Klaus Lederer zieht Bilanz: Der sich den Wolf tanzt
Im Wahlkampfmodus: Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer hat noch einige Monate Arbeit vor sich. Trotzdem bilanziert der linke Bürgermeister schon mal seine Amtszeit.
Wer die warmen Worte gehört hat, mit denen sich Pamela Schobeß von der Berliner Clubcommission bei der jüngsten Sitzung im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses bei Klaus Lederer für sein Engagement in der Coronakrise bedankt hat, der weiß, dass der Linkenpolitiker viel richtig gemacht hat. Und zwar sowohl in den ersten beiden Dritteln seiner Amtszeit als auch ab jenem 11. März 2020, als er pandemiebedingt in der gesamten hauptstädtischen Kulturszene das Licht ausknipsen musste.
Als „schwärzesten Tag in meinem Berufsleben“ bezeichnet Lederer selbst dieses folgenschwere Datum, als er sich am Freitag anschickt, in einer hybriden Pressekonferenz im Podewil ein Resümee jener viereinhalb Jahre zu ziehen, die er schon als Kultursenator amtiert. Bevor er sich in den Wahlkampf um den Posten des Regierenden Bürgermeisters stürzt – seine Partei hat ihn dafür zum Spitzenkandidaten gekürt –, blickt er zurück, flankiert von seinen beiden Staatssekretären, Torsten Wöhlert (Kultur) und Gerry Woop (Europa).
Der Senator ist gut gelaunt an diesem Morgen, denn er darf zunächst einmal ununterbrochen seine Erfolge aufzählen. Anschließend sind Fragen der Presse zugelassen. Lederers Start war lässig, dank sprudelnder Steuereinnahmen wuchs sein Etat kontinuierlich. Von 464 Millionen Euro zum Zeitpunkt seines Amtsantritts 2016 ist die Summe auf 609 Millionen Euro im laufenden Jahr geklettert – und Lederer versprach, dass dieses Niveau auch im kommenden Doppelhaushalt 2022/23 gehalten wird.
Zwar macht sein Ressort damit weiterhin nur rund zwei Prozent des Gesamtberliner Haushalts aus, doch bis zum ersten Corona-Lockdown konnte er mit den Zusatzgeldern jene Bereiche stärken, die ihm am Herzen liegen. Als da wären: „Eine gleichberechtigte Teilhabe aller am Kulturleben“ und soziale Mindeststandards für dessen Akteuri:innen, die sich häufig in befristeten und darum prekären Beschäftigungsverhältnissen oder gar gleich als Soloselbstständige durchschlagen müssen.
Für jene, die am Rande stehen, auf Seiten des Publikums wie der Kunst, hat er sich von Beginn an eingesetzt, in den letzten 15 Monaten dann noch einmal ganz besonders intensiv. Und er hat seine Verwaltungsbeamt:innen, die seit 2016 bereits „jünger und diverser“ geworden waren, mit diesem Spirit motiviert, trotz Homeoffice-Mühen über sich hinauszuwachsen. Weil den Betreibern individuell und unbürokratisch geholfen wurde, betonte Clubcommission-Vorständin Pamela Schobeß im Kulturausschuss, konnte bis jetzt eine Pleitewelle in der weltbekannten Berliner Szene verhindern werden.
Und das, obwohl die Clubs offiziell gar nicht zu Lederers Aufgabenbereich gehören, ebenso wie die Kinos. Aber er hat sich ihrer angenommen, so wie er zuvor schon der Kümmerer der Kinder- und Jugendtheater sowie der Kiezkultur gewesen war. Gleich verdoppeln konnte er den Bezirkskulturfonds, mit großem Engagement machte er sich daran, die „weißen Flecken“ auf dem Stadtplan zu füllen, also Gebiete, in denen es noch keine fußläufig erreichbaren Theaterangebote für Kita- und Schulkinder gibt.
Klaus Lederer hat sich vor allem um weniger öffentlichkeitswirksame Themen gekümmert, hat mit seinen Leuten eine neue Förderstruktur für die darstellenden Künste erarbeitet, die Digitalisierung vorangetrieben, die Festanstellungsquote der Musik- und Kunstschulen erhöht, die Gründe erforschen lassen, warum Menschen Kulturangebote nicht wahrnehmen.
Und er hat um jeden Quadratmeter gerungen, der sich in der Mietenwahnsinn- Metropole für Kulturschaffende sichern lässt. 2000 Räume sollten es in der Legislaturperiode werden: 1150 konnte man von privaten Hausbesitzern anmieten, 600 in städtischen Immobilien zur Verfügung stellen. Gerade die Idee, Orte, die sich bereits im Besitz Berlins befinden, zu ertüchtigen, damit dort Produktions- und Präsentationsräume entstehen, erwies sich allerdings als extrem zeitaufwändig. Beim ehemaligen Gebäude der Ernst Busch Hochschule beispielsweise, das schon vor drei Jahren frei geworden ist, ringt die Kulturverwaltung immer noch darum, es als Probenzentrum an die Off-Szene übergeben zu können.
Interessant ist aber auch, worüber Klaus Lederer bei seiner Bilanz-Pressekonferenz nicht spricht. Über die Leuchttürme der hauptstädtischen Kultur beispielsweise. Philharmoniker oder Staatsoper, Deutsches Theater oder Schaubühne kommen ebenso wenig vor wie die großen Museen. Zur Volksbühne, die dem Linkenpolitiker ideologisch nahesteht und die ihn seine komplette Amtszeit über beschäftigt hat, lässt er sich in der Fragerunde immerhin die Formulierung abluchsen, sie stehe „nicht da, wo ich mir wünsche, dass sie stünde“. Was sich jedoch – darauf vertraut Lederer – mit der neuen Intendanz von René Pollesch bald ändern werde.
Kein Wort ebenfalls zu den sonstigen Personalentscheidungen, die er getroffen hat. Oder vielmehr nicht getroffen hat: Denn Klaus Lederer wird als williger Vertragsverlängerer in die Geschichte seiner Verwaltung eingehen. Wo es unglückliche Abgänge gab, wie beim Staatsballett, ließ er sich viel Zeit für die Neubesetzung. Noch bis zum Ende der Legislaturperiode allerdings, versprach er am Freitag, werde er eine neue Ballettleitung präsentieren. Und ab Juli soll es endlich auch den sehr lange schon versprochenen eintrittsfreien Sonntag in den Berliner Museen geben, einmal pro Monat.
Ein anderes, ehrgeiziges Etappenziel will Lederer vorher noch erreichen: dass nämlich in den Berliner Clubs wieder getanzt werden darf, zumindest draußen und unter Einhaltung des Hygienerahmenplans. Beim nächsten Öffnungsschritt am 18. Juni sollte da etwas möglich sein, hat er in der jüngsten Kulturausschusssitzung postuliert. It’s time to party? Mal sehen, ob Lederer dafür im Senat genügend Mittänzer:innen findet.
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