Romy Schneider: Der unsichtbare Faden: Romy & Alain
Romy Schneider wäre am Montag 75 Jahre alt geworden. Günter Krenn schildert in seinem Buch "Romy & Alain. Eine Amour fou" ihre Liaison mit Alain Delon. Als sie seinetwegen nach Paris zieht und sich 1959 mit ihm verlobt, reagiert die deutsche Presse beleidigt.
Venus kann nicht verführerischer ausgesehen haben, als sie den Wellen entstieg. Vom Schwimmbecken aus läuft sie direkt zu ihrem Mann hinüber, der sich träge in der Sonne aalt. Lachend lässt sie das Wasser von ihrem Körper, der nur von einem winzigen Bikini bedeckt ist, auf ihn tropfen. Sie kniet nieder, legt sich auf ihn, küsst ihn, flüstert ihm ins Ohr: „Kratz mir den Rücken.“ Und als er bereits ihr Oberteil geöffnet hat, seufzt sie: „Niemand kann das so gut wie du.“ Es ist ein Moment purer Erotik, und so wie sich diese beiden sehr braun gebrannten, sehr schönen Körper da auf dem Boden wälzen, sieht der Zuschauer sofort, dass ihre Bewegungen einander noch immer vertraut sind. Bis dann das klingelnde Telefon aus dem Haus die Liebenden auseinanderreißt.
Als Jacques Derays Film „Der Swimmingpool“ Anfang 1969 in die Kinos kam, war er eine Sensation – und ein Skandal. Denn Romy Schneider und Alain Delon, die da so überzeugend ihren Leidenschaften vor der Kamera freien Lauf ließen, waren ein paar Jahre zuvor im wirklichen Leben Europas berühmtestes Liebespaar gewesen. Inzwischen waren beide jedoch anderweitig verheiratet. Über dem Dreh an der Côte d’Azur liegt von Anfang an eine sinnliche Hochspannung, die Nebendarstellerin Christine Caron spricht von „einer Art Osmose“ zwischen Schneider und Delon, „so wie ein unsichtbarer Faden, der sie verbunden hat“.
Als Schneiders Mann Harry Meyen zu einem Besuch am Set anreist, provoziert ihn Delon, indem er Zärtlichkeiten mit seinem Ko-Star austauscht. Kurz danach wird bekannt, dass der Schauspieler sich von seiner Ehefrau Nathalie Barthélémy scheiden lassen will. Fans und Boulevardpresse hoffen auf eine Wiedervereinigung des Traumpaars Schneider/Delon. Doch Delon erklärt, dass es ihm nur um „Freundschaft“ gehe. Als öffentliche Projektion einer großen Liebe aber ist diese Beziehung in die Ewigkeit eingegangen, und das Kino hat die Bilder dazu geliefert. „Seit ,Der Swimmingpool’ ist die Legende von Romy und Alain auf Zelluloid gebannt, und es gehört zu einer Legende, dass sie sich als bleibender erweist als die Originalgeschichte“, schreibt Günter Krenn.
Sie lernen sich beim Dreh eines Liebesfilms kennen
„Eine Amour fou“ lautet der Untertitel des Buches, mit dem der Wiener Filmhistoriker aus Anlass von Schneiders 75. Geburtstag noch einmal die Legende von Romy und Alain erzählt. „Fou“ steht im Französischen für „rasend, toll, irrsinnig“, und ähnlich verrückt und kapriolenhaft wie diese vor einem Publikum zelebrierte Leidenschaft verlief allenfalls noch die zwischen den zweimal verheirateten, zweimal geschiedenen Eheleuten Liz Taylor und Richard Burton. Kennengelernt haben sich Romy Schneider und Alain Delon passenderweise 1958 bei den Dreharbeiten zum deutsch-französischen Liebesfilm „Christine“, einer Adaption von Arthur Schnitzlers Drama „Liebelei“, das mit dem Selbstmord der Heldin endet.
