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Im Halbschatten. Aleksandr Antonenko als Otello.
© Metropolitan Opera/Kristian Schuller

Opern-Durchbruch in New York: Der Mohr kann gehen!

Schluss mit Blackfacing: Die New Yorker Metropolitan Opera zeigt Verdis Otello ohne schwarze Schminke - erstmals seit 124 Jahren.

Im Sprechtheater ist schwarze Schminke, auch bei Shakespeare, schon seit Jahrzehnten tabu – außer sie wird zu Ironisierungszwecken verwendet. In der Oper dagegen wird Verdis „Otello“ immer noch zum Mohr gemacht. Als die New Yorker Metropolitan Opera bekannt gab, zur Saisoneröffnung einen ungeschminkten Titelhelden auftreten zu lassen – erstmalig seit 124 Jahren –, regte sich tatsächlich Widerstand: Der Hass gegen den maurischen General Otello, so das Argument, werde erst durch seine Hautfarbe plausibel gemacht und sei damit ein wichtiger Bestandteil der Handlung. Und außerdem diskriminiere Verdi nicht Otello, sondern dessen Kontrahenten Jago. Die moralische Botschaft der Oper falle zugunsten Otellos aus: Der sterbe als Unterdrückter und Missverstandener, was ihn zum Märtyrer und zur Identifikationsfigur fürs Publikum mache.

Am Premierenabend allerdings zeigte sich, dass sich Regisseur Bartlett Sher ohnehin für Konflikte jenseits ethnischer Ungleichheit interessiert. Bei ihm ist Otello kein Außenseiter, der wegen seiner Hautfarbe gehasst wird, sondern ein manisch Getriebener, dessen Kriegserfolge ihn zum narzisstischen Größenwahn verleiten. Wie sonst lässt sich erklären, dass er Jagos Falschaussagen, Desdemona würde ihn mit Cassio betrügen, derart leichtsinnig glaubt?

Im Rausch der Eifersucht

Otello, von Aleksandr Antonenko filigran und doch etwas matt dargeboten, gerät im Rausch der Eifersucht an den Rand der Zurechnungsfähigkeit. Er wälzt sich auf dem Boden, weint, tritt und widersetzt sich Desdemonas glaubwürdigen Treueschwüren. Der wahre Held aber bleibt Jago, der Otellos psychische Schwäche geschickt zu instrumentalisieren versteht: Željko Lucic überzeugt mit klarem Bariton, bitterbösem Ausdruck und einer darstellerischen Stärke, die Sympathien weckt. Eine Umkehrung, die so nicht gewollt sein dürfte. Das Publikum quittiert die ironische Wende jedenfalls deutlich: Lucic bekommt Ovationen, während Antonenko die Bühne geknickt und unter Mitleidsapplaus verlässt.

Dirigent Yannick Nézet-Séguin überzeugt mit dem Met-Orchester, das die Dichte der Partitur bestens umzusetzen versteht. Die letzten beiden Akte gelingen so erschütternd, dass man zu begreifen beginnt, warum Verdis „Otello“ (und nicht Wagners „Ring“) als Vorstufe zum Film gilt: weil die Musik die Dramatisierung der Figurenpsychologie unterstreicht und nicht umgekehrt. Dafür ist schwarze Schminke gar nicht vonnöten. Eine starke Regie genügt.

Die „Otello“-Produktion wird am 17. Oktober in mehrere Berliner Kinos übertragen. Details: www.metimkino.de

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