In den neunziger Jahren war Christoph Marti der Mr. Pisa der Berliner Entertainmentszene: Wenn er als Ursli mit seinen Geschwistern Pfister die Bar jeder Vernunft aufmischte, wurde so mancher schiefe Turm zur Siegessäule. Kein Wunder, wenn ein schwules Stadtmagazin jetzt die Wiederaufnahme von „Cabaret“ im Spiegelzelt sponsert: Denn Christoph Marti ist wieder da! Die Besetzung des Conférenciers war im vergangenen Herbst die Achillesverse der Inszenierung von Vincent Paterson. Seit Mittwoch nun begrüßt Christoph Marti „Fremde, Etrangers, Strangers!“ und ist nicht allein der Gastgeber, sondern auch der Gasgeber des Abends. Als glamouröses Zwitterwesen wirbelt er über die winzige Bühne, spielt das dekadente Spiel mit den Identitäten und legt dabei eine Aasigkeit in sein strahlendes Lächeln, die nicht mehr für wohlige Gänsehautgefühle taugt. In seiner Heimatstadt Bern hat er sich gerade als Damendarsteller profiliert, in „Hello, Dolly“ – und das hauptstädtische Publikum scheint ihm mit den Worten aus dem Jerry-Herman- Musical zuzujubeln: „It’s so nice to have you back where you belong!“
185 Vorstellungen hat die „Cabaret“- Crew schon hinter sich, und das merkt man der Show auch an: Die Pointen sitzen passgenau, die Choreografien sowieso – und die grandiose Band um Adam Benzwi macht eine atemberaubend lässige Großstadtmusik dazu. Anna Loos-Liefers ist an der Sally gewachsen, Urslis Bühnenbruder Tobias „Toni“ Bonn spielt den langweiligen Gutmenschen Clifford Bradshaw so gut es eben geht. Marco Billep glänzt wieder als Gorilla, Torsten Stolls Nazi ist jetzt richtig gut: Ein Fanatiker, der sich beherrscht, um endlich beherrschen zu können.
Angela Winkler werden wohl nur wenige Glückliche als Fräulein Schneider zu sehen bekommen; wegen ihrer Verpflichtungen am Berliner Ensemble ist die Rolle dreifach besetzt. Christoph Marti aber wird jeden Abend in den von Fiona Bennett entworfenen, perlmuttglänzenden Frack schlüpfen – die ganze zweite Spielzeit dieser Produktion, bis April 2006.
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