Maik Klokow im Interview: „Der Potsdamer Platz würde mich reizen“
Entertainment in Berlin: Seit Maik Klokow den Admiralspalast betreibt, ist er rentabel. Jetzt hat er neue Pläne für das Haus an der Friedrichstraße.
Herr Klokow, vor gut fünf Jahren haben Sie den Admiralspalast nach der Insolvenz von Falk Walter wiedereröffnet. Trotzdem hat das Haus immer noch nicht wieder zu der Strahlkraft zurückgefunden, die seiner Tradition und seiner Lage entspricht: Warum ändern Sie das nicht?
Ich kenne das Haus wahnsinnig lange, noch aus Ost-Zeiten. Immer wieder haben Betreiber versucht, es zu altem Glanz zurückzuführen und sind grandios gescheitert. Wir dagegen bohren dicke Bretter. Es hat lange gedauert, das Vertrauen der Veranstalter und des Publikums zu gewinnen. Mittlerweile haben wir 600 Veranstaltungen im Jahr. Das ist schon ein gewisser Glanz, allerdings nur ein inhaltlicher, der nicht so nach außen wirkt. Ich wollte den Admiralspalast erst mal auf solide ökonomische Beine stellen.
Und das haben Sie jetzt geschafft?
Ja, das Theater ist profitabel. Im vergangenen Jahr hatten wir 350 000 Besucher. Die Zahl kommt zustande, weil wir mehr als 2200 Plätze haben: 450 im Studio, 200 im F101 und 1650 im Theatersaal.
Tourneeproduktionen wie „Elvis – Das Musical“, „Slava’s Snowshow“ oder „Stomp“ haben keinerlei Bezug zur Stadt. Soll das Sommerfestival, das Sie mit bekannten Berliner Produktionen bestücken, andere Akzente setzen?
Das ist die Idee. Berlin wird eine der Programmklammern sein, die andere ist das Thema „Märchen“. „Der Hauptmann von Köpenick“ ist da ein Glücksgriff. Das Musical ist operettig mit leicht überzeichnetem Slapstick-Comedy-Touch. Wir holen aber auch internationale Produktionen, die hier noch nicht gezeigt wurden, zum Beispiel „Ada Ava“, ein poetisches Schattentheater aus Chicago. Auch die Tiger Lillies geben ein Konzert. Wir wollen ja auch mal bisschen edgy sein. Außerdem kooperieren wir mit der Neuköllner Oper und zeigen deren Musical „Grimm“.
Das ist ja mal eine „On“- und „Off“-Allianz: Ihre Firma Mehr! Entertainment und die Neuköllner Oper. Wie kommt’s?
Ich kenne Peter Lund, der „Grimm“ mit seinen Musicalstudenten von der Universität der Künste auf die Bühne gebracht hat, sehr lange. Wir gucken uns regelmäßig die Stücke der Neuköllner Oper an. Sie setzt Trends im Musiktheater.
Mit dem Festival bieten Sie endlich eine stärkere Identifikation für Einheimische.
Wir waren nie etwas anderes als ein Theater für Berlin. Touristen kommen nur wenige zu uns. 84 Prozent unserer Besucher stammen aus Berlin und Brandenburg.
Das möchte ich bezweifeln, auch wenn ich aus dem Hut keine anderen Zahlen habe.
Es stimmt aber. Wir erheben die Daten beim Ticketverkauf. Natürlich ist unser Programm mit Tourneeproduktionen wie „Elisabeth“ oder „Dirty Dancing“ anders als zu Falk Walters Zeiten. Strahlkraft können Sie nur schaffen, wenn Sie selber produzieren. Walter hat mit den Toten Hosen und Klaus Maria Brandauer die „Dreigroschenoper“ gemacht, die „Producers“ herausgebracht und ist am Ende hauptsächlich im Gespräch gewesen, weil er gescheitert ist. Ich lege nicht so viel Wert darauf, in der Presse gut dazustehen, sondern ich will, dass das Haus funktioniert.
Aber Sie sind doch eigentlich ein Mann der Eigenproduktionen? Zumindest in den acht Jahren als Geschäftsführer bei Ihrem jetzigen Konkurrenten Stage Entertainment waren Sie dafür bekannt.
Mit Mehr! Entertainment habe ich auch schon das Hape-Kerkeling-Musical „Kein Pardon“ produziert. Aber ich mache das behutsam. Schließlich bin ich einer der wenigen Veranstalter, der noch sein eigenes Geld investiert und keine Aktiengesellschaft oder ein Private-Equity-Modell im Hintergrund hat.
