Der letzte Superheld der DDR: „Das UPgrade“ fährt runter
Die DDR-Superheldenserie von Sascha Wüstefeld und Ulf S. Graupner gehörte für viele Leser zum Besten der heimischen Comicszene. Nun wird sie eingestellt.
Die Nachricht kam eher nebenbei, aber sie hatte es in sich. Auf den Facebookseiten der Tagesspiegel-Comicredaktion gab es vergangene Woche einen Austausch über den neuen Comic des Berliner Zeichners Mawil. In dessen Verlauf machte Sascha Wüstefeld, einer der beiden Schöpfer der vielgelobten Comicreihe „Das UPgrade“, eine Mitteilung, die seitdem in der deutschen Comicszene viel diskutiert wird und vor allem Bedauern ausgelöst hat.
„Wir haben aufgegeben“
Angestoßen worden war der Austausch durch eine Formulierung des Autors dieser Zeilen zu Mawils neuem Werk, das als „das erste Lucky-Luke-Album eines deutschen Zeichners“ bezeichnet wurde. Darauf entgegnete Sascha Wüstefeld: „Soll das eine Art Comic-Nationalstolz in uns erwecken oder warum wird das mit dem ersten DEUTSCHEN Zeichner immer so betont?“
Die Antwort darauf: „Weil‘s ne Premiere ist. Wenn der erste Japaner Das UPgrade zeichnet, wird uns das auch eine Meldung wert sein!“ Das führte ein paar Kommentare später zu Wüstefelds Antwort: „Das nächste UPgrade wohl wird weder von einem Japaner, noch von einem Deutschen gezeichnet. Es wird nämlich gar kein nächstes UPgrade mehr geben. Wir haben aufgegeben.“
Auf die Rückfrage des Tagesspiegel-Redakteurs („Oh nein, nicht wirklich, oder?“) erläutert Wüstefeld: „Doch. Zu wenig Feedback bzw. Interesse. Das Experiment war leider ein Fehlschlag. Zu viel Arbeit für zu wenig Effekt. Wir haben uns mit dem Projekt letztlich übernommen.“
Abenteuerlich verschachtelte Erzählung
Damit endet ein Comicprojekt, das für viele Leser zum Besten und Innovativsten der deutschen Comicszene gehörte - und zum Witzigsten. Zugegeben: Sascha Wüstefeld und Ulf S. Graupner haben es Ihren Lesern nicht leicht gemacht. „Das UPgrade“ war als abenteuerlich verschachtelte Erzählung angelegt, in dem der teleportationsbegabte NVA-Soldat Ronny Knäusel, der kalifornische Surfrocker Cosmo Shleym und eine tausende Jahre alte Jägerin durch Raum und Zeit namens Heidrun Bellmann ein komplexen Zeitreise-Abenteuer erleben.
Im Kern ging es um die Jagd auf geheimnisvolle Elemente, die das Schicksal der Erde bestimmen, um Verbindungen der drei Hauptfiguren über Kontinente und Epochen hinweg und natürlich auch um den einzigen Superhelden der DDR. Und mancher Leser fragte sich: Wo soll das alles enden?
„Was da so alles zwischen Malibu, Mexiko und Sachsen, zwischen Konzertbühne, Plattenbau und Pionierlager passiert, hat man nach gut 40 Seiten zwar nicht wirklich verstanden, sich dafür aber gut über manch absurden Einfall amüsiert“, befand Tagesspiegel-Redakteur Moritz Honert in seiner Rezension des zweiten „UPgrade“-Bandes.
Die Reihe war visuell und erzählerisch spektakulär. Die Bildsprache der beiden Macher, die sich durch Zeichnungen für das Magazin „Mosaik“ einen Namen gemacht hatten und ihr Geld mit kommerziellen Illustrationen verdienen, ist an klassischen Vorbildern geschult und doch originell, die Seitengestaltung war bis ins letzte Detail ausgefeilt, die Charakterentwicklung trotz des humorvollen Grundtons bemerkenswert feinfühlig.
Turbulente Veröffentlichungsgeschichte
Ähnlich turbulent wie die Handlung ist auch die Veröffentlichungsgeschichte von „Das UPgrade“: Die ersten zwei Hefte waren im Zitty-Verlag erschienen, der bis 2014 zum Tagesspiegel gehörte. Als der Tagesspiegel sich von der Zitty trennte, stand das „UPgrade“-Team ohne Verlag da. Zwar veröffentlichten die beiden Zeichner in jenem Sommer noch einen dritten Band auf eigene Faust – aber wirtschaftlich gesichert war das Projekt nicht mehr.
Ab März 2015 fand die Reihe dann eine neue Heimat beim Verlag Cross Cult, dort erschienen anfangs die ersten „UPgrade“-Bände in erweiterter Form im Hardcover-Albenformat. Im Sommer 2016 kam dort der dritte Band heraus, im vergangenen Jahr gab es zudem anlässlich des Internationalen Comic-Salons Erlangen die Sonderausgabe einer weiteren Episode im Zeitungsformat unter dem Titel „Das DOWNgrade“ – für viele Fans ein Hoffnungszeichen, dass es mit der Serie trotz der langen Pausen zwischen den einzelnen Bänden weitergehen würde.
Doch damit wird es jetzt nichts mehr, wie Wüstefeld auf den Tagesspiegel-Facebookseiten in einigen Antworten auf enttäuschte und fassungslose Reaktionen anderer Leser weiter ausführt. „Schlechte Zeiten für Genre-Comics“, schreibt er da. „Wenn zu Signierstunden letztlich nur ein oder zwei Interessenten auftauchen, muss man sich irgendwann eingestehen, dass man was falsch gemacht oder zumindest nicht so richtig den Nerv der Leser getroffen hat. Uns fehlt es an Motivation. Die Frage "Wozu?" wurde immer lauter. Wir machen das letztlich nicht für uns, sondern für ein Publikum. Und der Gegenwind wurde irgendwann einfach zu stark. Last but not least bin ich immer weniger gern ein Bestandteil der hiesigen Comicszene. Viel zu viele Selbstdarsteller, zu viele Befindlichkeiten, zu viel Gift. Macht halt keinen Spaß mehr, deutscher Comiczeichner zu sein.“
Kurz darauf teilt er dann immerhin noch eine gute Nachricht mit: „Vielleicht geht's ja irgendwann weiter. Aber wir versprechen lieber erst mal nichts mehr. Hinzu kommt noch, dass Ulf und ich beide kürzlich Väter geworden sind, was die zur Verfügung stehende Freizeit doch erheblich schmälert. Da wir am UPgrade wirklich nichts verdienen, kann das nur nebenbei entstehen.“
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