High School-Erinnerungen aus Michigan: Der kleine Rassismus
Neben dem schreienden Unrecht im heutigen Amerika darf man die kulturelle Vorgeschichte nicht vergessen
William Collins Donahue ist Cavanaugh Professor of the Humanities an der University of Notre Dame in Indiana. Seinen Text hat Gregor Dotzauer aus dem amerikanischen Englisch übersetzt.
Als Schatzmeister der Abschlussklasse an der Grosse Pointe South High School in Michigan (Abgangsjahr 1977) verbrachte ich viele Heimspiele unserer Mannschaften hinter dem Bartresen und verkaufte Hotdogs. Für den Abschlussball war das die wichtigste Einnahmequelle. Nachdem ich mich für Sport nie wirklich begeistern konnte, noch jemals mit Spitzenleistungen glänzte, war das für mich auch kein großes Opfer.
Mein einziger Vorstoß auf diesem Gebiet blieb ein Gastspiel in der Leichtathletik-Mannschaft. Bei einem Wettkampf wollte der Schiedsrichter schon zur nächsten Runde aufrufen, als er überrascht feststellte, dass ein einsamer Nachzügler, nämlich ich, immer noch versuchte, den Zwei-Meilen-Lauf zu beenden. Ich sehnte mich nach einem Varsity Letter, einem Aufnäher auf der Jacke, der meine jugendliche Männlichkeit bezeugen würde. Ich scheiterte, auch weil man damals Mitglieder des Debattierteams grundsätzlich nicht damit auszeichnete.
Wir feierten den Süden
Aber ich begab mich regelmäßig auf die Tribüne, um mit Freunden herumzualbern. Wir gönnten uns viele Dummheiten, die wir damals für ziemlich clever hielten, wie etwa einen riesigen Pappmaché-BH zu hissen und „Support! Support!“ zu rufen. Das war zweifellos kindisch, aber auf pubertäre Weise auch lustig. Erst in der letzten Woche habe ich mich wieder an einen anderen Schlachtruf erinnert. Um uns von unserem Erzrivalen, der Grosse Point North High School, zu unterscheiden, feierten wir unsere Identität als „Süden“. Dabei intonierten wir stolz wieder und wieder „The South will rise again“. Wir wurden angetrieben von einem Cheerleader, der mit einer großen Confederate Flag, einer in den Sezessionskriegen Mitte des 19. Jahrhunderts aufgekommenen Flagge, die heute auch Vertreter der White Supremacy schwenken, über das Spielfeld lief.
Wenn wir jemals von einem Lehrer oder Elternteil ermahnt worden wären – ich kann mich nicht daran erinnern, dass es geschah –, hätten wir sicher darauf bestanden, dass alles nur Spaß war. Grosse Pointe war damals eine de facto segregierte Enklave von fünf kleinen Städten, die mit einem berüchtigten „Punktesystem“ Schwarze und Juden vom Grund- und Hauserwerb abhalten wollte. Dieses System war schockierend effektiv: In unserer ganzen Klasse gab es keinen einzigen schwarzen Studenten und nur sehr wenige Juden.
Das Gift der Segregation
Mein 17-jähriges Ich hätte die Flaggen-Aktion sicher als harmlosen Spaß verteidigt. Jetzt, mit 60 Jahren, bin ich mir nicht mehr so sicher. Was zum Teufel haben wir (relativ) reichen weißen Kinder uns eigentlich gedacht? Wir, die wir uns mit einem der besten öffentlichen Schulsysteme des Landes brüsteten, auf Collegeniveau Kurse in Geschichte und Politik erhielten? Welche Botschaft haben wir den gegnerischen Gästen vermittelt, deren Gemeinden zum Teil sehr viel weniger diskriminierend strukturiert waren? Und welche Art von Schaden haben wir uns selbst zugefügt?
Nicht den geringsten, werden einige behaupten. So waren einfach die Zeiten, ein bisschen unschuldiger Spaß. Aber es waren eben nicht nur die Zeiten der Schulfestparaden und harmlosen Partys, bei denen Cheerleader mit ihren Pompoms wedelten.
Im Juli 1974 hatte der Oberste Gerichtshof das mit Spannung erwartete Urteil in der Sache Milliken vs. Bradley verkündet. Es unterschied nach einer Segregation de facto und einer Segregation de jure: Wenn Schulbezirke nicht ausdrücklich auf eine Rassentrennung hinarbeiteten, hieß es, seien sie auch nicht verpflichtet, Schüler in Bussen in andere Bezirke zu fahren, um die Segregation in der Metropolregion um Detroit abzumildern. Von Grosse Pointe, einem der mehrheitlich weißen Schulbezirke, die sich der Klage angeschlossen hatten, ging ein kollektiver Seufzer der Erleichterung aus. Die bahnbrechende Aufhebung der schulischen Rassentrennung des Supreme Court im Jahr 1954, von der wir in der 9. Klasse in Bürgerkunde gehört hatten, blieb uns erspart. Wir konnten weitermachen wie bisher und alle Flaggen schwingen, die wir wollten. Das Problem der Bustransporte und der Aufhebung der Rassentrennung blieb in Detroit.
In der jetzigen Situation komme ich nicht umhin, darüber nachzudenken, auf welch vielfältige Weise wir es versäumt haben, Gleichheit und Gerechtigkeit in diesem Land voranzubringen. Polizeibrutalität ist jetzt zu Recht unsere Hauptsorge. Aber auch in den Bereichen Kultur und Erziehung haben wir mit unangenehmem Ballast zu kämpfen.
William Collins Donahue
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