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Ihr Held. Bruce Springsteen kann mit den Menschen, wie ein neuer Film zeigt.
© dpa

Bruce Springsteen Doku in Berlin zu sehen: Der Boss, den sie im Herzen tragen

Liebeserklärungen an einen Rockstar: Die Doku „Springsteen & I“ sammelt Fan-Geschichten aus aller Welt.

Kurz vor dem Konzert, auf das er so lange hingefiebert hat, erhält der junge Mann mit den wuscheligen Haaren eine Botschaft seiner Freundin: Die zweite Karte könne er gern verkaufen. Es sei nämlich Schluss. Der junge Mann schluckt hart. Soll er jetzt zu Hause bleiben und sich die Decke über den Kopf ziehen? Nein. Er besorgt ein Stück Pappe und malt mit schwarzer Farbe Buchstaben darauf. Er drängelt sich bis ganz vorn zur Bühne. Er hält das Schild hoch: „HI BRUCE I JUST GOT DUMPED“.

„Springsteen & I“ ist erstklassiges Kloß-im-Hals-Material für jeden Fan. Darauf haben Produzent Ridley Scott („Blade Runner“) und Regisseur Baillie Walsh es angelegt und ihren Plan übererfüllt. Vor knapp zwei Jahren starteten sie einen weltweiten Aufruf. Anhänger des Superstars aus New Jersey waren eingeladen, ein kurzes Video hochzuladen, auf dem sie erzählen, was Bruce Springsteen für ihr Leben bedeutet. Nun ist das nahezu perfekt zusammengeschnittene und um bisher noch nicht gezeigte Live-Aufnahmen ergänzte Ergebnis da. Es wird am Montag in mehreren Berliner Kinos zu sehen sein.

Beteiligt hat sich – vom Kind bis zum Greis – ein schöner Querschnitt durch das größtenteils amerikanische Gefolge eines Mannes, der vor 40 Jahren mit „Greetings from Asbury Park“ sein erstes Album veröffentlichte und heute auf der ganzen Welt Stadien mit enthusiastischen Menschen füllt. Springsteens Songs werden serienmäßig mitgeliefert, wenn man in den USA ins Auto steigt, und so spielen viele Geschichten auf dem Fahrersitz. Da ist die blondgelockte Mutter: „In diesem Auto hat Walt Disney keine Chance. Hier läuft nur der Boss.“ Oder eine Fernfahrerin in ihrem Lastwagen: „Bruce gibt mir das Gefühl, dass meine Arbeit wichtig ist für Amerika.“ Sogar eine Deutsche posiert in der Garageneinfahrt ihres Einfamilienhauses vor dem Wagen.

Gelungen ist dieser Blick in die Herzen der Fans vor allem dann, wenn der Regisseur wirklich authentisches Material zeigt: Da gibt es nervöse Dialoge mit dem Kameramann, zittrige Schwenks über arrangierte Memorabilien, herrlich dilettantische Aufnahmen aus Küchen. Doch die Macher hatten in ihrem Aufruf eben auch versprochen, einen Profi zu schicken, wenn man selbst keine Kamera hat oder bedienen kann. So kann man leicht erkennen, wenn einer am Werk war - an der inszenierten Patina.

Die Frage, die man sich stellen muss: Könnte man einen solchen Film auch über andere Stars kompilieren, oder sind Springsteen-Fans etwa leinwandfüllender als andere Fans? Die Wahrheit ist, kaum einer nistet so tief in den Seelen seiner Anhänger wie Bruce Springsteen. Sie verzeihen ihm sogar Platten wie „Lucky Town“ und „Human Touch“, seine Schweißbänder und das von Ben Stiller so treffend imitierte Anzählen der Songs. Die Musik ist für sie Trost, Ansporn und Erlösung. Sie ist über die Jahre mitgewachsen oder stellt sich, wie es ein Mädchen erzählt, immer wieder als aufregend und neu dar.

Auf dem Sweatshirt eines Mannes ist das Gesicht Springsteens zu sehen, darunter steht: „The only Boss I listen to“. Er berichtet von dem Wunder, Springsteen im Madison Square gesehen zu haben. Eine Frau, die ihr Gesicht ganz dicht an die Kamera hält, erklärt ausführlich mit esoterischem Fachvokabular, wie sexy sie ihn findet. Wie er sie einmal auf die Bühne heben ließ und sein Schweiß und ihr Schweiß zu einem gemeinsamen Schweiß des Rock’n’ Roll zusammenflossen. Eine Taufe, denkt man beim Zuschauen, und schüttelt sich innerlich ein bisschen.

Lustiges gibt es auch: Einmal gelang einem Elvis-Imitator der Weg zu Springsteen auf die Bühne. Doch die Sensation ist nicht die Tatsache, dass er es geschafft hat, sondern die Art und Weise, wie der Mann und seine Frau, die im Publikum wartete, es erzählen. Ungläubig und staunend, wie so viel Glück ausgerechnet ihnen widerfahren konnte.

Was aus dem Mann mit den wuscheligen Haaren geworden ist? Auch er erregte die Aufmerksamkeit seines Idols, wurde aus der Masse ins Scheinwerferlicht katapultiert und bekam auf der Bühne, begleitet vom Jubel des Publikums, eine lange Umarmung vom Boss. „Hey“, brüllt Springsteen, „ich weiß ,wie das ist!“ Von einer Frau verlassen zu werden nämlich. Und überhaupt: Eine Freundin, die nicht mitkommt, wenn der Boss spielt, ist keine Träne wert.

Am 22. Juli, 20 Uhr, in neun Berliner Multiplexen.

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