Rafal Blechacz im Kammermusiksaal: Denken und Lenken
Bei Mozart zeigt er Humor und ein untrügliches Gespür für den dramaturgischen Aufbau der Musik: Dem jungen, polnischen Pianisten Rafal Blechacz gelingt ein facettenreicher Klavierabend im Kammermusiksaal.
Ein so hinreißendes Mozartspiel hat man schon lange nicht mehr gehört: Zu Beginn seines Recitals im Kammermusiksaal der Philharmonie verzaubert der polnische Pianist Rafal Blechacz mit der D- Dur-Sonate KV 311 das Publikum. Er interpretiert das Werk mit größter Freiheit, aber gleichzeitig ohne Willkür, mit rührendem Ernst und arglosem Witz, liebevoller Hinwendung zum Detail und untrüglichem Gespür für den dramaturgischen Aufbau.
Wie schön ist die Pointe des ersten Satzes herausgearbeitet, in dem die abschließende Phrase des ersten Teils zunächst überzählig wirkt und erst am Ende als Auflösung eines Trugschlusses ihre Funktion erhält. Blechaczs Sinn für musikalischen Humor zeigt sich auch im Finale, wenn die Wiederkehr des Rondo-Themas durch improvisiert wirkende Floskeln immer weiter hinausgezögert wird. Der 28-jährige Pianist ist ein Künstler, der keine Angst vor der Stille hat und noch die Pausen mit Spannung aufzuladen vermag. Dass er nicht nur den Tonfall des Verspielten und Anmutigen beherrscht, zeigt sich schon mit dem ersten Akkord von Beethovens Pathétique-Sonate, mit dem eine völlig neue Klangwelt betreten wird.
Blechacz gilt als Chopin-Spezialist und so ist auch der zweite Teil des Konzerts ganz dem polnischen Komponisten gewidmet. Dabei wird allerdings das Niveau der Mozart- und Beethoven- Interpretationen nicht durchgehend erreicht. Der in den späten Mazurken, den drei miniaturhaften Wunderwerken des op. 76, versteckte Schatz wird an diesem Abend nicht gehoben und der heroische Gestus der A-Dur-Polonaise („Militaire“) liegt dem Pianisten vielleicht nicht so sehr. Dafür besticht das As-Dur-Nocturne durch unwiderstehliche Melancholie und Innigkeit.
Das zum Abschluss gegebene dritte Scherzo Chopins hat man, etwa von Blechaczs Pianistenkollegen Daniil Trifonov, vielleicht schon grandioser gehört – aber selten so durchdacht und klangdramaturgisch ausgefeilt. Es spricht für den durch Erfolg offenbar unkorrumpierbaren Pianisten, dass er als Zugabe zwei Chopin-Préludes spielt, die völlig unvirtuos wirken, in Wahrheit aber höchste Ansprüche an Balance und dynamische Abstufung stellen.