Joachim Lottmann und sein neuester Wurf: Der Alte von heute
Unser Lieblingsautor Joachim Lottmann macht schon wieder eine Rückmeldung - mit der Novelle "Hotel Sylvia". Ab jetzt ist die Vergangenheit die neue Gegenwart.
Was treibt eigentlich der sympathische Erfolgsautor Joachim Lottmann so, unser liebster Exil-Berliner, unser Wiener Lieblingsschriftsteller, unser wackerster Lügenbaron, der letzte Popschriftsteller Deutschlands? Es ist so still geworden um ihn, nachdem er im Sommer vergangenen Jahres seinen teils bösen, nur notdürftig fiktiv über die Schriftstellerin Anna Katharina Hahn herziehenden, teils sehr heimeligen, die eheliche Zweisamkeit feiernden Roman „Happy End“ veröffentlicht hatte. Klar, der Roman war nicht so erfolgreich wie sein Vorgänger „Endlich Kokain“, auch nicht so gut, noch viel verschwatzter, als man es von dem sowieso zum Schwatzen neigenden Lottmann kennt. Aber muss das gleich zu einem so ungewohnten Stillhalten führen, einer Depression womöglich? Lottmann schaffte es nicht einmal mehr, der Welt „Happy End“-Auflagenzahlen mitzuteilen, nicht einmal gefakete.
Doch der Eindruck täuscht – Joachim Lottmann ist umtriebig wie eh und je. Über Weihnachten und Silvester brannte er geradezu ein Eintragsfeuerwerk auf Facebook ab, mit Videos, Fotos, Zeitungsausschnitten und ein paar originalen Lottmannzeilen. Er demonstrierte damit vor allem, wie gut es ihm in Wien geht, wie heimelig ihm auch in der Realität zumute ist, die – das versteht sich bei Lottmann – immer was Fiktives hat. Dazu passt, dass Lottmann vor Weihnachten mit seinem Bruder Eckart in Berlin spazieren war, wie man dem jüngsten Eintrag in seinem „taz“ Borderline-Blog entnehmen kann; mutmaßlich spazieren war, muss man wohl sagen. Dabei sollen beide auch über ihre Cousins gesprochen haben, „denen wir sehr zugetan waren, jeder auf seine Weise, und von unserer Cousine Petra, die nur ich mochte. Eckart bevorzugte die Konkurrenzcousine Gabi, die sehr blond war“.
Lottmann der Familienmensch – das könnte eine trotzige Reaktion sein auf das „Synonym für Lüge“, als das er das Weihnachtsfest auf seinem „großen Weihnachtsspaziergang“ messerscharf analysiert hat. Doch Pustekuchen: Lottmann, bereitet auf diese Weise seine nächste Veröffentlichung vor, für die selbst ein Fließband-Autor wie er ein bisschen Ruhe benötigt hat. „Hotel Sylvia“ heißt dieses mutmaßliche Meisterwerk, das schon im Februar herauskommt und von einer unerhörten Begebenheit erzählt: einer Reise nach Italien, einer Fahrt in die Vergangenheit, die gleichbedeutend ist mit der Wiederannäherung des Helden Wolfgang an seinen Bruder Manfred. Vielleicht auch: Joachim und Eckart. Eine Mischung aus Reise- und Familiennovelle?
„,Hotel Sylvia’ markiert den Beginn meines Alterswerks, auf das ich mich seit Ewigkeiten gefreut habe“, wird der 1954 in Hamburg geborene Lottmann von seinem Verlag zitiert. Was Fragen aufwirft. War es das jetzt mit Pop, mit der Gegenwart? Schreibt der Mann bald nur noch Familienromane? Gut möglich, dass es bald wieder still wird um Joachim Lottmann.
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