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Kultur: Der Alpenkönig und sein Elbdorado

Vor 150 Jahren wurde Richard Strauss geboren – der Komponist wird vor allem in Dresden groß gefeiert.

Für den Wechsel der Jubilare, von Wagner 2013 hin zu Strauss 2014, hat sich Christian Thielemann eine augenzwinkernde Formulierung zurechtgelegt: Auf Richard, den Einzigen, folge nun Richard, der Besondere. Der Chefdirigent der Dresdner Staatskapelle pflegt zu beiden Komponisten eine intensive Beziehung und waltet mit Bayreuth und Dresden an den zentralen Orten der Werkpflege der beiden Richards. Wobei Strauss, der am 11. Juni 1864 in München zur Welt kam, zunächst ein Nachfolger Wagners werden wollte, trotz familiärer Vorbelastung. Vater Franz Strauss ist als erster Hornist des Hoftheaters eine anerkannte musikalische Instanz – und erklärter Wagner-Verächter. In einem großbürgerlichen Elternhaus aufgewachsen (die Mutter ist eine Erbin der Brauerei-Dynastie Pschorr), studiert der junge Richard die Künste und ihre Meister. Bis er unter den Bann Wagners gerät, sich an mittelalterlich raunenden Stoffen versucht und von Cosima, der Herrscherin am Grünen Hügel, gar mit Tochter Eva verheiratet werden soll.

Es gelingt dem biegsamen Strauss, an Traditionen anzuknüpfen, ohne je zum Epigonen zu werden, weder als Komponist von Tondichtungen in der Folge Liszts, noch als Dramatiker, der mit „Salome“ und „Elektra“ Unerhörtes liefert, nie jedoch den Boden der traditionellen Harmonik wirklich verlässt. Immer wieder hat man ihm deshalb Verrat an der Moderne vorgeworfen, besonders als 1911 sein „Rosenkavalier“ in Dresden uraufgeführt wird. „Zuckerwasser dirigiere ich nicht“, schäumte noch Otto Klemperer über den „Rosenkavalier“. Natürlich hat er es dann doch getan. Immer wieder wirft Strauss’ Werk die Frage auf: Kann ein Komponist die Hälfte seines Lebens der Zeit voraus sein – und die andere Hälfte nur noch hinterherlaufen? 2014 wird zeigen, wie nah der 150-Jährige uns kommen kann.

Mit ihrer unangekränkelten Fülle weckt Strauss’ Musik Kritiker wie Thomas Mann, der den Komponisten nur ein „unverantwortlich kegelspielendes Sonntagskind der Kunst“ nennt. Die Abneigung muss gegenseitig gewesen sein, denn im April 1933 gehört Strauss zu den Unterzeichnern des „Protests der Richard-Wagner-Stadt München“ gegen Thomas Manns Essay „Leiden und Größe Richard Wagners“. Er, der sich sein Leben lang für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen vom Komponisten eingesetzt hat, lässt sich von den Nazis zum Präsidenten der Reichsmusikkammer machen. Doch schon 1935 kühlt das Verhältnis zu den Machthabern ab, da Strauss an seinem jüdischen Librettisten Stefan Zweig festhält.

Über die Verantwortung des Künstlers, seine ambivalente Wesensart, die in der Kunst Spiel bleibt, im Leben aber missverständlich wird, darf man streiten in diesem Jubiläumsjahr. Anders als Wagner, dessen Mitteilungswut eine klare Faktenlage beschert, kann Strauss in persönlichen Dingen auch schweigen. Umso fanfarenartiger wirken dann seine Kraftaussprüche. Kostprobe: „Es ist schwer, Schlüsse zu schreiben. Beethoven und Wagner konnten es. Es können nur die Großen. Ich kann's auch.“

Doch Strauss hatte auch Freunde und Fürsprecher. Ernst von Schuch, der über 40 Jahre als Hofkapellmeister und späterer Generalmusikdirektor das Musik- und Theaterleben in Dresden prägte, setzte sich für ihn ein (daran erinnert das Stadtmuseum Dresden mit einer Ausstellung vom 10. Mai bis 28. September 2014). Das Ergebnis: Neun seiner 15 Opern erleben in Elbflorenz ihre Uraufführung, darunter „Salome“, „Elektra“ und „Der Rosenkavalier“, „Arabella“, „Die schweigsame Frau“ und „Daphne“. Wagners „Zauberharfe“ verwandelt sich zum Strauss-Orchester. Zum Dank widmet Strauss der Staatskapelle „Die Alpensinfonie“ und führt sie 1915 zum ersten Mal unter eigener Leitung auf – allerdings in Berlin.

Hier, wo Strauss lange an der Hofoper engagiert ist, wo viele seiner zentralen Werke entstehen, etwa „Die Frau ohne Schatten“ oder „Ariadne auf Naxos“ in seiner Wohnung in der Heerstraße 2, ist es zum Jubiläumsjahr hörbar still – bislang. Lediglich die Berliner Staatsoper zeigt überhaupt eine seiner Opern, „Salome“ in der alten Kupfer-Inszenierung. Dresden dagegen prescht voran, mit einem Strauss-Zyklus, der sich über zwei Spielzeiten erstrecken soll. Den Auftakt macht eine neue „Elektra“ mit Thielemann am Pult (Premiere 19. Januar), es folgt der selten gespielte Opernerstling „Guntram“ (23. Februar, konzertant) und eine halbszenische Aufführung der „Feuersnot“ im Rahmen der Musikfestspiele (7. Juni).

Als Wiederaufnahmen bringt die Semperoper „Ariadne auf Naxos“ (9. März) und „Salome“ (21. März) heraus, und zum Geburtstag leitet Thielemann ein Konzert aus Ausschnitten aller Opern, die in Dresden ihre Uraufführung erlebten. In Salzburg präsentierten die Dresdner zu Ostern eine neue „Arabella“, Regie Florentine Klepper, am Pult Thielemann. Die Sommerfestspiele an der Salzach, zu deren Begründern Strauss gehörte, zeigen einen neuen „Rosenkavalier“ (Regie Harry Kupfer, am Pult Franz Welser-Möst). An den Opernhäusern von München und Wien wird es Neuinszenierungen frühestens in der nächsten Saison geben, die Münchner Philharmoniker feiern den Eingeborenen Strauss mit einem Konzert-Dreisprung unter Lorin Maazel.

Dresden hingegen, von Strauss als „Dorado“ für Uraufführungen gepriesen, bringt eine Novität heraus. Capell-Compositeur Wolfgang Rihm hat das wirklich letzte Lied des Jubilars für Orchester gesetzt. „Malven“ heißt es und wurde erst 1983 im Nachlass der Sängerin Maria Jeritza entdeckt. Ein letzter, erster Gruß an Richard, den Besonderen.

Ulrich Amling

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