Kate Cooper und Ryan Trecartin bei der Art Week: Der errechnete Körper
Die Kunst-Werke zeigen zur Berliner Art Week die Jungstars Kate Cooper und Ryan Trecartin, mit einer beängstigenden Dolby-Surround-Klangwelt und überlebensgroßen weiblichen Avatare, die aus dem Computer stammen.
KW, das steht für Kunst-Werke. Es könnte zurzeit aber auch die Abkürzung für Künstliche Werke sein. Denn was das Ausstellungshaus für Zeitgenössisches in der Auguststraße zur Art Week mit Ryan Trecartin und Kate Cooper bietet, ist jeglicher Realität enthoben, unnatürlich und überdreht. Beide Künstler bekommen hier ihren ersten institutionellen Auftritt in Deutschland.
Trecartin, 1981 in Texas geboren, nutzt dazu die ganz große Bühne. Das Erdgeschoss ist kaum mehr wiederzuerkennen. Eine düstere, schachtelige Innenarchitektur hat er einbauen lassen, mit kleinen Kammern, die vom Fußboden über die Wände mit einem dunkelgrünen Velours-Teppich ausgekleidet sind. Zunächst ist es ein Labyrinth der Töne, denn zu sehen bekommt der Besucher erst einmal nichts. In allen Räumen stehen wuchtige Massagesessel, über ein Dolby-Surround-System werden vielschichtige Tonspuren eingespielt, quietschende Stimmen und Geschrei sind auszumachen, Lärm, manchmal auch Fetzen eines beatlastigen Rhythmus.
Trecartin interessiert sich für skulpturale Gestaltung von Klang
Die Bässe übertragen sich direkt auf die Sitze, sie wummern unangenehm beklemmend im Körper. Je weiter man von den ersten Kammern zum Kern der Arbeit vordringt, desto mehr Klangräume drängen auf einen ein und überschneiden sich. Trecartin interessiert sich für die skulpturale Gestaltung von Klang. Hier wird deutlich, was er damit meint. Dann wird aus dem Kopfkino echtes Kino. Im Hauptraum eröffnet sich ein Zuschauerparkett mit Campingstühlen und Liegen. Sechs Leinwände sind vor, hinter und über den Köpfen angebracht. Passend zur Mehrkanal-Soundinstallation laufen verschiedene handlungsfreie Videos parallel ab.
Junge Männer und Frauen, Mitglieder eines Künstlerkollektivs um Trecartin, sind in Bad-Taste-Kostüme geschlüpft. Sie haben schmutzige Gesichter und tragen Plastikperücken. Wie aufgedrehte Duracell-Häschen laufen sie durch einen Freimaurer-Tempel in Los Angeles, der aber eher den spröden Charme eines Vereinsheims verströmt. Für die androgynen Protagonisten scheint er eine Art Abenteuerspielplatz zu sein, immer wieder stecken sie verschwörerisch die Köpfe zusammen, schauen affektiert direkt in die Kamera. Es wird hektisch gestikuliert, die Handkamera wackelt, passend zu den schnellen Schnitten. Es ist, als habe Trecartin zusammen mit seiner künstlerischen Partnerin Lizzy Fitch Musik-Videos, Youtube-Filmchen und Computerspiel-Animationen einmal durch den virtuellen Fleischwolf gedreht. Reine Überforderung.
Die Installation nervt gewaltig
Für diese radikale Ästhetik ist Trecartin schon seit einigen Jahren als Stimme der Digital-Native-Generation schwer angesagt. Am Moma PS1 in New York war er bereits zu Gast, dessen Leiter Klaus Biesenbach hat ihn zusammen mit der KW-Kuratorin Ellen Blumenstein nun auch nach Berlin gebracht. Die Installation ist beeindruckend. Sie nervt gewaltig. Und am liebsten möchte man schnell wieder hinaus. Surfen im Internet kann manchmal auch schnell zu viel werden. Dann brummt der Kopf.
Kate Cooper hat weibliche Avatare erschaffen
Geradezu meditativ, aber nicht minder gruselig, wirken da die von Rechnern erstellten Bewegtbilder der britischen Künstlerin Kate Cooper. Sie hat weibliche Avatare erschaffen, vollkommene Frauen mit symmetrischem Gesicht. Von raumhohen Screens wenden sie sich dem Betrachter zu, zwinkern verführerisch oder öffnen sanft die vollen Lippen. Die Mimik kommt einem vertraut vor, es sind Gesichter, die uns tagtäglich in der Werbung begegnen. Erstellt wurden sie mit einer 3-D-Computergrafik, wie sie auch die Filmstudios für Blockbuster verwenden. Obwohl die Bilder allein auf Rechnercodes basieren, wirken diese Frauen erstaunlich menschlich. Cooper schafft es, ihnen Verletzlichkeit zu geben.
Und im nächsten Moment bricht sie die Illusion mit minimalen Mitteln. Dann ruckeln die Bilder plötzlich, die Lider klappen wie bei Puppen, eine Plastikschale legt brutal das Gebiss mit einer Zahnspange frei. Coopers Ausstellung, die sich über zwei Etagen der Kunst-Werke erstreckt, ist Bestandteil des mit 10 000 Euro dotierten Kunstpreises der Schering Stiftung, dessen diesjährige Gewinnerin die 1984 in Liverpool geborene Britin ist. Die Schau „Rigged“ (zu Deutsch: manipuliert oder zurechtgebastelt) lässt sich als Gesellschaftskritik lesen. Kate Cooper verlegt unseren Körper-Optimierungswahn in die virtuelle Welt. Sollen doch andere makellose Körper haben.
Kunst-Werke, Auguststraße 69, Ryan Trecartin und Kate Cooper bis 11. Januar, Mi-Mo 12-19 Uhr, Do 12-21 Uhr.
Anna Pataczek