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Literatur: Der Schmerz der späten Jahre

"Unverzeihliche Schwäche" - der Lyriker Werner Söllner und seine Beziehungen zur rumänischen Securitate.

Die unmittelbar Betroffenen wussten schon eine Weile Bescheid. Die Öffentlichkeit erfuhr erst durch die vom Münchner Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas am vergangenen Montag und Dienstag ausgerichtete Tagung über „Deutsche Literatur in Rumänien im Spiegel und Zerrspiegel der Securitate-Akten“ von den Verwerfungen. Der 1951 im rumänischen Banat geborene und 1982 in die Bundesrepublik ausgereiste Lyriker Werner Söllner wurde nach anfänglichem Widerstand Anfang der siebziger Jahre als Student in Gesprächen mit dem rumänischen Geheimdienst ausgehorcht und – offenbar ohne es zu wissen – als Inoffizieller Mitarbeiter „Walter“ geführt. Mitte der Siebziger verweigerte er der Securitate jede weitere Kooperation.

Zu denen, über die er nach Aktenlage Informationen weitergab, gehörten unter anderem Herta Müller, ihr damaliger Mann Richard Wagner sowie Helmuth Frauendorfer, Johann Lippet, William Totok und Klaus Hensel. Welche Verzerrungen in der Wiedergabe durch die Securitate dabei entstanden, ist offen.

Söllner leugnet seine erzwungenen Dienste nicht, ja er betrachtet sie als unverzeihliche Schwäche. In München verlas er dazu eine Erklärung. Nicht nur deshalb hielt sich die Empörung derer, die in ihrer Opferakte IM „Walter“ mit Werner Söllner in Verbindung bringen müssen, in Grenzen. Michael Markel, ein Klausenburger Germanist, über den Söllner das bisher einzig bekannte Gutachten seiner Securitate-Zeit schrieb, verteidigte den Schriftsteller mit dem Hinweis, er habe ihn durch seine Formulierungen in entscheidenden Punkten entlastet. Dem gegenüber stehen Vorwürfe, dass Söllner andere wiederum stark belastet habe.

Die Lage ist verworren, und sie wird, so sehr genaue Aufklärung in der Sache nottut, verworren bleiben. Denn Söllner, gegenwärtig Leiter des Hessischen Literaturbüros Frankfurt, als Schriftsteller und Übersetzer weithin angesehen und mit zahlreichen bundesrepublikanischen Preisen geehrt, wurde selbst zu einem über Jahre als „Staatsfeind“ gebrandmarkten Opfer. Das entschuldigt ihn nicht, es verweist nur einmal mehr auf eine diffizile Täter-Opfer-Kopplung.

Jeder Vergleich mit dem Fall Sascha Anderson, der in den Diensten der DDR-Staatssicherheit wissentlich ein aktives Doppelleben führte, hinkt. Auch die Zurückhaltung seiner Freunde, ihn an den Pranger zu stellen, ist kein Indiz. Die besondere Tragik der Causa Söllner ergibt sich indes sowohl daraus, dass hier eine zentrale Figur der rumäniendeutschen Literatur ins Zwielicht geraten ist, wie auch durch die jahrzehntelange Verspätung, mit der ihr Tun nun zur Sprache kommt. Der schlimmste Teil dieser Vergangenheit mag überstanden sein. Doch ihre Neubewertung ist vielleicht fast genauso schmerzhaft.

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