Stage Entertainment hat das Theater am Potsdamer Platz aufgegeben: Haben Sie eine Idee für das Haus, sich womöglich selbst darum beworben?
Ich habe das Theater 1999 in meiner Funktion als Geschäftsführer und Produzent von Disneys „Glöckner von Notre Dame“ eröffnet. Klar interessiert es mich. Da sind zur Zeit viele dran. Ich auch. Wir würden unser Engagement in Berlin gerne erweitern.
Auch auf die Gefahr hin, dass die Häuser sich kannibalisieren, wenn im Admiralspalast Tournee-Musicals gastieren und im anderen eins en suite gespielt wird?
Es gibt keinen Markt für alles, sondern immer nur für ein Stück. Berlin ist generell nicht einfach, weil das Angebot so wahnsinnig breit ist. Für den, der Vielfalt erleben will und das günstig, ist die Stadt perfekt. Für uns, die wir kommerziell unterwegs sind und den Preis von 30 bis 110 Euro verlangen müssen, ist es viel schwerer. Die „Blue Man Group“ habe ich bei Stage Entertainment durchgesetzt, weil sie einzigartig ist. So was muss man auch für das Theater am Potsdamer Platz haben, dann ist es hier genauso schwer oder leicht wie in Hamburg. Man kann aber nicht wie in Hamburg fünf Musicals anbieten und sagen, in irgendeins gehst du schon. In Berlin gilt: Sei authentisch, hab’ was mit dieser Stadt zu tun oder sei so gut, dass es nirgendwo anders besser zu sehen ist. Wenn das zusammenkommt, kann man hier sehr erfolgreich sein.
"Staatliche Theater sollten nicht dieselben Stücke produzieren wie wir"
Sie holen jetzt auch „Billy Elliot“ von London nach Deutschland – auch nach Berlin?
Erst mal nur nach Hamburg. „Billy Elliot“ hätte ich gerne als deutsche Produktion herausgebracht. Vom Talent her hätte ich das in Berlin gemacht, denn hier gibt es das größte Potenzial an Darstellern im Alter von 9 bis 14 Jahren, weil so viele Theater mit Kindern arbeiten. Leider ist unser Jugendarbeitsschutzgesetz so überdenkenswert, dass man das in Deutschland nicht machen kann. Kinder dürfen maximal 30 Vorstellungen im Jahr spielen, das heißt, man bräuchte zwölf Hauptdarsteller. Die finden Sie nicht. Es kann aber doch nicht sein, dass wir eines der besten Musicals der Welt in Deutschland nicht sehen können, weil wir solche Gesetze haben. Immerhin schaffen wir es jetzt, die englische Produktion für vier Wochen herzubringen. Da können die Verantwortlichen sehen, wie das funktioniert. Dass die Kinder betreut werden, zur Schule gehen, gut bezahlt werden.
Warum besitzt ein Musiktheatermanager wie Sie eigentlich einen Schraubenhandel in Meck-Pomm?
Das ist ein Familienbetrieb, meine Brüder machen mit, mein Vater hat die Firma kurz nach der Wende aufgemacht. Ich bin in Parchim geboren, aufgewachsen und habe zuerst Maurer gelernt.
Warum haben Sie sich sofort nach dem Mauerfall beim damaligen Musicalproduzenten Stella Entertainment um einen Job beworben? Waren sie Fan?
Überhaupt nicht, ich kannte gar keine Musicals. Ich war am Tag des Mauerfalls in Berlin und bin dann gleich in den Westen rüber. Ich habe 140 Bewerbungen an Theater geschrieben und bekam nur eine einzige Einladung zum Vorstellungsgespräch, eben von der Stella Musical AG. Es ging um den „Starlight Express“ in Bochum. Der technische Direktor erzählte mir, da laufen die Darsteller Rollschuh. Ich dachte, der will mich veralbern. Warum sollen Leute dafür Geld bezahlen, anderen Leuten beim Rollschuhfahren zuzugucken? Ich bin aber trotzdem hingefahren und kam mir vor wie im Weltall. Ich hatte noch nie Lasertechnik gesehen. Und dann sprachen die auch noch alle Englisch. Erst dachte ich, das ist zu groß für mich, aber dann habe ich zugesagt und am 1. Januar 1990 als Bühnenmeister angefangen. Ich musste mich durchbeißen und Hydraulik, Elektronik, Englisch, Lasertechnik lernen. Das habe ich nebenberuflich gemacht. So viel zum Stichwort dicke Bretter. Ich habe einen langen Atem.
