Science Fiction: Der Sexappeal der Schwimmweste
Grande Finale: Die Reihe „Y – The Last Man“ geht zu Ende. Der letzte Band zeigt noch einmal die Stärken und Schwächen dieser Ausnahmeserie
Am Ende werden die Diskrepanzen noch einmal besonders deutlich, die einen beim Lesen immer wieder irritiert und doch zugleich fasziniert haben: Der konstruiert wirkende, teils hölzern geschriebene und doch immer wieder packende Plot um den letzten Mann auf einer aufgrund eines mysteriösen Virus von Männern befreiten und von Frauen beherrschten Erde. Die klischeehaften Charaktere, die einem im Laufe der 60 Folgen von „Y“ doch zunehmend wie persönliche Bekannte vorkamen. Die abrupten und schwer nachvollziehbaren Szenenwechsel, die man doch immer wieder bereit ist mitzumachen. Trotz alledem: Irgendwie hat man die Figuren, vor allem die Titelfigur Yorick und seine undurchschaubare Begleiterin Agentin 355, ins Herz geschlossen. Und so verursacht das Finale beim geneigten Leser noch mal ein kräftiges Auf und Ab der Gefühle mit einigen schwer zu verdauenden Wendungen, von denen hier zwecks Erhaltung der Spannung noch nicht allzu viel verraten werden soll.
Wie haben Autor Brian K. Vaughan und Zeichnerin Pia Guerra es geschafft, uns trotz besagter Schwächen so lange bei Laune zu halten und uns bis zum großen Finale mit ihren Figuren bangen lassen?
Was wäre, wenn die Erde ohne Männer gut auskäme?
In erster Linie ist es der Plot, der zwar nicht völlig neuartig, aber doch originell genug ist, um sich auf ihn als Gedankenspiel einzulassen.
Was wäre, wenn das Aussterben der männlichen Spezies für den Fortbestand des Planeten nicht nachteilig sein muss? Welche Staaten und Verbände von Frauen würden das Vakuum füllen, das die Kerle hinterlassen? Was würden Frauen besser machen, wo wären sie keinen Deut anders?
Diese Idee ist eine gute Folie, vor deren Hintergrund Vaughan und Guerra im Laufe von fünf Jahren ein Panorama an zunehmend vielschichtigen Charakteren eingeführt haben. Nach und nach wurden deren Biografien ausgefüllt und ihre Motivation zumindest angedeutet, ohne dass man den Figuren wirklich je nahe kam oder sie ganz verstand. So blieb, Absicht oder nicht, immer eine gewisse Spannung erhalten, was sie wohl als nächstes tun werden.
Das führte zu einer aufregenden Odyssee rund um den halb verwaisten Planeten, die zwar nicht durchgehen brillant, aber immer unterhaltsam war.
Dass „Y“ vor abgegriffenen Klischees und altmodischen Rollenbildern trotzte, trug auf kuriose Weise eher zur Unterhaltung bei. Trotz des vermeintlich emanzipierten, vielleicht gar feministischen Ansatzes - die Welt wird von Frauen regiert! - ist „Y“ doch durch und durch ein Buch, das erkennbar von einem Mann für Männer geschrieben wurde.
Projektionsfläche für männliche Phantasien
Vaughans Frauenfiguren bleiben oberflächlich, die Gedanken seiner männlichen Hauptfigur werden dem Leser hingegen bis ins letzte Detail mitgeteilt, und seien sie noch so banal ("Machen Geheimratsecken mich weniger attraktiv bei den Frauen?"). Yoricks durchweg wie 0815-Models aus dem Katalog gezeichnete Weggefährtinnen und seine Gegenspielerinnen sind trotz ihrer demonstrativ zur Schau gestellten Stärken vor allem Projektionsflächen seiner Fantasien und damit der der Leser.
Zum Glück verfügt Autor Vaughan offenbar über genug Distanz zu sich selbst, um das immer wieder mit leichter Ironie zu brechen, wenn er sein Alter Ego Yorick hin und wieder als etwas zu überzeugt von der eigenen Männlichkeit präsentiert – und ihn damit auf die Schnauze fliegen lässt.
Dazu passen auf eigentümliche Weise Pia Guerras Zeichnungen, deren klarer Strich und statische Ausstrahlung in merkwürdigem Kontrast zu der oft rasanten Handlung stehen. Guerra schafft es auch im letzten Band noch, sogar eine wilde Sexszene so leblos zu zeichnen, als handele es sich um eine Gebrauchsanleitung für Schwimmwesten.
Trotzdem fiebert man bis zur letzten Seite mit Yorick mit, dem im Verlauf der Geschichte dann doch fast ein wenig weise werdenden Klugschwätzer, dessen Reise rund um den Erdball am Ende in ebenso schlichten wie packenden Szenen kulminiert.
Eine der besten Serien der vergangenen Jahre
Vielleicht ist es ja gerade der Kontrast zwischen oft der atemlosen, actionreichen Handlung und den wie eingefroren wirkenden Bildern, der zur Spannung beiträgt, die die Serie von ihrer ersten Folge an ausstrahlt. Die schlichte Schönheit von Guerras Bildern und die oft nur angedeuteten Gedanken und Handlungen der Hauptfiguren lassen dem Leser viel Raum für die eigene Fantasie. Auch, weil die wie Puppen in einem Marionettentheater agierenden Charaktere nicht aus sich heraus wirklich lebendig wirken - das muss der Leser in seinem Kopf hinbekommen.
Wenn man bereit ist, all diese Beschränkungen in Kauf zu nehmen und sich auf die Reise einzulassen, ist „Y – The Last Man“ ein außergewöhnliches, höchst unterhaltsames Stück Comic und eine der besten Serien der vergangenen Jahre. Schade, dass die Reise zu Ende ist.
Brian K. Vaughan & Pia Guerra: Y - The Last Man. 10 Bände à 16,95 Euro, auf Deutsch im Panini-Verlag erschienen. Mehr unter diesem Link.
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