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Kultur: Das XXL-Gefühl

Klassische Bollywood-Romanze im neuen Look: Yash Chopras „Solange ich lebe“ mit Shah Rukh Khan.

Eine Liebe, so mächtig, dass sie selbst die viel größere Gottesfurcht besiegt. Eine Frau, die ihr Glück für das Leben des Geliebten opfert. Ein Gott zürnender Mann, der nicht sterben kann, obwohl er ständig den Tod herausfordert. Eine junge Reporterin, die Schicksal spielt. Das sind die überlebensgroßen, kleinliche Drehbuchlogik weitherzig ignorierenden Handlungsstränge von „Solange ich lebe – Jab Tak Hai Jaan“.

Der weltweit nur wenige Tage nach der Premiere in Mumbai startende Bollywood-Dreistünder ist die letzte Regiearbeit des Ende Oktober 80-jährig verstorbenen Altmeisters Yash Chopra. Und nichts Geringeres als sein künstlerischer Schwanengesang. Eine Beschwörung des gleichermaßen bittere Entsagung und süße Hingabe atmenden, gesungenen und getanzten Bollywood-Liebeszaubers. Formal und inhaltlich total old school, aber in einem in Musik, Mode, Message aktuellen Look, der Menschen jederlei Geschlechts, Religion oder Ethnie innig zur Identifikation einlädt.

In 50 Jahren Filmschaffen hat sich Yash Chopra, der mit seiner Produktionsfirma Yash Raj Films Superstars wie Shah Rukh Khan geschaffen hat, in Indien den Ehrentitel „König der Romanze“ erworben. Einen tränenseligen Geschmack davon, wie sich sein XXL-Sentiment anfühlt, gab es schon 2005 auf der Berlinale, wo Chopra sein Melodram „Veer und Zaara – Die Legende einer Liebe“ vorstellte. Im Jahr darauf war er Jurymitglied.

Der Hauptdarsteller in „Veer und Zaara“, einer politisch provokanten, sagenhaft verschwurbelten und selbstredend tragischen Liebe zwischen einem indischen Offizier und einer Pakistanerin ist derselbe wie in „Solange ich lebe“: Berlinale-Stammgast Shah Rukh Khan. Nach seinen jüngsten Genre-Ausflügen – darunter der in Berlin gedrehte Actionthriller „Don – The King is Back“ und das Science-Fiction-Opus „Ra.One“ – spielt er wieder den charmanten Draufgänger und coolen Checker, zu dem ihn sein Mentor Chopra in den Neunzigern gemacht hat. Erst gibt er den wortkargen, aber muskulösen Motorradfreak Major Samar Anand, der in den dekorativen Landschaften Kaschmirs als Bombenentschärfer der Armee arbeitet. Dann in einer ausführlichen Rückblende den armen jungen Punjabi, der im ausschließlich in Beautyshots präsentierten London sein Glück sucht und sich so unsterblich wie unglücklich in eine schöne Millionärstochter (Katrina Kaif) verliebt.

Khan kann beides – und tanzen sowieso, nur seine asynchrone Darstellung der typischen Playback-Gesangsnummern nervt. Überhaupt mangelt es den elegischen bis poppigen Kompositionen von A.R. Rahman, der für „Slumdog Millionaire“ sogar einen Filmmusik-Oscar bekam, an Ohrwurmqualität. Die oberwunderhübschen Bilder und die von keinerlei Subtilität angekränkelten Charaktere allerdings machen diese Schwäche locker wett. Der Film kommt vollständig ohne Fieslinge aus, auch fast ohne traditionelle Saris, dafür hat er eine halb verhüllte Bettszene zu bieten. Ein Zugeständnis an libertäre Zeiten, in denen die alte Kinosehnsucht nach der einzigen Liebe so berauschend naiv wohl nur noch in Bollywood möglich ist. Gunda Bartels

UCI Kinowelt Friedrichshain

Gunda Bartels

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