Schauspieler: Der Lakoniker
Berühmt wurde er als proletarischer Womanizer in "Alfie", seit "Get Carter" wird er immer wieder als Gangster besetzt: Michael Caine, der Held mit Cockney-Akzent, feiert seinen 80. Geburtstag.
Nur wenige Männer sehen in Strickjacken gut aus. Michael Caine ist einer von ihnen. Immer wieder trägt er sie in verschiedenen Variationen, mal als gemütliche Hausjacke aus grober Wolle, mal in der sportlich-eleganten Kaschmirversion, und selbst noch abgetragene, ausgebeulte Modelle kleiden den großen, schlanken Mann vorzüglich.
Heute vor 80 Jahren wurde Caine im Rotherhithe, einem inzwischen längst gentrifizierten Londoner Arbeiterbezirk am südlichen Themseufer, geboren. Dieser Herkunft verdankt er seinen perfekten Cockney-Akzent, den er aber mühelos gegen den Public-School-Duktus der Oberklasse eintauschen kann. Das beweist er etwa in der Hochstaplerkomödie „Dirty Rotten Scoundrels“ (1988). Da betört Caine als falscher Prinz betuchte Damen und ist mit seiner snobistischen Das-kann-ich-unmöglich-annehmen-Nummer ist erfolgreich, dass er sich ein Schlösschen nebst dazugehörigem Personal leisten kann.
Wohlhabend sein wollte Michael Caine, der eigentlich Maurice Micklewhite heißt, auch im wirklichen Leben, und so sind unter den 150 Produktionen, in denen er bis heute aufgetreten ist, nur wenige herausragende Filme zu finden. Die ganzen fünfziger und halben sechziger Jahre hindurch spielte er in Fernsehserien und Genrekonfektion, bis er 1966 als proletarischer Womanizer „Alfie“ international auf sich aufmerksam machte. Als Gangster im epochalen Thriller „Get Carter“ (1971) verfolgte er seine Gegner mit solch einer kalten Wut, dass er wegen dieses Talents zum Soziopathen bis heute immer wieder als Schurke besetzt wird.
Viermal war er als bester Schauspieler für den Oscar nominiert, erhalten hat Caine die Trophäe jedoch nur zweimal als bester Nebendarsteller: für seine Rolle als untreuer, aber trennungsunfähiger Ehemann in Woody Allens Liebesverwirrungskomödie „Hannah und ihre Schwestern“ (1986) und für den Dr. Larch in „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ (1999), einen Waisenhausdirektor, der seine Lebensmüdigkeit mit Ätherräuschen bekämpft. Es sind besonders derlei leise, zurückhaltende Figuren, die der Lakoniker Caine zum Strahlen bringt. Seine bislang letzte Oscar-Nominierung erhielt er 2003 für „Der stille Amerikaner“, einen seiner besten Filme.
In der Graham-Greene-Adaption spielt Caine einen Reporter im Vietnam der fünfziger Jahre, der fast gegen seinen Willen eine politische Intrige aufdeckt. Ob er darin eine aktive Rolle übernehmen oder weiter in seiner als Neutralität getarnten Passivität verharren will, muss er innerhalb von ein paar Stunden entscheiden; und wie er Zweifel und Zögern, Angst und Empörung durch minimale Veränderungen seiner Mimik und Haltung ausdrückt, das zeigt, dass Michael Caine einer der Größten ist. Daniela Sannwald
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