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© Illustration: Bravo/Carlsen

Spirou + Fantasio: Der Page als Held

Gleich zwei Neuerscheinungen beschäftigen sich mit der Vergangenheit der Comicfigur Spirou - eine voller Gefühl und Respekt, die andere lieblos und wirr

Ein Mensch braucht ein Zuhause! Wenn ich mir ein Comicuniversum, in dem ich gerne leben würde, aussuchen dürfte, es wäre wohl die Welt von „Spirou + Fantasio“. Die erleben spannende Abenteuer, sie haben anarchischen Witz, die Autos und die Technik sind saucool-modern, und die Mädchen sehen einfach niedlich aus. Aber über allem schwebt ein düsterer, realistischer Unterton, der dem depressiven Teil meiner schillernden Persönlichkeit entspricht. „Tim und Struppi“ ist mir zu aufgeräumt, Superhelden sind auf Dauer ja doch ein bisschen dödelig, und in japanischen Comics fließt mir zu viel Blut und Natursekt.

Also: „Spirou“! Und das, seit ich ungefähr sechs Jahre alt war.

Wie es der Zufall, will sind gerade zwei Alben erschienen sind, die sich intensiv mit Spirous Vergangenheit beschäftigen. Bereits im Februar kam das „Porträt des Helden als junger Tor“ von Èmile Bravo in die Läden. Anders, als der Titel vermuten lässt, ist dieses Album keine Huldigung an James Joyce, sondern eher an Eric Ambler.

Die Deutschen spielen falsch

Bravo führt den Leser zurück in das Brüssel vor dem 2. Weltkrieg, ins Hotel Moustic, in dem Spirou seine ersten Abenteuer erleben durfte.

Hier treffen eine deutsche und eine polnische Diplomatendelegation aufeinander, die einen möglichen Einmarsch verhindern wollen. Was die Polen nicht wissen: Die Deutschen spielen falsch. Der Page Spirou wird in die Intrige verwickelt, lernt den Journalisten Fantasio kennen, verliebt sich in eine kommunistische Agentin und kann den bösen Ausgang der Geschichte dann doch nicht verhindern.

Das erzählt der Ibero-Franzose Bravo mit sehr viel Gefühl und Respekt für die alten „Spirou“-Meister Robert Velter, der unter dem Kürzel Rob-Vel die Serie erfand, und Jije (d.i. Joseph Gillain, der „Spirou“ zu einer ersten Blüte führte). Zwar versprüht Bravos Garn jede Menge gallischen Charme, aber auch eine düstere Ausweglosigkeit, die nicht umsonst an Frank Millers „Batman: Year One“ erinnert.

Eine Zeitreise durch Spirous Geschichte

Ganz anders verhält es sich mit dem französischem Jubiläumsband 50 (der in Deutschland verwirrenderweise die Nummer 48 trägt).

Im Jahr 2004 übernahmen Jean-David Morvan und José-Luis Munuera die Traditionsserie und schafften es binnen Jahresfrist, die Leserschaft zu halbieren. Der Verlag Dupuis zog nach drei Alben die Notbremse, aber da war der vierte Band schon fast fertig. Nun durfte er doch noch erscheinen, mit ein bisschen Hilfe von Yann LePennetier, der bereits als offizieller Nachfolger von Morvan feststeht.

Doch es hat wenig geholfen, „Zu den Ursprüngen des Z“ ist wirr und lieblos getextet, auch wenn die Zeichnungen des Spaniers Munuera makellos seien mögen. Morvan schickt den Ex-Pagen auf eine Zeitreise durch seine eigene Geschichte, zitiert aus vielen alten Alben hauptsächlich aus „Spirous“ Blütezeit unter André Franquin. Doch was als liebevolle Hommage gemeint war, entpuppt sich als plumper Ideenklau. Am Ende steht schließlich noch ein einfallsloser Retcon (retroaktive Kontinuität), der ebenso frech wie blöd ist. Liebloser kann man ein Jubiläum kaum noch feiern.

Doch bereits für den Sommer ist der nächste „Spirou“-Band mit dem rätselhaften Titel „BD 9“ angekündigt. Der wird von Yann und dem neuen Zeichner Olivier Schwartz sein und soll angeblich vor großartigen Insidergags förmlich platzen.

Èmile Bravo (Text und Zeichnungen): Spirou + Fantasio Spezial Band 8: Porträt des Helden als junger Tor. Aus dem Französischen von Martin Budde. Carlsen Verlag, Hamburg 2009. 78 Seiten, 10 Euro. Mehr dazu und Lesprobe unter diesem Link.

Morvan & Yann (Text), Munuera (Zeichnungen): Spirou + Fantasio Band 48: Zu den Ursprüngen des Z. Aus dem Französischen von Marcel Le Comte. Carlsen Verlag, Hamburg 2009, 64 Seiten, 9 Euro. Mehr dazu hier.

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