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Schattenmann. Donald Trump.
© REUTERS

Trumps Wahlsieg: Der weiße Ritter des weißen Mannes

Warum die Linken und Liberalen nicht schuld sind am Wahlsieg von Donald Trump.

Seinen Triumph, darin scheinen sich die Kommentatoren einig zu sein, hat der Sieger vor allem den Verlierern zu verdanken. Dass mit Donald Trump ein Mann ins Weiße Haus einziehen wird, der, so David Remnick vom „New Yorker“, wie die „missglückte Karikatur von jeder Vorstellung eines radikalen Rechten“ wirkt, liegt in dieser Sichtweise an der liberalen Arroganz und Ignoranz. Nicht bloß Hillary Clinton selbst, sondern auch die Blase ihrer Unterstützer und medialen Begleiter aus den Großstädten an den Küsten war – das ist die Arroganz – zu lange zu siegesgewiss. Für die Nöte der weißen Abgehängten, Arbeiter und Arbeitslosen aus den wahlentscheidenden Industriestaaten des Mittleren Westens interessierte sich – hier folgt die Ignoranz – die hedonistische Elite mit Harvard- oder Stanford-Abschluss schon lange nicht mehr. Stattdessen kämpfte sie, spottete der Philosoph Slavoj Žižek, für die Einführung von geschlechtsneutralen Toiletten.

Beschimpfer der Beschimpfer

„Wir sind schuld“, titelte die linksalternative „taz“, und die amerikanische Schriftstellerin Deborah Feldman fragte dort zerknirscht: „Können gebildete Menschen tatsächlich von der vollkommenen Absage an ein System überrascht sein, das vor allem ihnen selbst Vorteile verschafft?“ In der „FAZ“ erklärte Herausgeber Jürgen Kaube als Wähler-Beschimpfer-Beschimpfer die „Irrtümer der Wähler-Beschimpfer“. Den „angeblich Guten“ und „Chefinterpreten der öffentlichen Meinung“ warf er vor, in „anschauungsdichten und begriffsarmen Kapseln“ zu leben, „in denen die Welt mehr Wille als Vorstellung“ sei. Weltweit hätten sich Sozialdemokraten und „liberals“ in die Arbeitsgruppe „Umverteilung nach oben“ verwandelt. Ähnliche Kapseln muss es allerdings auch bei Konservativen geben, vielleicht sind sie dort holzgetäfelt. Denn daran, dass die FAZ den erdrutschartigen Sieg von Trump vorhergesagt hätte, kann man sich nicht erinnern.
Die schweigende Mehrheit, die in den etablierten Medien nicht vorkommt, hat ihrer Wut also nur auf eine Art Ausdruck geben können: Indem sie Trump die Stimme gab, der versprochen hatte, Amerika wieder groß zu machen. Dass die Mühseligen und Belaberten aber ausgerechnet in einem Milliardär, der keine Steuern zahlt, ihren Messias erblickt haben sollen, ist eine eher kuriose Vorstellung. Trump wetterte gegen das Establishment, doch etablierter als der Immobilienunternehmer und Fernsehentertainer, der seit Jahrzehnten die Schlagzeilen der Yellow Press beherrscht, ist kaum jemand.
Die Demoskopin Elisabeth Noelle-Neumann hat vor vierzig Jahre die Theorie von der „Schweigespirale“ entwickelt, ein Erklärungsmodell dafür, warum Mehrheitsmeinungen in den Medien mitunter kein Gehör finden. Je stärker eine Ansicht demnach vom Mainstream abweicht, desto größer wird die Scheu, sie zu äußern. Noelle-Neumann diente ihre Theorie vor allem dazu, die Wahlniederlagen ihres Klienten Helmut Kohl einem hegemonialen „Rotfunk“ zur Last zu legen, dessen Opfer er geworden sei.

Konsens statt Kontroverse

Das Konzept der Schweigespirale, das Noelle-Neumann erstmals 1974 in zwei Aufsätzen entwickelte und 1980 in ihrem gleichnamigen Buch vorstellte, ähnelt einer Verschwörungstheorie. Demnach wird eine schweigende Mehrheit von den Eliten in Politik und Medien von Sendeplätzen und Zeitungsspalten ferngehalten, weil sie die falschen Ansichten vertritt. "Die tatsächliche Stärke der Meinungslager muss nicht ausschlaggebend sein für ihr Gewicht in einem Schweigespiralprozess", behauptet Noelle Neumann. "Die Meinung einer Minderheit kann in der Öffentlichkeit als Mehrheit erscheinen, wenn ihre Anhänger nur selbstbewusst genug auftreten und ihre Meinung öffentlich mit Nachdruck vertreten." In der Konsens-Gesellschaft gehe es immer um Ausgleich. ,Kontroverse Themen werden vermieden.

Doch schon die Idee einer "schweigenden Mehrheit" steht auf wackligen Füßen. Denn in einer Demokratie sind spätestens an der Wahlurne Mehrheiten ausschlaggebend. Nicht die Wähler haben sich deshalb nach den Politikern zu richten, es funktioniert genau umgekehrt. Und das Schweigen der Mehrheiten ist spätestens dann unüberhörbar laut geworden, als mit den Sozialen Netzwerken im Internet ein zweiter, unkontrollierbare medialer Kosmos entstand. Auch das Selbstbewusstsein des gewöhnlichen Wahlberechtigten muss man sich heute nicht mehr so gering vorstellen, wie es in Noelle-Neumanns noch obrigkeitsstaatlich geprägter Wirklichkeit von 1974 gewesen sein mag. Außerdem war es im amerikanischen Wahlkampf keineswegs so, dass die Medien geschlossen Trump feindlich entgegentraten. Websites wie der ultrakonservative Nachrichten-dienst "Breitbart", von der sein Wahlkampfmanager Stephen Bannon kam, oder der Fernsehsender Fox News waren Plattformen für seine Positionen.

Die Reichen wählten Trump

Schweigende Mehrheit? Sie war im Fall von Trump ziemlich laut. Beugt man sich tiefer über die Wahlergebnisse, zeigt sich, dass der designierte Präsident als weißer Ritter des weißen, geknechteten und nicht gehörten Mannes eine Fabelfigur ist. Trump wurde nicht bloß von den Abgehängten gewählt, sondern auch von den Etablierten, von wohlhabenden Weißen mit Collegeabschluss, daneben sogar von Afroamerikanern und Latinos. Einer von drei Amerikanern, der weniger als 50 000 Dollar im Jahr verdienen, hat für Clinton gestimmt, die Mehrheit derjenigen, die mehr verdienen, für Trump. Eine Regenbogenkoalition der anderen Art. Wer will, kann im Sieg des exzentrischen Nicht-Politikers Trump sogar ein Stück Normalität sehen. Denn fast immer haben sich die Amerikaner nach der achtjährigen Präsidentschaft einer Partei für den Kandidaten der anderen Partei entschieden. Das gehört zum System der Checks and Balances, das Machtkonzentration verhindern soll. Die Linke mag an vielem schuld sein. An Donald Trump ist sie es nicht.

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