Zu diesem Zeitpunkt wird Schneider, die am 23. September 1938 in Wien geboren wurde, nach ihren „Sissi“-Filmen bereits als größter weiblicher Star des deutschen Kinos gefeiert. Delon, drei Jahre älter und noch ein Neuling in der Branche, erhält nur ein Fünftel von ihrer Gage. Sie findet ihn anfangs „zu schön, zu wohlfrisiert, ganz als Gentleman verkleidet“, er hält sie für eine „blonde Gans“. Doch spätestens, nachdem die Dreharbeiten aus Paris nach Wien verlagert werden, bricht das Eis. Im Hotel Sacher wird das Paar von ihrer Mutter in flagranti erwischt. Als „Christine“ abgedreht ist, kommt es am Flughafen zum filmreifen Abschied. Küsse, Tränen. Doch dann lässt Schneider ihr Ticket nach Köln verfallen und fliegt Delon spontan nach Paris hinterher.
„Es ist das Schönste im Leben, das Schönste auf dieser Welt – und davor weglaufen? – Nein, ich könnte es nicht!“, rechtfertigt sich die Schauspielerin. Romy Schneider folgt jetzt ihrem eigenen Weg, die Geschichte dieser Liebe ist auch die Geschichte einer Emanzipation und einer Flucht: vor der dominanten Mutter und dem ungeliebten Stiefvater Hans Herbert Blatzheim, einem Gastronomen, der ihre Einnahmen in seine eigenen Projekte steckt. Und sie nimmt Reißaus vor den Erwartungen der deutschen Öffentlichkeit, die sie auf die Rolle der kindlichen Kaiserin festlegen möchte. In Deutschland fehlt ihr die Luft zum Atmen. „Kannst du dir vorstellen, wie das ist, wenn ein ganzes Land auf deine Entjungferung wartet?“, fragt sie später eine Freundin. In Paris, wo sie zunächst mit Delon eine kleine Wohnung am Quai Malaquais bezieht, genießt sie das Gefühl, unbekannt zu sein.
Deutschland reagiert mit sofortigem Liebesentzug. In den Illustrierten wird über die „Alainiade“ gespottet, Delon gilt als Gauner, Playboy, „gallischer Gockel“ gar, der eine nationale Ikone geraubt habe. „Es hatte etwas von einer Pogrom- oder Lynchatmosphäre“, so Schneiders Anwalt Heinrich Senfft. Bald gilt die Schauspielerin als Kassengift. Krenn, der bereits eine Romy-Schneider-Biografie vorgelegt hat, erzählt anhand dieser deutsch-französischen Liaison eine kleine Kulturgeschichte der Nachkriegszeit. Bezeichnend ein Zitat des Filmproduzenten Artur Brauner von 1960: „Irgendwie liegt es in der Mentalität des Volkes, dass es bei beliebten Stars keine Verbindung zu anderen Völkern sehen will.“
Die Verlobung von Schneider und Delon wird 1959 ausgerechnet vom Stiefvater Blatzheim verkündet. Danach gelten die beiden jahrelang als „Dauerverlobte“, eine Bezeichnung, die in der Presse einen zunehmend ironischen Unterton bekommt. Es ist Delons Untreue, an der die Beziehung schließlich scheitert. Im Herbst 1963, als Schneider gerade in Hollywood die Komödie „Leih mir deinen Mann“ dreht, teilt er ihr in einem Brief mit, dass er eine andere heiraten will. Ihre Liebe ist nach vier Jahren, acht Monaten und 24 Tagen beendet. Schneider stürzt in eine Depression, versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden.
Mit „Der Swimmingpool“ beginnt 1969 die zweite, noch größere Filmkarriere der Schauspielerin. Bei den Synchronarbeiten begegnet sie dem Regisseur Claude Sautet, der ihr die Hauptrolle in „Die Dinge des Lebens“ und vier weiteren Filmen gibt. Sie wird mit Marlene Dietrich und Marilyn Monroe verglichen und steigt zum französischen Nationalheiligtum mit österreichischen Wurzeln auf. Mit Delon bleibt sie bis zum Ende ihres Lebens in Kontakt. Als Schneider im Mai 1982 mit nur 43 Jahren an Herzversagen stirbt, eilt er tief erschüttert an ihr Totenbett. „Alain hat mich zur Frau geformt“, hat sie gesagt. „Vor ihm war nichts.“
Günter Krenn: Romy & Alain. Eine Amour fou. Aufbau Verlag, Berlin 2013, 312 Seiten, 19,99 €.
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