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Om Shanti Om
© Promo

Bollywood auf der Berlinale: Der Mutige gewinnt die Braut

Der indische Superstar Shah Rukh Khan spielt am liebsten sich selbst - auch in seinem neuen Film "Om Shanti Om".

Eigentlich kriegt keiner, der so aussieht, in Indiens Filmindustrie einen Fuß in die Tür. Es sei denn als Komiker. Der Kopf ein bisschen unförmig. Die Nase: viel zu groß. Und die Kopfbehaarung? „Die Haare eines Bären“ befand ein Produzent. Widerborstig. Unkämmbar.

Und doch hat Shah Rukh Khan Karriere gemacht. Eine ganz erstaunliche sogar: heute steht „SRK“ mit seinem Durchschnittsgesicht weltweit für Indiens Filmfabrik. Er verfügt über eine hingebungsvolle Fanbasis, von der Hollywood-Stars nur träumen können: Milliarden Menschen in Asien und Nordafrika kennen seine Filme. Seit einigen Jahren greift sein Ruhm auf den Westen über: Als bekannt wurde, dass er zur Premiere von „Om Shanti Om“ nach Berlin kommen würde, stand im Berlinale-Büro das Telefon nicht mehr still. Nicht Tom Cruise oder Brad Pitt sind die größten Stars der Welt. Oben thront ein anderer und man nennt ihn: „King Khan“.

Shah Rukh Khan war von Beginn an ein Außenseiter im Star-System des indischen Kinos. Er gehört nicht zu einer jener Dynastien, die Indiens Filmindustrie seit Jahrzehnten prägen, sondern musste sich von außen seinen Weg bahnen. Erste Schritte machte er in einer Theatergruppe, später in den Fernsehserien „Fauji“ und „Circus“. Khan erinnert sich gerne daran, als er in Delhi zum ersten Mal auf der Straße erkannt wurde: Erst da fasste er den Entschluss, in der Filmstadt Mumbai sein Glück zu versuchen. Der Sprung von der Mattscheibe auf die Leinwand war ungewöhnlich. Khan, dem ein unerbittlicher Arbeitseifer nachgesagt wird, gelang es dennoch.

Es begann allerdings finster. In „Baazigar“, „Darr“ und „Anjaam“ wurde Khan zunächst als Bösewicht besetzt. In „Darr“ („Angst“, 1993) spielte er einen Psychopathen mit obsessiver Zuneigung zu einer verheirateten Frau – und wurde zum heimlichen Publikumsliebling. Er stellte Sunny Deol, den eigentlichen Star des Films, so gründlich in den Schatten, dass dieser sich über ein angebliches Komplott zwischen Khan und dem Regisseur beklagte.

Der Durchbruch gelang Shah Rukh Khan 1995 mit „Dilwale Dulhania Le Jayenge“ (etwa: „Der Mutige kriegt die Braut“). Khan trat darin erstmals in der Rolle auf, die seine Karriere von da ab prägte: als romantischer Liebhaber mit jungenhaften Charme und einer gewissen Neigung zur Unverschämtheit. „DDLJ“, wie man auch sagt, wurde zu einem der einflussreichsten und erfolgreichsten Filme der indischen Kinogeschichte. Im Maratha Mandir Theatre von Mumbai läuft er seit 1995 ohne Unterbrechung.

Shah Rukh Khan war es einst selbst wie seinem Helden in „DDLJ“ ergangen. Die hinduistischen Eltern seiner College- Liebe Guri Chibber lehnten eine Vermählung mit dem Muslim Khan strikt ab. Als die Mutter von den Hochzeitsplänen erfuhr, verweigerte sie das Essen. SRK aber, der früh seine Eltern verlor, machte es wie in seinen Filmen: Nach und nach gewann er Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten für sich, bevor er am Ende auch die Eltern überzeugen konnte. „Sie hatten ja recht“, schreibt er in seinen Erinnerungen. „Wenn meiner Tochter mit einem wie mir ankäme, ich würde durch die Decke gehen.“ Zwei Kinder haben die Khans: Sohn Aryan (10) und Tochter Suhana (7) wachsen in beiden Religionen auf.

