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Regisseur Robert Wilson wird 70: Der Tycoon

Dem Regisseur Robert Wilson zum 70.

Er feiert den großen Geburtstag auf drei Kontinenten. Die Festspiele begannen letzte Woche im Theater von Porto Alegre, Brasilien, wo er „Krapp’s Last Tape“ von Beckett inszeniert hat, und gingen in Berlin, im Studio des Künstlerduos Elmgreen und Dragset, mit einer Benefiz-Auktion für sein Watermill Center weiter. Wie der letzte Tycoon saß Robert Wilson da an der langen Tafel, eingerahmt von der Mäzenin Gabriele Henkel und Prinzessin Caroline von Monaco. Montblanc hat den Abend gesponsert; auch im Einwerben und Netzwerken ist er ein Meister ohne Konkurrenz. Schließlich wird er am heutigen Dienstag in New York erwartet, in seiner Stadt, mit der er manchmal fremdelt. An der Brooklyn Academy of Music gastiert das Berliner Ensemble mit Wilsons Version der „Dreigroschenoper“.

Ein weltweit operierender Regisseur, Designer, Videokünstler ist Robert Wilson seit Jahrzehnten. Ginge es allein nach Flugmeilen, wäre der Mann aus Waco, Texas, mit Abstand der erfolgreichste Künstler des Planeten. Dabei stehen Wilsons Arbeiten – am BE hat er zuletzt Wedekinds „Lulu“ in Szene gesetzt – in einem auffälligen Spannungsverhältnis zu seiner Arbeitsweise. Robert Wilsons Universum ist die Stille, die Gangart seiner Stücke ist nicht einfach nur langsam, sondern eine relative Nicht-Geschwindigkeit. Man könne seine Performances mit den Ohren sehen und mit den Augen hören; so hat er es selbst einmal erklärt. Er liebt den Slapstick, die Ästhetik des Stummfilms, das Luzid-Expressive, und manchmal hat man den Eindruck, dass er europäischer ist als jeder europäische Theatermann, wobei die Liebe zur deutschen und französischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts unter einem starken fernöstlichen Einfluss steht. Robert Wilson ist ein großer Globalisierer und Harmonisierer. Das ist wiederum das Amerikanische an ihm. Wilson macht aus jedem Stoff einen Wilson, so wie Disney immer Disney produziert.

Unvergessen ist ihm die Zusammenarbeit mit Heiner Müller, der 1995 starb. Wilson redet immer noch viel von ihm, der amerikanische Wodkatrinker und der Whisky-Trinker aus der DDR verstanden einander blind. Wilson hat sie alle gekannt, die Dietrich, die Bergner, die Sontag, Nurejew. Wilson ist ein wandelndes Museum. Etliche Karrieren, wie die von Fritzi Haberlandt, hat er angestoßen und viele große Schauspielkünstler, wie Marianne Hoppe und Bernhard Minetti, hat er noch einmal für einen letzten großen Moment auf die Bühne gelockt mit seinem Charme. Er hat sich, da er um die Sterblichkeit der Hüllen weiß, in Watermill, Long Island, ein Produktionszentrum errichtet, ein Denkmal, das summt und brummt wie ein Bienenstock. Watermill enthält seine Sammlung – Wilson sammelt fast alles, Fotografie und Möbel, Stühle vor allem –, er hält dort seine Sommer-Workshops ab, es ist ein Theater, eine Akademie, Archiv und Begegnungsstätte. Im Stuttgarter Daco Verlag erscheint zum Jubelfest der Prachtband „The Watermill Center – Robert Wilson’ s Legacy“ (hrsg. von José Enrique Macián, Sue Jane Stoker und Jörn Weisbrodt, 360 Seiten, 78 Euro).

Watermill dient Wilson als Brückenkopf in den USA, wo er vielleicht nicht ganz so berühmt ist wie in Europa. Was wiederum damit zusammenhängt, wie auf der einen und der anderen Seite des Atlantiks Kunst (öffentlich) gefördert wird. Bob, wie ihn seine Freunde nennen, ist das Synonym eines Imperiums. Jede seine Provinzen ist ihm gleich wertvoll, er lässt keine Skizze verkommen. Und offensichtlich gibt es Unerfülltheiten. Nächstes Jahr nehmen Robert Wilson und Philip Glas ihr epochales Werk „Einstein on the Beach“ wieder auf, das sie 1976 berühmt machte. Damit geht es dann, was sonst, auf Welttournee. Am heutigen Dienstag feiert Robert Wilson, und es gibt wirklich nur diesen einen, seinen 70. Geburtstag. Rüdiger Schaper

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