Inzwischen betreiben Sie sieben Theater, auch das in Bochum, wo „Starlight Express“ im 29. Jahr läuft. Klingt nach dem Karrieretraum vom Tellerwäscher zum Millionär.
Ich bin kein Hans im Glück. Ich hatte auch Durststrecken, war als Jugendlicher zu DDR-Zeiten mal im Gefängnis, auch obdachlos bin ich gewesen. Ich habe an sozialem Auf- und Abstieg alles erlebt. Und statt mir ein Flugzeug zu kaufen, habe ich 2015 lieber für 25 Millionen ein Theater in Hamburg gebaut.
Also fehlt jetzt nur eine tolle Berliner Premiere. Sie können für die Produktion doch Lottomittel beantragen, wenn Sie sie allein nicht stemmen können.
Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. So sehr ich den Angebotsreichtum der staatlichen Theater liebe, schwierig wird es, wenn sie anfangen die gleichen Stücke zu produzieren wie wir. Da wird dann „Producers“ plötzlich am Staatstheater Schwerin gespielt. Warum?
Na, damit die Leute kommen.
Erstens kommen da keine Leute, weil es für die Stadt nicht der richtige Stoff ist. Aber selbst wenn sie kämen: Es wäre doch viel schöner, wenn das Staatstheater ein Stück über den Mann in Auftrag geben würde, der das Schloss in den Schweriner See gebaut hat. Etwas Originäres kreieren, Aufträge an Komponisten und Texter vergeben, um sie zu fördern. Das muss doch die Aufgabe für öffentliche Theater sein. Stattdessen herrscht Einfallslosigkeit gepaart mit dem Einknicken vor dem politischen Druck, der auf die Häuser ausgeübt wird. Manche Kommunalpolitiker verlangen viel zu hohe Einspielergebnisse. Dann fällt dem Intendanten nur „Cats“ ein. Damit treibt man die Theater in die Kommerzialität und haut uns die Beine weg. Das ist fatal. Stadttheater sollen nicht „My Fair Lady“ spielen. Die sollen uns neue, aufregende Stoffe bringen.
Noch ein Wort zur digitalen Revolution: Wie beeinflusst sie das Live-Entertainment, wie Sie es betreiben?
Die Situation, jemand führt etwas vor und jemand anderes bekommt es vorgeführt, die ist so intensiv, dass sie auch durch Virtual Reality nicht ersetzbar ist. Der einzig wahre Moment, dass wir hier sitzen und uns austauschen können, der kann nicht imitiert werden Und auch nicht die Life-Performance. Die Eröffnung der Elbphilharmonie war das beste Beispiel. Natürlich können sich das alle im Fernsehen angucken, aber nein, die Leute wollen selber rein.
Weil es den Kick des Exklusiven hat.
Dann wäre ja nur die Eröffnung ausverkauft. Wenn „Harry Potter“ in London auf die Bühne kommt und die Tickets sind für ein Jahr ausverkauft, obwohl es sechs Harry-Potter-Filme und Millionen Harry-Potter-Bücher gibt, hat es nur mit einer einzigen Sache tun, dass die Life-Performance und das Theater Darstellungsformen sind raus[JL1] , die es immer geben wird. Das hat schon die Digitalisierung der Musikindustrie gezeigt: seither gibt es noch mehr Konzerte.
Das Gespräch führte Gunda Bartels.
Zur Person: Maik Klokow, 52, kam in Wismar zur Welt und ist gelernter Maurer. 1986 hat er am Landestheater Parchim als Techniker begonnen und später als Bühnenmeister und Produzent gearbeitet. Acht Jahre lang war er Geschäftsführer des Musicalkonzerns Stage Entertainment Deutschland. 2009 gründete er die Firma Mehr! Entertainment, die bundesweit sieben Theater betreibt und als einziger Konkurrent der Stage Entertainment gilt. 2011 übernahm er nach Falk Walters Insolvenz den Admiralspalast in Berlin.
Im Admiralspalast findet vom 14. Juli bis 20. August erstmals das SOFA – Sommerfestival im Admiralspalast statt. Zu sehen sind bekannte Berliner Musiktheaterstücke wie „Der Hauptmann von Köpenick“ und „Grimm“, sowie internationale Produktionen wie „Cats“ oder das Schattentheater Ada Ava. Weitere Informationen unter www.sommerfestival.berlin.
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