Biographie über Frank Zappa: Der Dümmere gibt nach
Der Bürgerschreck als Rockgenie: Eine furiose Biografie ergründet Frank Zappa und seine Abgründe
Das Manische eines Künstlers wird gerne mit einem Schlüsselerlebnis in seiner Biografie in Verbindung gebracht. Auch bei Frank Zappa, der am 21. Dezember 65 geworden wäre, ist das nicht anders. Die Geschichte geht so: Junger, aufstrebender Musiker, der im kalifornischen Cucamonga ein kleines Tonstudio unterhält, bekommt Besuch von einem Gebrauchtwagenhändler. Er gibt bei dem 25-Jährigen einen „aufregenden Film“ in Auftrag, den er auf einer Party anderen Gebrauchtwagenhändlern vorführen will. Doch bringt er die dreihundert Dollar dafür nicht auf. Sie einigen sich auf ein Tonband für hundert Dollar. Dass es sich bei dem Auftraggeber um Sergeant Jim Willis handelt, einen weithin bekannten Detective des Sittendezernats, bleibt Zappa verborgen. Die ganze Nacht hindurch hüpfen er und seine Freundin auf dem Bett herum, dass es quietscht, sie stöhnen, japsen und geben sich alle erdenkliche Mühe, wie etwas Verbotenes zu klingen – das Gelächter schneidet Zappa später heraus und unterlegt die Sex-Collage mit Musik. Am nächsten Morgen wird er verhaftet und zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
Der britische Autor Barry Miles (zuletzt: „Hippie“) stellt diese Szene an den Anfang seiner kenntnisreichen Biografie des schillernden Bürgerschrecks Frank Zappa. Und das hat mit ihrer Pointe zu tun: Zappa war zum Sittenstrolch geworden, ohne auch nur in Erwägung gezogen zu haben, ein Rebell zu sein.
Bis dahin hatte die Karriere des Musikers wie der glücklose Versuch ausgesehen, seine Vorliebe für raue R & B- Songs mit der Gleichgültigkeit seines Umfelds gegenüber den Geräusch-Gemälden der musique concrète in Einklang zu bringen. Da er ein Talent dafür besaß, schmissigen Surf-Pop zu schreiben, waren ihm schon lokale Radio-Hits gelungen. Doch den Durchbruch hoffte er mit einem kruden Horrorfilm zu erzielen, für den er die Kulissen schon irgendwo in Hollywood abgestaubt hatte. Etwas voreilig bezeichnete er sich auf einem Aushang, mit dem er um Mitwirkende warb, als „Filmkönig von Cucamonga“. Die Polizei schöpfte Verdacht, vermutete einen Pornofilm und begann, „Studio Z“ zu observieren. Willis hatte leichtes Spiel, den Möchtegern-Tycoon dranzukriegen. Zehn Tage saß er im Bezirksgefängnis von San Bernadino. Den Rest seiner Karriere gab sich Zappa alle Mühe, das, was Amerika von ihm hielt, in jeder Hinsicht zu übertreffen.
Verwinden konnte der Musiker und Komponist diese Demütigung nie. Wie stark sie ihn beschäftigte, demonstrieren die Zeilen auf dem 1975 erschienenen Album „One Size Fits All“, in denen es heißt: „There’s forty-four men stashed away in tank ,C’/ And there’s only one shower, but it don’t apply to Bobby-yy.“ Ein paar Jahre später tauchte dieser Bobby wieder auf. Seine Zähne blitzten, er fuhr ein schnelles Auto und hatte sich seiner Umgebung angepasst: „Oh God I am the American dream“, prahlte er, „I do not think I’m too extreme/ An’ I’m a handsome sonofabitch/ I’m gonna get a good job ’n’ be real rich.“ Aber etwas stimmte nicht mit diesem Bobby Brown, dem Helden von Zappas gleichnamigen Dorfdisko-Hit. Er hatte keinen Durchblick und ging im Dickicht sexueller Gelüste unter.
