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Das Theater im Palais am Festungsgraben in Berlin.
© Thilo Rückeis

Kriegserinnerungen im Theater im Palais: Der Erste Weltkrieg im Kleinen erzählt

Das Erschütternde des Ersten Weltkrieges zeigt sich in "Tagebuch im Sturmgepäck" aus dem Blickwinkel zweier Soldaten, die ihre Identität behaupten. Durch die Spiegelung mit dokumentarischem Material wird der Blick in die großen historischen Zusammenhänge gelenkt.

Tagebücher, wieder einmal. Und doch ein neuer, kühner Versuch. Das Erschütternde des Ersten Weltkrieges und das private Durchleben dieser Jahre finden in „Tagebuch im Sturmgepäck“ zusammen, einem eigenwilligen Abend des Theaters im Palais. Die Schauspielerinnen Gabriele Streichhahn und Franziska Troegner schicken die eigentlich nur für die Familien bestimmten Kriegsaufzeichnungen ihres Großvaters (Streichhahn) und ihres Urgroßvaters (Troegner) in die Öffentlichkeit. Ein betulicher Leseabend? Alles andere als das. Stattdessen erhellen sich historische Zusammenhänge.

Der Krieg zeigt sich aus dem Blickwinkel zweier einfacher Soldaten, die ihre Identität behaupten. Beide – im Alter um viele Jahre getrennt, mit ganz unterschiedlichen Berufen – beobachten scharf, behalten Zuversicht, sogar Humor im Grauen der Kämpfe. Sie zweifeln früh am Sinn des Krieges, beschreiben unbestechlich genau seine Brutalität. Sie haben gesunden Menschenverstand – und ihnen wird das Glück des Überlebens zuteil. Bedeutsamkeit gewinnen die Erlebnisse der Soldaten durch die Spiegelung mit dokumentarischem Material: kaiserliche Verlautbarungen, Propagandajubel aus Zeitungen, knappe Alltagsberichte über das Leben in den Kriegsjahren. Das ist erschütternd und entlarvend, es reißt den Blick vom Privaten in große historische Zusammenhänge. Eine Weltsicht wird möglich, in der nicht zuletzt auch bedrängende Fragen zum Heute stecken.

Gabriele Streichhahn und Franziska Troegner drängen sich den Texten nicht auf. Sie lassen sie für sich wirken, begegnen ihnen mit neugierigem Staunen. Ute Falkenau am Klavier gibt den Berichten und Dokumenten musikalische Struktur, verknüpft sie, vorsichtig interpretierend, mit volkstümlichen Liedern der Zeit sowie eigenen Kompositionen. Dabei entsteht – unter der Leitung von Mareike Block – ein Zeitbild, ganz aus dem Familiären heraus, zum Nachdenken anregend auf eine sehr besondere Art.

Die Vorstellung "Tagebuch im Sturmgepäck" findet erneut am 3. und 14. Juni statt.

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