Man wünscht Edward Said, dass er wenigstens in seinem nächsten Leben heimisch werden möge. Fühlte er sich auf Erden doch immer „Am falschen Ort“ – wie er seine Autobiografie nannte. Geboren in Jerusalem, aufgewachsen in Kairo, mit 16 Jahren 1951 zum Studium in die Staaten geschickt und dort als Fremdling geblieben – Said war schon früh ein exemplarischer Heimatloser. Und so setzte sich der Literaturwissenschaftler vehement für sein ebenfalls heimatloses Volk ein: die Palästinenser.
Ein Engagement, das nicht frei war von irritierenden Aspekten. Mit der Ablehnung des Oslo-Prozesses gesellte Said sich zu den vielen arabischen Intellektuellen, die noch stets die kleine Chance auf Frieden vergaben für die Aussicht auf eine große, kaum zu verwirklichende Utopie – im Falle Saids die eines binationalen Staates. Dass er am Ende mit seinen Kassandrarufen Recht behielt, wird ihn selbst am meisten geschmerzt haben. Den größten Respekt hat ihm aber Jassir Arafat erwiesen, als er Saids Bücher verbot, weil er die beißende Kritik aus New York an seiner Amtsführung und am palästinensischen Filz nicht länger ertrug.
Said war auf schillernde Weise ein Produkt dessen, was er in seinen Werken kritisierte: des Kolonialismus. Als Sohn einer reichen arabischen Familie genoss er in Kairo eine englische Erziehung und wuchs mit der englischen und der arabischen Sprache auf. „Jede kann als meine Muttersprache gelten,“ schrieb er, „keine von beiden ist es“. Ihm wurde der Wertekanon der arabischen Oberschicht eingeimpft, der sich in einem Punkt mit dem der Kolonialherren traf: „Das Arabische war verboten und ,kanakisch’.“ Aber auch in der Welt der englischen Clubs, zu der seine Schicht gerne gehören wollte, fühlte man sich nicht akzeptiert.
Es ist diese Jugend auf der kolonialen Bruchlinie, die zu seinem folgenreichsten Buch führt: „Orientalism“ wird zum Standardwerk für Kolonialismus-Studien wie für die Kulturwissenschaften. Es beschreibt, wie der Westen sich den Orient in Wissenschaft und Literatur konstruierte und somit Einfluss auf die Kultur der beherrschten Völker erhielt. Die Folgen notiert Said in seinen Erinnerungen: „Zwischen meinem Vater und mir schien eine fatalistische Übereinkunft über unseren notwendigerweise minderwertigen Status zu bestehen.“ Kolonialismus in den Köpfen.
Verkannt fühlte sich Said mit seinen musiktheoretischen Schriften. So kamen gleich zwei seiner Leidenschaften zusammen, als er mit Daniel Barenboim den „West-östlichen Diwan“ gründete, ein Forum für israelische und palästinensische Musiker. Zusammen organisierten sie die provokanten Konzerte Barenboims in Ramallah. Was der Musiker an Said schätzte, war seine „Sensibilität für die jüdische Geschichte“, wie Barenboim nun in seiner Würdigung schreibt. Mit Eward Said habe er „ einen Seelenverwandten verloren“.
Obwohl er sich auch in den USA immer als Außenseiter fühlte, wurde Said dort zu einem herausragenden „öffentlichen Intellektuellen“. Unermüdlich mischte er sich auch nach 1991 in öffentliche Debatten ein – dem Jahr, in dem bei ihm Leukämie diagnostiziert wird. Die Krankheit, die den zähen und disziplinierten Geistesarbeiter nun im Alter von 67 Jahren besiegte.
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