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Brite, Biobauer, Bach-Forscher: John Eliot Gardiner ist einem Klangideal großtmöglicher Homogenität verpflichtet.
© dpa

John Eliot Gardiner in der Philharmonie: Der ewige Gärtner

John Eliot Gardiner ist mit seinem Chor und den English Baroque Soloists zu Gast in der Philharmonie. Dort zelebriert er seine größte Leidenschaft: Bach.

Was für ein Glück, dass die Ernte des Jahres schon eingefahren ist und noch Zeit bleibt, bis die Lämmer ihren Nachwuchs in die Welt bringen. So bietet sich Sir John Eliot Gardiner in der Adventszeit genügend Freiraum, um mit seinen Ensembles ausgiebig auf Tournee zu gehen. Der hochgewachsene Brite ist ebenso überzeugter Biobauer und Bach-Forscher wie Chor- und Orchesterleiter. Alles hängt bei ihm zusammen, unauflösbar, wie bei der biodynamischen Kreislaufwirtschaft, die der Natur nichts aufzwingt, ihre Kräfte aktiviert und fördert. Unter den Vorkämpfern der Alte-Musik-Bewegung ist Gardiner der ewige Gärtner. Mit 21 gründete er den Monteverdi Choir, inzwischen ist er 73 und mit seinem Chor und den English Baroque Soloists endlich wieder einmal zu Gast in der Philharmonie.

Im Gepäck hat er ein Programm, das kompromisslos seinen Leidenschaften folgt, deren höchste Bach ist. Gerade ist sein fulminantes Buch über den Thomaskantor auch auf Deutsch erschienen, das sich nicht an Spekulationen über den Menschen Bach beteiligt, sondern ihn ganz aus der Musik entdeckt, vor allem aus seinen Vokalwerken. Ihnen ist Gardiner vertraut wie kaum ein Zweiter, spätestens seit er alle 198 Kirchenkantaten innerhalb eines Jahrs ausgeführt und auf seinem Label „Soli Deo Gloria“ veröffentlicht hat. Mit dieser Demutsformel pflegte Bach seine Werke abzuschließen, Gardiner ist sie Garant für unabhängiges künstlerisches Wirken.

Mit Bach in den Spiegel schauen

Wie das „Kyrie Eleison“ der Lutherischen Messe anhebt, ist auf eine ganz unspektakuläre Weise unerhört. Ohne spürbaren Ansatz tasten sich Musiker und Sänger nicht erst in das Werk hinein, sie befinden sich bereits in seiner Mitte, die immer da ist, nur auf einmal auch ans Ohr des Publikums dringt. Gardiners Klangideal für Bach offenbart sich darin, einen fortdauernden Zustand größtmöglicher Homogenität zu schaffen, ein Kontinuum, das uns erst bewusst macht, wie sehr wir es gewohnt sind, auf die nächste Sensation zu lauern. Auf Widerworte, Drama, Außer-uns-Sein. Gardiner, der auf britische Art charmant und zugleich schneidend sein kann, lässt seine Zuhörer mit Bach in einen Spiegel schauen.

Dazu trägt auch bei, dass seine Solisten aus dem Chor heraustreten und dabei vom Gestus her stets Teil dieses Ganzen bleiben. Kein Rampensingen, keine Stimmen, die auffallen wollen. Das ist der protestantische Geist, wie Gardiner ihn in Bach erkennt. Ihm bleibt er treu, auch wenn das „Magnificat“ in Es-Dur mit Pauken und Trompeten deutlich mehr orchestrale Pracht entfaltet. Gardiner und seine Ensembles musizieren es mit allen vier weihnachtlichen Einschüben. Von Ewigkeit zu Ewigkeit.

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