Ansonsten ist dieser König eigentlich ein Langweiler. Glückliche Ehe, keine Skandale, kaum schlechte Angewohnheiten – abgesehen von der Unruhe eines zappelnden Jungen, die er sich bis heute, im Alter von 42 Jahren, bewahrt hat. „Ich möchte die Menschen nicht beeindrucken, sondern um sie werben. Ich bin keine wohlgeformte Wachsfigur, sondern eher wie ein Spiegel: Die Leute sehen darin, wie sie aussehen würden, wenn sie das täten, was ich gerade tue.“ Dass er immer nur sich selbst spielt, gibt Khan offen zu: „Es stimmt: ich habe nicht mehr als fünf Gesichtsausdrücke“, wirft er seinen Kritikern freimütig entgegen. „Ich bin trotzdem erfolgreich, denn die anderen haben nur zwei.“ Wenn er agiert, sieht man keine Filmfigur. Man sieht Shah Rukh Khan, d er versucht, eine Figur darzustellen und dabei schamlos übertreibt.

In den siebziger Jahren wurde Amitabh Bachchan als angry young man zur Projektionsfigur für den Unmut, den viele Inder gegenüber dem korrupten Staat und beengenden Traditionen empfanden. Heute befindet sich Indien im Aufbruch und SRK ist die Projektionsfigur nicht nur seiner eigenen Generation, sondern auch der folgenden: „Ein selbstbewusster, erfolgreicher Yuppie“, schreibt die Filmjournalistin Anupama Chopra in ihrer Khan-Biografie, „der zwar Weltbürger ist, aber dennoch ein Inder.“

Sich selbst sieht Khan vor allem als Geschäftsmann. Seine Philosophie: Menschen unterhalten, Spaß dabei haben, kein Geld verlieren. Die Behauptung, er verlange kein Gehalt für seine Filmrollen, blieb bislang unwidersprochen. Seine Werbeauftritte lässt er sich allerdings gut bezahlen. Und keiner ist so präsent wie er: Im letzten Jahr brachte er es auf fast 1000 Stunden im indischen Fernsehen. Reine Werbezeit, wohlgemerkt.

In der Solonummer seines neuen Films „Om Shanti Om“ trägt Khan zwischen den Fetzen seines klatschnassen Hemdes erstmals ein wohl definiertes Six-Pack zur Schau. Doch seine Tage als jugendlicher Liebhaber sind gezählt. Mit seiner Firma „Dreamz Unlimited“ konnte Khan sich mittlerweile auch als Produzent etablieren, zudem hat er im Januar von Amitabh Bachchan die Moderatorenrolle in Indiens „Wer wird Millionär?“ übernommen. Auch die Filmrollen sind jetzt andere: Im Überraschungshit „Chak de“ spielt er einen Hockeytrainer, in „Kabhi Alvida Naa Kehna“ einen Ehebrecher mittleren Alters – und in „Om Shanti Om“ macht er sich vor allem über einen lustig: sich selbst.

Heute 20.30 Uhr (International) und 22.30 Uhr (Babylon) 9. 2., 0.15 Uhr (International) und 15 Uhr (Urania)

Shah Rukh Khan wurde am 2. November 1965 als Sohn eines Rechtsanwalts und einer Sozialarbeiterin in Neu Dehli geboren. Seine Karriere begann Ende der Achtziger mit TV-Serien. Später wurde er mit Filmen wie „Dilwale Dulhania Le Jayenge“ und „Kabhi Khushi Kabhie Gham“ (Sometimes Happy, Sometimes Sad) zum größten Filmstar Indiens.

Heute präsentiert er um 20.30 Uhr im Kino International sein neuestes Werk Om Shanti Om. Die Tickets für diese Vorstellung, für die beiden Wiederholungen und auch für Zusatzvorstellung in der Nacht zum 9.2. sind ausverkauft. Zudem wird Shah Rukh Khan beim Talent Campus am 10.2. um 11 Uhr im HAU 1 (Stresemannstr. 29) auftreten.

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