Raubkunst in Museen: Der deutsche Weg
Wie umgehen mit Raubkunst aus der Kolonialzeit? Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat jetzt einen Leitfaden vorgestellt.
Für Frankreich war es der Befreiungsschlag, als Staatspräsident Macron im vergangenen Jahr in Ougadougou vor Studenten überraschend ankündigte, man werde innerhalb der nächsten fünf Jahre Raubkunst aus der Kolonialzeit an die Ursprungsländer restituieren. Von Deutschland ist eine solche Rundum-Erklärung nicht zu erwarten. Die braucht es auch gar nicht erst, sagt Eckhard Köhne, Präsident des deutschen Museumsbundes. Hierzulande werde Restitution längst praktiziert – ohne Ordre von oben. Eine waggonweise Rückgabe von kolonialen Objekten sei ohnehin nicht im Sinne der Sammlungen.
Eine Marschroute muss her
Die deutschen Museen beschreiten einen anderen Weg, der sich künftig entlang eines offiziellen Leitfadens bewegt. Eine Marschroute muss also trotzdem her, denn auch die bundesrepublikanischen Museen tun sich schwer. Gemeinsam mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters, von der sich mancher ein Macron’sches Machtwort wünscht, stellten Köhne und Wiebke Ahrendt, Direktorin des Bremer Übersee-Museums und federführend bei der Erarbeitung des Leitfadens, die 132 Seiten starke Broschüre im Bundespresseamt vor. Der Ort erstaunt auf den ersten Blick, handelt es sich doch letztlich um eine verbandsinterne Handlungsempfehlung. Doch der Umgang mit dem heiklen Sammlungsgut hat in der Kulturpolitik in den letzten Jahren zunehmend an Priorität gewonnen und sogar in die Koalitionsvereinbarung Eingang gefunden. Nachdem der Fall Gurlitt auf die vielerorts verschleppte Auseinandersetzung mit NS-Raubkunst in deutschen Museen gelenkt aufmerksam gemacht hatte, offenbarte sich hier ein weiteres Desiderat. „Viel zu lange war die Kolonialzeit ein blinder Fleck in unserer Erinnerungskultur“, gestand denn auch Grütters am Montag ein. Die näher rückende Eröffnung des Humboldt-Forums, die umstrittene Präsentation der Ethnologischen Sammlungen trägt zur Erhitzung des Themas bei.
Was sind die Bedürfnisse der Herkunftsländer?
Der nun herausgegebene Leitfaden soll ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte sein, so wünscht es sich jedenfalls der Museumsbund. Er erklärt den Ausstellungshäusern klipp und klar, was ein kolonialer Kontext ist, der je nach Objekt bereits mit dem 15. Jahrhundert beginnen kann und nicht erst 1960 enden muss. Von kolonialem Erbe ist übrigens fortan nicht mehr die Rede, da dieser Terminus bereits Besitzansprüche suggeriert. Die Sensibilisierung schreitet voran. Der Leitfaden stellt eine praktische Anleitung dar, wie die Herkunftsgeschichte von Sammlungsobjekten erforscht werden kann, welches Recht damals beim Erwerb angewandt wurde, wie sich seitdem die Gebietsverhältnisse verändert haben. Der wichtigste Ratschlag: Statt einseitig Rückgabeangebote zu machen, sollten vielmehr in den Herkunftsländern die Bedürfnisse erfragt werden. Vielfach sind die möglichen Empfänger eher an Digitalisaten statt den originalen Objekten interessiert, um damit weiterarbeiten zu können, sagt Wiebke Ahrndt.
Wie all das geschehen soll, muss jedes Museum für sich entscheiden. Eckardt Köhne nutzte deshalb die Gelegenheit zum Appell: mehr Gelder für Provenienzforschung, für eine Digitalisierung der Sammlungen und Kooperationsprojekte mit den Herkunftsländern. Die gute Nachricht: Zumindest dem Humboldt-Forum als Vorzeigeprojekt des Bundes sind vier weitere Stellen in Aussicht gestellt. Es sieht nicht so aus , als ob es sein Pensum bis zur Eröffnung schafft.