Nichts verachtete der Zyniker Zappa so sehr wie Dummheit. Und alles, was er liebte, gehörte der Vergangenheit an. Zappa war ein Mann krasser Widersprüche. Es ist Barry Miles zu danken, dass in seiner überaus lesenswerten, liebenswürdig-kritischen „Zappa“-Biografie die vielen disparaten Charaktereigenschaften des Rockstars in ihrer Unvereinbarkeit deutlich zutage treten.
Da ist der Held der anti-autoritären Linken, Kopf der Mothers of Invention, deren anarchistische Zertrümmerungsorgien auf der Bühne die Rockmusik mit dem Varieté, dem Happening und dem absurden Theater versöhnen. Da ist aber auch der knallharte Geschäftsmann, der das Beste aus seinen Musikern herausholt („Er spielte uns als Menschen“, erklärte Ruth Underwood), sie nach Belieben feuert und wie ein Despot über sein kreatives Reich wacht. Wegen seiner verrückten Songs wird er als Drogenkönig verehrt, obwohl er nie welche genommen hat und ihren Konsum missbilligt.
Er ist 28 Jahre lang mit derselben Frau verheiratet, aber nur, wie beide zugeben, weil sie nicht miteinander reden. Immer wieder muss Gail Zappa jüngere Verehrerinnen an seiner Seite verdrängen. Seine Kinder bekommen ihn oft monatelang nicht zu Gesicht und schieben Zettel unter der Studiotür hindurch, hinter der er sich wie ein Eremit verschanzt. Er sei ein Fremder im eigenen Haus gewesen, schildert Miles das bizarre Familien-Arrangement, bei dem sich alle den Bedürfnissen des Maniacs unterordnen. Dass die 13-jährige Tochter Moon Unit bei dem Versuch, ein wenig Zeit mit ihrem Vater zu verbringen, nicht abgewiesen wird, verdankt sie ihrem Talent, die örtlichen Dialekte zu imitieren. Sie wird zum „Valley Girl“ und beschert Zappa seinen größten kommerziellen Erfolg.
Miles hält sich bei der Darstellung privater Belange angenehm zurück. Umso mehr widmet er sich den Leitlinien von Zappas Schaffen. Selbst unter den „Creative Outlaws“ wie den Fugs, Lothar & The Hand People oder Tom Rapp, denen eine erhellende Trikont-CD nun ein Denkmal setzt, war Zappa eine Ausnahme. Zeitlebens tief im Doo-WopSound der Fünfziger verwurzelt, konnte seine Musik atemberaubend komplex sein, viel vertrackter, als man das von einem Popkünstler erwarten durfte. Trotzdem bediente er mit Titeln wie „I Promise Not To Come In Your Mouth“ immer wieder einen ziemlich pubertären Kitzel. Erst kurz vor seinem Krebstod traf er mit dem Ensemble Modern auf einen Klangkörper, bei dem der Scharlatan in ihm sich nicht aufzubäumen brauchte. Auch wenn heute in der Philharmonie die NDR-Bigband unter Leitung von Colin Towns sich dem Zappa-Werk widmet, wird der ernste, ernst zu nehmende Visionär im Vordergrund stehen.
Für Miles war Zappa vor allem ein PR- Genie. Die „Kombination von kommerziellem Marketing und revolutionärem Pathos“ erschloss ihm ein treues Publikum. Wobei Miles ihn hellsichtig als Vorreiter einer Dynamik sieht, die im Namen der „freien Meinungsäußerung“ ihre Ideen soweit abschleift, bis aus Lenny Bruce und Woody Allen Beavis & Butt- Head geworden sind. Vom Grußkarten- Designer, als der sich Zappa nach der Highschool verdingte, zum Strategen des „Freaking Out“ und späteren Präsidentschaftskandidaten verläuft eine Linie beflissener Agitation. Obwohl man sich dem Zappa-Kosmos nicht anvertrauen kann, ist er ein mächtiges Korrektiv.
Barry Miles, Zappa, Rogner & Bernhard, Berlin 2005, 528 Seiten, 23,50 €.
Diverse, Creative Outlaws. US Underground 1962-1970 erscheint bei Trikont.
– Colin Towns & NDR Bigband spielen „Frank Zappa’s Hot Licks (And Funny Smells)“ heute im Kammermusiksaal der Philharmonie, 20 Uhr.
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