Robert de Niro zum 70. Geburtstag: Der Selbstverteidiger
„Are you talkin’ to me?“ - Seine Rolle in Scorseses "Taxi Driver" machte Robert de Niro berühmt. Zu seinem 70. Geburtstag blicken wir zurück auf einen Schauspieler, der sich nie viel um sein Image scherte.
Dieses Grinsen, bei dem sich die Augen zu schmalen Schlitzen verengen und förmlich verschwinden. Diese zuckende Mimik, die Marotte, alles zwei, drei Mal zu sagen. „Talkin’ to me? Are you talkin’ to me?“ Travis Bickle, der „Taxi Driver“ mit Knarre vor dem Spiegel, das Siebziger-Jahre-Kinobild schlechthin, millionenfach beschrieben, kopiert, variiert: Übertrieben hat Robert de Niro schon zu Scorseses Zeiten.
Schmale Oberlippe, breite Nase, das Muttermal auf der rechten Wange, die steile Furche über der Nasenwurzel, die exzessive Art, das Gesicht in Falten zu legen, die Miene zu verziehen: Eigentlich sprach nichts dafür, dass dieser Mann zum Weltstar werden sollte. Schön ist er nicht mit seinem mal mafiös, mal spießig zurückgekämmten Haar, sexy sind sie auch nicht, die Typen, die er unter Regie von Martin Scorsese darstellte, zuerst 1973 in „Mean Streets“, dann als „Taxi Driver“, als Boxer in „Wie ein wilder Stier“, als Vito Corleone in Coppolas „Pate“ oder als Al Capone und später, ab den Neunzigern, die grimassierenden Comedy-Typen.
Am Anfang waren da diese nervösen Tics, das Hibbelige, die Schlaflosigkeit, die irrlichternde, eruptive Gewalt. Robert de Niro als Neurotiker der Straße, der die Psychosen eines vom Vietnamkriegstrauma erschütterten Amerika bis in die Haarspitzen verkörperte, nicht nur in Ciminos „The Deer Hunter“ – so wurde er berühmt. Ein Typ, unbeholfen gegenüber den Frauen und deshalb gefährlich für sie. Einer, der brutal viel einsteckt und einstecken kann, eine lustvolle Qual, einer, der sich Pfunde und Muskeln antrainiert, um im Boxring als „Raging Bull“ zu überleben und seinerseits ungerührt auszuteilen.
Das war das Unwiderstehliche an de Niro in Scorseses New-York-Filmen. Dass sich da einer ums Image nicht scherte, um Eleganz, Glamour, Rollenfächer. Er war einfach da, wie Marlon Brando, Dennis Hopper oder vielleicht Steve McQueen, er wollte nicht gefallen, stahl sich die Aufmerksamkeit, mit ungeheurer physischer Intensität und Präsenz. Ein Autonomer im Wortsinn, um die Gunst der Kamera buhlte er nie, weshalb seinen Figuren die Aura der Einsamkeit anhaftet – wie allen guten Antihelden. Ja, er spielte auch romantische Liebhaber, 1984 in „Falling in Love“ mit Meryl Streep, 1989 in „Stanley und Iris“ mit Jane Fonda, aber seine stärksten Auftritte waren das nicht.
2007, zu Gast in der American Academy anlässlich der Berlinale-Premiere seiner zweiten Regiearbeit „Der gute Hirte“, brachte de Niro sein in Workshops von Lee Strasberg und Stella Adler geschultes Method Acting auf den Punkt. Als Schauspieler, meinte er im Gespräch mit Matt Damon und Volker Schlöndorff, habe er oft das Gefühl, am besten zu sein, wenn er bei der Gegenschussaufnahme gerade nicht im Bild sei. „Weil meine Selbstbeherrschung dann weniger groß ist.“ Als Regisseur, fügte er hinzu, lässt er die Kamera gern weiterlaufen, um den magischen Moment nicht zu verpassen.
Geboren ist Robert de Niro am 17. August 1943 als Sohn eines Malers und einer Poetin in New York City. Einzelkind, bald Scheidungskind, wächst mit der Mutter in Little Italy auf, geht mit 16 von der Schule ab, übernimmt erste Bühnenrollen, Off-Broadway, Provinztouren, Nebenrollen bei Brian de Palma. Bis Shelley Winters auf ihn aufmerksam wird und den zäh wie akribisch sich seine Rollen erarbeitenden jungen Mann protegiert. Dann taucht Scorsese auf, die beiden kennen sich flüchtig aus ihrer Jugend in Little Italy, sie werden Freunde und Filmkomplizen fürs Leben.
Seitdem trat de Niro in rund 90 Filmen auf, als Gangster und Spieler („Goodfellas“, „Casino“, „Heat“), als Polizist („Copland“), mordender Vergewaltiger („Kap der Angst“, de Niros brutalste Rolle), als windiger Politikberater mit Filzhut und Fliege in der Politsatire „Wag the Dog“, als unsicher-verkrampfter Exsträfling in Tarantinos „Jackie Brown“. Er ist sich für nichts zu schade, gibt die Wortkargen, die Schwätzer, die Verhärmten, die Versager, die Betrogenen, Gescheiterten. In den Komödien, in denen er seit gut 20 Jahren zunehmend auftritt, macht er sich unerschrocken zum Affen, als Mafiaboss auf der Couch in „Reine Nervensache“, als fieser Brautvater in „Meine Braut, ihr Vater und ich“ oder zuletzt als alternder Lüstling im Klamaukfilm „The Big Wedding“. Da übertreibt er es mit dem Übertreiben – und bleibt sich doch treu, wenn er die eigenen Manierismen karikiert.
Apropos Treue: Bis heute lebt der Schauspieler, Regisseur und Produzent, zwei Mal verheiratet, sechsfacher Vater, in seiner Geburtsstadt New York. Dort hat er mit seiner Firma Tribeca Productions 2002 das gleichnamige Festival ins Leben gerufen, als Liebeserklärung und Ermutigung für seinen von 9/11 erschütterten Stadtteil. Ein Extremist, der die Öffentlichkeit in dem Maß scheut, in dem er sich den Offenbarungen der Kamera stellt: Am heutigen Sonnabend feiert Robert de Niro seinen 70. Geburtstag.
Christiane Peitz
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