Comeback: David Bowie ist wieder da - und singt über Berlin
David Bowie veröffentlicht nach zehn Jahren Stille einen Berlin-Song. Außerdem hat der britische Popstar ein neues Album angekündigt. "The Next Day" soll es heißen und im März herauskommen. Ein Video zur Single gibt es jetzt schon zu sehen.
Er war abgetaucht, nahezu verstummt. Nicht einmal bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London wollte David Bowie mitmachen – trotz persönlicher Anfrage durch Regisseur Danny Boyle. Und jetzt das: Am Morgen seines gestrigen 66. Geburtstages schenkt Bowie der Popwelt einen neuen Song plus Video und kündigt an, im März ein komplettes Album zu veröffentlichen. Es ist seine erste neue Platte seit fast zehn Jahren, und sie soll „The Next Day“ heißen.
Schon jetzt kann man im Internet das von Tony Oursler gedrehte Video zur Single „Where Are We Now?“ anschauen. Es ist besonders für Berliner Bowie-Fans spannend, denn sowohl der Text als auch die Bilder handeln von der Stadt, in deren Westteil der britische Musiker ab 1976 seine legendäre Berlin Trilogy („Low“, „Heroes“, „Lodger“) aufnahm. Er wohnte damals – wie Iggy Pop – in der Schöneberger Hauptstraße.
Der neue Song beginnt allerdings ein paar Kilometer weiter nördlich: „Had to get the train from Potsdamer Platz“, singt Bowie, während Schwarz-Weiß-Bilder der bröckelnden Berliner Mauer zu sehen sind. Der Text wird eingeblendet, wobei der Potsdamer zum Potzdamer Platz umgedichtet wurde. Später sieht man noch den Reichstag, den Fernsehturm und die Siegessäule auf einer kleinen Leinwand in einem vollgerümpelten Atelierraum. Davor sitzen zwei siamesische Puppentorsi. Dort wo die Köpfe hingehören würden, flimmern zwei Projektionen: die Gesichter von Bowie und einer Frau. Das sieht angemessen seltsam aus für den ewigen Verwandlungskünstler, der einst als Alien, Raumfahrer und androgynes Wunderwesen unterwegs war.
„Where Are We Now?“ beschwört Bowies Berliner Zeit zunächst in getragenem Tempo mit Synthiestreichern, Klavier und wenigen Gitarrenakkorden. Die Stimmung ist melancholisch als Bowie weitere Erinnerungsstationen ansteuert: „Sitting in the Dschungel on Nurnberger Straße/ A man lost in time near KaDeWe“. Dann schwingt sich der Sänger in einen flehenden Ton hinauf und stellt im Refrain zwei Mal die Frage des Liedtitels. Das berührt unmittelbar, zumal Bowies Stimme nichts von ihrer Kraft eingebüßt zu haben scheint, und man plötzlich von einer Art Wiederhörensfreude erfasst wird.
Im Internet herrscht Begeisterung
Fahrt nimmt das etwas mehr als vierminütige Lied erst im Schlussdrittel auf, als das Schlagzeug in einen treibenden Rhythmus übergeht. Hier ist der enigmatische Musiker dann auch erstmals richtig zu erkennen. Die Haare zurückgegelt steht er in einem dunkelblauen T-Shirt an einer Wand und schaut ein wenig skeptisch in die Welt. Zuletzt gab es Gerüchte über seinen angeblich schlechten Gesundheitszustand, die er mit diesen Bildern – so sie denn aktuell sind – jedenfalls ausräumen könnte. Es sieht eher danach aus, als wolle er einen kämpferischen Songtitel seine letzten Albums „Reality“ (2003) in die Tat umsetzten: „Never Get Old“ sang er dort – und rang doch auf der gesamten Platte deutlich mit den Themen Vergänglichkeit, Alter und Tod. Bei der Abschlussnummer „Bring Me The Disco King“, einer rund achtminütigen Jazzballade, kam sogar das Gefühl auf, hier singe jemand sein eigenes Requiem. Und in den folgenden Jahren sah es stark danach aus, als gehöre Bowie – anders als seine unermüdlichen Kollegen von den Stones und Co. – zu den wenigen Popstars, die sich tatsächlich ins Rentnerdasein verabschieden. Abgesehen von gelegentlichen Auftritten in Filmen oder als Duettpartner wurde es still um den Mann, der als David Robert Jones in London zur Welt kam und schon seit vielen Jahren in New York lebt. Dass er sein musikalisches Schweigen nun bricht, ist eine Überraschung, die im Internet sofort mit immenser Begeisterung aufgenommen wurde. Unter anderem twitterte Boy George, dass er vor Freude über die neue Single geweint habe.
Das Album „A New Day“ soll am 11. März bei Columbia Records erscheinen und 14 Songs plus drei Bonustracks enthalten. David Bowie hat es in New York mit Produzent Tony Visconti aufgenommen, der sowohl bei „Reality“ als auch bei vielen weiteren Bowie-Alben wie „Space Oddity“, „The Man Who Sold the World“, „Heroes“ oder „Scary Monsters“ mit dem Sänger zusammenarbeitete.
So hat das junge Popjahr 2013 seine erste kleine Sensation – beschert von einem 66-Jährigen.
Nadine Lange