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Es stellen sich vor: Dr. Jekyll und Mr. Hyde alias Moritz Bleibtreu (l.) und Jürgen Vogel.
© dpa

Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu in "Stereo": Der Feind in meinem Kopf

Die Coolness paast, der Look sitzt: Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu als Sparringspartner in Maximilian Erlenweins beklemmendem Thriller „Stereo“.

Schick, diese Titelsequenz, fast wie bei Bond.  Flammen lodern, Funken stieben, Köpfe schieben sich schemenhaft übereinander, ein herzschlagtreibender Elektrobeat kündet von Unheil. Keine Frage, diese Reise in die Nacht wird vom Willen zur Stilisierung regiert, wie sich das bei ambitionierten Genrefilmen gehört. Regisseur Maximilian Erlenwein und sein Kameramann stemmen das auch low budget: Die Coolness passt, der Look sitzt.

Schon im gemeinsamen Vorgängerfilm „Schwerkraft“ – der 2009 in Saarbrücken den Max-Ophüls-Preis gewann – war Jürgen Vogel mit von der Partie. Bei „Stereo“, einer Mischung aus Mystery-Drama und Psychothriller, hat er nun Moritz Bleibtreu als Sparringspartner an seiner Seite. Erstmals spielen die deutschen Antihelden-Stars Hauptrollen im selben Film – als Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Der Plot: Motorradschrauber Erik (Vogel) sieht sein ländliches Idyll mit eigener Werkstatt, blonder Freundin (Petra Schmidt-Schaller) und süßer Ziehtochter durch einen geheimnisvollen Aggressor namens Henry (Bleibtreu) bedroht. Perfide daran ist, dass nur Erik den pöbelnden Kapuzenträger sehen kann, der zudem mehr Dinge als er selber über seine Vergangenheit zu wissen scheint. Die Bande von kriminellen Finsterlingen dagegen, die den von Vogel abgründig gezeichneten Erik zeitgleich mit Henrys Erscheinen in Panik versetzt, ist blutig real. Fragt sich, wer denn jetzt eigentlich die Leichen im Keller hat – Henry oder Erik?

Mit Verfremdungseffekten, Slowmotion und gelb-grünstichigen Filtern schafft die Kamera die angemessen irritierende Atmosphäre für Eriks seelischen Zerfall. Als eine Geistheilerin Erik den bösen Henry mittels Akupunkturnadeln zu exorzieren versucht, wird es denn doch ein bisschen viel der Stilisierungsliebe. Mit Perlenschnüren, Vogelkäfigen und Vintagemöbeln auf überpittoreske Komik getrimmt, erhält sich die Szene nur mehr durch das ausgebuffte Sounddesign ihre Gruselkraft – an Beklemmung und Klischierung lediglich übertroffen vom Showdown in einem Zuhälter-Nachtclub, in dem Georg Friedrich als zuverlässig aasiger Milieu-Ösi herrscht.

Wirklich furchterregend in Erlenweins „Stereo“ sind ohnehin nicht die Schläge, die Schüsse, der Tod. Viel beklemmender ist die Frage, wie viel Böses im Guten wohnt und umgekehrt. Ob den Menschen das Böse oder das Gute erst eigentlich zum Menschen macht – oder eher sein schlechtes Gewissen, das persönlichkeitszersetzende Gift der Schuld. Mehr noch: Ist der Mensch ohne Aggression überhaupt überlebensfähig? Ja, gehört die dunkle Seite sozusagen evolutionär zum Mann dazu?

„Stereo“ ist ein Jungsfilm, verziert mit Tattoos und parfümiert mit Motorenöl, ein Männerduell voll physischer Präsenz und proletarischem Mackertum. Für Petra Schmidt-Schaller als Freundin und Mutter bleibt in Erlenweins Drehbuch da nur der schmal schmückende Part. Bleibtreu überzeugt als ätzender Unsympath Henry, der sogar süße Geburtstagskinder mit „Halt die Schnauze jetzt!“ anblafft. Differenzierter allerdings spielt Jürgen Vogel. Der hat die bessere Rolle erwischt und füllt sie großartig aus.

In 14 Berliner Kinos. Mit engl. UT: Central Hackescher Markt

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