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Letzter Schaulauf des Ancien Régime. Königin Marie-Antoinette (Diane Kruger, rechts) und ihre Favoritin Gabrielle de Polignac (Virginie Ledoyen) erlauben sich einen unbotmäßig intimen Moment vor den Augen des Hofstaats. Foto: capelight pictures
© dapd

Französische Revolution: Der Untergang

Geschichte von unten: Benoît Jacquots Kostümfilm „Leb wohl, meine Königin!“ erzählt vom Beginn der Französischen Revolution – aus Sicht der Dienstleute in Versailles. Diane Kruger spielt die Köngin, ihre Vorleserin ist die großartige Léa Seydouxn.

Eine Ära endet, aber erst einmal bleibt alles beim Alten. Für die Dienerschaft am Hof von Versailles beginnt der Tag kurz nach der Morgendämmerung, auch am 14. Juli 1789. Das Volk, das an diesem Datum in Paris Geschichte machen wird, zeigt sich vorerst nur in der Form von ein paar vor den Schlosstoren lungernden Kriegskrüppeln und Bettelweibern, die von den in einem grotesken Gänsemarsch aufziehenden Wachsoldaten verscheucht werden. Herdfeuer müssen entzündet, Essen vorbereitet, Garderoben herausgelegt und angereicht werden.

Die Königin wurde in der Nacht von einem furchtbaren Albtraum geplagt, sie möchte „etwas Frivoles“ vorgelesen bekommen, Marivaux. In den Mittagsstunden kursieren Gerüchte über Unruhen. Eine Dienerin glaubt, dass „etwas Schreckliches“ geschehen sei. Ihre Herrschaften haben aufgeregt auf Englisch diskutiert, vier Mal war dabei von der Bastille die Rede. Und der König soll mitten in der Nacht geweckt worden sein.

„Leb wohl, meine Königin!“ ist ein Revolutionsfilm, in dem das Wort Revolution nicht vorkommt. Denn in dem Moment, in dem sich Weltgeschichte ereignet, gibt es noch keinen Begriff für das, was gerade geschieht. Das Historiendrama von Benoît Jacquot beugt sich sozusagen tief herunter zu den Zeitzeugen des Juli 1789, genauer gesagt: zu einer von ihnen, Sidonie Laborde, Marie Antoinettes (fiktiver) Vorleserin. Ihr folgt die Kamera durch die endlosen Zimmerfluchten des Schlosses, und der Zuschauer sieht, hört und weiß immer nur das, was sie sieht, hört und weiß.

Sidonie, gespielt von Léa Seydoux, ist eine neugierige junge Frau, der wenig entgeht. Sie hört zu, als Ludwig XIV., ein dicklicher Opportunist (Xavier Beauvois), ein paar Volksvertreter empfängt, von seiner „Liebe“ zu den Untertanen schwadroniert und sich somit vom König zum Bürger degradiert. Und sie ist dabei, als das Königspaar im Spiegelsaal von Versailles ein neues Kabinett vorstellt. Die Adelsdamen tragen kunstvoll hochgetürmte Allonge-Perücken und ballonförmige Reifröcke, die Herren kostbar funkelnde Samtanzüge. Es ist ein letzter Schaulauf des Ancien Régime.

Die Idee, den Untergang des französischen Absolutismus aus der Zaungastperspektive zu zeigen, ist reizvoll, wird aber überstrapaziert. Immer wieder muss Sidonie sich hinter Vorhängen verstecken oder unter Sessel kauern, um die nächste Wendung der Geschichte mitzubekommen. Und dass Marie Antoinette (Diane Kruger) ausgerechnet ihrer Vorleserin das Herz ausschüttet und ihr von der Liebe zu einer Hofdame (Virginie Ledoyen) erzählt, erscheint etwas zu märchenhaft. Die Königin will um die Macht kämpfen. Der König entscheidet, zu bleiben und sich mit dem Volk zu verbrüdern. Wohin sein Zaudern führen wird, ist bekannt. Auf die Guillotine.

Cinema Paris, CinemaxX Potsdamer Platz, Kant, Kulturbrauerei; OmU im fsk

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