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Komponist Arvo Pärt: Dem Kosmos lauschen

Dem Komponisten Arvo Pärt zum 75. Geburtstag.

Arvo Pärt weiß, was es heißt, zu verstummen. Und wie mächtig die Stille werden kann, wenn man sich ihr hingibt. Geboren in einem kleinen Ort in der Nähe von Estlands Hauptstadt Tallinn, erhebt Pärt als Komponist zum ersten Mal seine Stimme, als seine Heimat Sowjetrepublik ist und alle Kulturpolitik von Moskaus Gnaden. Die Stimme verliert er gleich mit seinem ersten großen Werk, dem in Zwölftontechnik geschriebenen „Nekrolog“, den er 1960 den Opfern der faschistischen Gewaltherrschaft widmet. Das entspricht nicht der Forderung nach sozialistischem Realismus, Pärt schlüpft als Tonmeister beim Estnischen Rundfunk unter. Noch verdächtiger macht er sich mit seinem „Credo“ von 1968: Ein zutiefst religiöses Werk, das Bach mit modernen Techniken konfrontiert. Ein Publikumserfolg, der Aufführungsverbote nach sich zieht.

Acht Jahre lang schweigt Pärt daraufhin, lernt die Gesetze von Renaissancemusik und Gregorianik kennen – und wird zu einem musikalischen Einsiedler. In der Stille findet er seine Stimme wieder, die ihn zu einem der populärsten Komponisten der Gegenwart werden lässt. „Der gregorianische Gesang hat mir gezeigt, dass hinter der Kunst, zwei, drei Noten zu kombinieren, ein kosmisches Geheimnis verborgen liegt.“ Mit nichts als einem Dreiklang verlässt Pärt 1980 auf politischen Druck seine Heimat und findet eine neue in Berlin. Und bei Manfred Eicher; der ECM-Plattenproduzent entdeckt die Kraft, die in Pärts bewusster Abwendung von der Moderne liegt, in ihrer Konzentration, ihrer Spiritualität. Sie berührt ein großes Publikum, auch jenseits argwöhnisch bewachter Klassikgrenzen, an deren Schlagbäumen Pärt als „New-Age-Komponist“ zurückgewiesen werden soll. Auch Popkobold Björk gibt sich als Fan zu erkennen und entlockt dem schweigsamen Komponisten im Videointerview ein seltenes Wort zu seiner Musik: Meist bestehe sie aus einer komplizierteren Stimme, der Stimme des eigenen Irrens, und einer einfachen Stimme des Vergebens.

An Pärts Musik bedienen sich Filmemacher, die einen unwiderstehlichen Rhythmus unter ihre Bilder schieben und sie dabei aus ihrer Zeitlichkeit lösen, zum Schweben bringen wollen. Abgehoben ist ihr Schöpfer nicht, der zwischen Berlin, Tallinn, Hotelzimmern und immer wieder seinem Blockhaus am Meer pendelt. Gerade erscheint seine 4. Symphonie, dem von Putin inhaftierten Michail Chodorkowski gewidmet, als „eine Verbeugung vor der Würde des Menschen.“ Das klingt ganz einfach.

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