Stille Nacht, heilige Nacht: Das Weihnachtslied aller Weihnachtslieder
Ein Hilfspfarrer und ein Dorfschullehrer schufen vor fast 200 Jahren "Stille Nacht, heilige Nacht". Heute wird das Lied in der ganzen Welt gesungen. Die Geschichte eines Weihnachtshits - samt Text.
Mit diesem Lied geht das Licht aus, und die Kirche versinkt in Dunkelheit. Nur der Kerzenschein gibt noch eine sanfte Orientierung, wo man sich eigentlich befindet. Die erste Strophe gelingt ganz gut, aber dann weiß niemand mehr den Text so recht, und es ist einfach zu finster, um ihn aus dem Gesangbuch entziffern zu können. „Stille Nacht, heilige Nacht“ geht über in ein großes Brummen, denn die Melodie vergisst selbst der, der sie nur einmal gehört hat, nie wieder.
Ein Lied aus rauen Zeiten
Es scheint, als sei sie schon immer da gewesen und habe in diesem Sinne eigentlich auch gar keinen irdischen Schöpfer. Als ein Volkslied aus Tirol wurde „Stille Nacht, heilige Nacht“ bekannt, und wenn nicht Friedrich Wilhelm IV. in seiner Begeisterung die Hofkapelle nach einer Abschrift des Werks hätte fahnden lassen – die Verfasser wären wohl auf ewig unbekannt geblieben.
So aber kam ans Licht, dass der Hilfspfarrer Joseph Mohr 1816 den Text verfasst hatte und den Dorfschullehrer und Organisten Franz Xaver Gruber um die Vertonung bat. Die Premiere fand Weihnachten 1818 in Oberndorf statt, einer plötzlich geteilten Stadt: auf der einen Seite der Salzach Bayern, auf der anderen Österreich. Überall Soldaten in der fragilen Ordnung nach den Napoleonischen Kriegen, das geistliche Fürstentum Salzburg, dem Mozart lange diente, war säkularisiert und hatte seine Selbstständigkeit verloren. Raue Zeiten, raue Gesellen in der Kirche.
Doch den streitbaren Salzachschiffern und Schiffsbauern ging „Stille Nacht, heilige Nacht“ ans Gemüt, besonders die heute vergessene vierte Strophe, die Frieden zwischen den Völkern der Welt ersehnt. Heute werden in der Regel nur die Nummern 1, 6 und 2 angestimmt.
In 300 Sprachen und Dialekte übersetzt
Zur Wirkungsmacht von „Stille Nacht, heilige Nacht“ gehört eine gewisse Verletzlichkeit. Sie rührt womöglich daher, dass Gruber ursprünglich eine Fassung für zwei Solostimmen, Chor und Gitarrenbegleitung schuf, weil die Oberndorfer Orgel unspielbar gewesen sein soll. Eine vor sich hin brummende Gemeinde kann diesen Aspekt nur andeutungsweise einfangen, den Regensburger Domspatzen gelingt es in der traditionellen Christmette im abgedunkelten Dom weitaus bewegender.
In 300 Sprachen und Dialekten wird das Weihnachtslied aller Weihnachtslieder weltumspannend gesungen, allein Bing Crosbys Aufnahme von 1935 verkaufte sich über zehn Millionen Mal. Doch keine Einspielung klingt berührender als die mit dem Kinderstar und späteren Schauspieler Wolfgang Kieling. Obwohl er 1938 bereits 14 Jahre alt ist, besitzt die von der Nazi-Propaganda gefeierte „schönste Knabenstimme Europas“ noch ihre zarte, ungeschützte Höhe. Elf Jahre später, nachdem der Krieg schon vier Jahre vorbei ist, kehrt Kieling als junger Mann aus russischer Kriegsgefangenschaft heim.
Der heute gängige Text
Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht nur das traute, hochheilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar, schlaf in himmlischer Ruh, schlaf in himmlischer Ruh.
Stille Nacht, heilige Nacht! Hirten erst kundgemacht, durch der Engel Halleluja tönt es laut von fern und nah: Christ, der Retter, ist da, Christ, der Retter, ist da!
Stille Nacht, heilige Nacht! Gottes Sohn, o wie lacht Lieb aus Deinem göttlichen Mund, da uns schlägt die rettende Stund, Christ, in Deiner Geburt, Christ, in Deiner Geburt.
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