Ann Huis „Tao Jie – Ein einfaches Leben“: Der Gang des Lebens
Statt dramatischer Verwicklungen gibt es bestechende Zartheit: Ann Huis „Tao Jie – Ein einfaches Leben“ überzeugt durch seine unaufgeregte Erzählidee.
1982 war ihm in Ann Huis vielfach preisgekrönten Filmdrama „Boat People“ der Durchbruch als Darsteller gelungen. Dann wurde er auch als Sänger ein gesamtchinesischer Superstar. Nun ist Andy Lau nach einer vielgestaltigen Karriere wieder in einem Film der großen Regisseurin zu sehen.
Dass der Hongkonger Schauspieler und Filmproduzent dabei ausgerechnet einen Hongkonger Filmproduzenten mimt, ist mehr als ein hübscher Insiderwitz. Es verweist auch auf die im echten Leben eines Hongkonger Produzenten wurzelnde Geschichte der Zuneigung des nicht mehr ganz jungen Roger zu Ah Tao, der langjährigen Haushälterin (bewundernswert uneitel: Deanie Yip) seiner Familie. Als Waisenmädchen aus der chinesischen Provinz wurde sie einst bei der Familie Leung in Stellung gegeben und zog dort drei Generationen groß. Irgendwann ist Roger als einziger Bewohner der alten Wohnung übrig, weniger zu Hause als mit dem Rollkoffer unterwegs.
Zarte Beziehungsgeschichte
„Tao Jie – Ein einfaches Leben“ setzt ein, als auch diese Dienstbeziehung fast vorbei ist und Ah Tao nach einem Schlaganfall die Übersiedlung in ein Altersheim erbittet. Das quirlige Treiben dort steht im Gegensatz zur einsamen Kargheit von Rogers Junggesellenleben. Doch im Herzen ist auch Ah Tao eher distanziert. Und Roger kommt immer häufiger zu Besuch: Nur statt von Ah Tao bekocht zu werden, führt er sie jetzt aus zum Essen – eine Leidenschaft, die beide teilen.
Ann Hui realisiert die zarte Beziehungsgeschichte mit gewohnter Souveränität, visuellem und musikalischem Unterstatement und melancholisch unterfüttertem Humor. Dabei zeigt sie, zuweilen fast satirisch, Sensibilität auch für das soziale Gefüge ihrer Heimatstadt; im privatwirtschaftlich betriebenen Altersheim etwa werden die Preise fürs Begleitpersonal zum Arztbesuch nach ethnischer Herkunft und Aufenthaltsstatus in vier Klassen gestaffelt – am billigsten kommen die südostasiatischen Migranten.
Wehmütige Hommage
Insgesamt profitiert der Film von seinen herausragenden Darstellern ebenso wie von der unaufgeregten Erzählidee und dem Entschluss, statt eingefädelter dramatischer Verwicklungen dem Gang des Lebens zu vertrauen. So besticht „Tao Jie“, seit drei Jahren auf Festivals unterwegs, nun auch im Kino mit Liebenswürdigkeit und Schönheit.
Nebenbei: Die 1947 in Hongkong geborene Regisseurin Ann Hui ist genauso alt wie ihre Hauptdarstellerin Deanie Yip, die für ihre Rolle in „Tao Jie“ 2011 in Venedig ausgezeichnet wurde. Und die ist auch privat die Patentante von Andy Lau. Dass zudem viele Hongkonger Kollegen wie der legendäre Tsui Hark oder Sammo Hung – mehr oder weniger sich selbst spielend – als Gastdarsteller auftreten, macht „Tao Jie“ auch zur einer leicht wehmütigen Hommage an diese einzigartige, nun in Groß-China untergehende Filmwelt.
fsk am Oranienplatz (OmU)
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