlichkeit fast unter, weil der Literaturkritiker bei jener Gala seine berühmte Anti-Fernseh-Tirade gehalten hat. Maticevic wischt übers Tischtuch, spricht mal wieder berlinerisch bockig. „Schön, ich will auch keine Kochshows im Fernsehen mehr sehen.“ Aber Reich-Ranicki könne nicht pauschal mit dem Hammer den Tisch abräumen, ohne zu differenzieren. „Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich ihm für seine Brandrede beim Fernsehpreis noch applaudiert habe.“
Zur Beruhigung noch mal der Satz der Fernsehpreis-Jury: „Man glaubt jeder der Figuren, wenn Maticevic sie spielt.“ Ein größeres Kompliment kann man Schauspielern kaum machen. Maticevic sagt: „Bei De Niro denkt man auch nur an fünf Mobster-Filme, über die man redet. Aber dann muss man eben immer auch kleinere, andere Pfade betreten, das ist wichtig.“ Er wolle seine Zeit nicht vergeuden mit „mittelmäßigem Schrott“, möchte stets nur das Beste und Perfekte haben.
„Im Angesicht des Verbrechens“ könnte auch wieder so etwas Perfektes geworden sein. Großes Kino, großes Fernsehen, wobei das dem Normalzuschauer einiges abverlangen wird. Was das Thema Verstörung im Fernsehen angeht, hat Maticevic 2006 schon mal schlechte Erfahrungen gemacht: „Blackout“, ein ambitionierter Krimi-Mehrteiler mit Maticevic in der Hauptrolle, fiel beim Sat1-Publikum glatt durch. Und wenn es mit Grafs Krimi ähnlich läuft? „Ich mach’ mir keinen Kopf wegen der Quote. Ich will nur spielen und gute Filme drehen.“
„Im Angesicht des Verbrechens“: Teil 1 am 20.2., Teil 2 am 21.2., jeweils 11 Uhr (Delphi)
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