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Seit 2012 zeigt die Expo Chicago, dass die heimliche Hauptstadt des Mittelwestens sehr wohl eine Kunstmesse auf internationalem Niveau trägt.
© dpa

Expo Chicago: Das Tor zum Mittleren Westen

Mit dem Niedergang der traditionsreichen Art Chicago und der Gründung neuer Messen in Miami und New York schien die Stadt vor einigen Jahren schon erledigt. Doch die Kunstmesse Expo Chicago hat ihren Platz gefunden.

Chicago als Epizentrum des Kunstmarkts? Das passt jetzt und wohl auch in Zukunft nicht. Gleichzeitig verwundert es, dass eine Metropole und Heimat so vieler hochkarätiger Institutionen und Privatsammler als Marktplatz keine Rolle (mehr) spielen soll. Mit dem langen Niedergang der traditionsreichen Art Chicago und der Gründung neuer Messen in Miami und New York schien Chicago vor einigen Jahren schon erledigt. 2012 dann trat die Expo Chicago an, um die Lücke wieder zu füllen. Mit der dritten Ausgabe will der umtriebige Direktor Tony Karman nun beweisen, dass die heimliche Hauptstadt des Mittelwestens sehr wohl eine Kunstmesse auf internationalem Niveau trägt.

Galerist Karsten Greve ist so etwas wie das wandelnde Geschichtsbuch des Marktes. Er erzählt, dass für seine Galerie in den achtziger Jahren Chicago wichtiger als Basel war. Kenntnisreiche Sammler, die ohne Zögern Millionen ausgeben, seien damals in Europa völlig unbekannt gewesen. Auch dass Kunst Warencharakter haben könne, habe man hier schon früher gesehen. Gleichzeitig sei das nicht nur positiv gewesen: Der Umgang mit solchen Käufern sei immer schwieriger geworden, und der Veranstalter habe die Messe abgewirtschaftet. Dabei sei der Ort so wichtig. Die aktuelle Ausgabe empfindet Greve zwar nicht als „Spitzenmesse“ und habe daher erst überlegt, sein Angebot auf den fünfstelligen Bereich zu beschränken. Seine Leistungsschau mit Werken von Jannis Kounellis, Pierre Soulages, Louise Bourgeois und anderen will der Galerist nun allerdings „als Testballon“ verstanden wissen.

Chicago als Hub für den Mittleren Westen

Ähnlich sehen es viele internationale Aussteller, die offenbar den Wunsch verspüren, vor Ort einen funktionierenden Marktplatz zu etablieren. Alex Logsdail, Junior der Londoner Lisson Gallery, die nach Jahren wieder an einer Messe in Chicago teilnimmt, spricht für viele der auswärtigen Galerien, wenn er sagt: „Chicago ist wichtig für uns. Hier gibt es so viele Sammler und Institutionen. Die Stadt ist ein Hub für den gesamten Mittleren Westen. Diese Leute erreichen wir hier besser als in New York.“ Es geht also um die in Chicago ansässigen Sammler und den großen Einzugsbereich bis nach Texas und Seattle. Galerist Thomas Schulte aus Berlin bestätigt, dass es sich durchaus um eine regionale Veranstaltung handelt: „Das ist gerade das Schöne. Es ist hier nicht wie überall woanders.“ Dabei knüpften die Veranstalter an eine Tradition an, die jedoch stark gelitten habe: „Man muss das Selbstvertrauen wiederherstellen und den Glauben an den eigenen Standort.“

Viele Aussteller gehen deshalb auf Nummer sicher, bringen etablierte Positionen, Malerei, kleinere Skulpturen. Aber sie sind da: Galerien wie David Zwirner, Marianne Boesky, Matthew Marks, Elizabeth Dee aus New York oder Bortolozzi, Bourouina und Van Horn aus Deutschland. Hollis Taggart (New York) ist zum dritten Mal dabei. Martin Friedrichs stellt fest: „Das Publikum wird jedes Mal besser. Mittlerweile sehen viele Sammler, dass Chicago auf den Kalender gehört. Bei uns war heute ein Sammler, der extra aus Texas eingeflogen ist. Es gibt den historischen Willen, den Standort wieder auf die Agenda zu setzen."

Gegengewicht zu den internationale Konzernmessen

Michael Janssen aus Berlin, der sich einen Stand mit der der New Yorker Galerie Marisa Newman teilt, ist zuversichtlich: „Es läuft langsam, typisch Chicago. Jetzt gibt es auch ein Galeriewochenende, zu dem die Trustees der Museen aus anderen Städten kommen. Letztes Jahr waren es 50, dieses Mal 450. Man muss einfach schauen, wie es sich entwickelt. Chicago ist keine Stadt, in der die Leute an der Tür rütteln.“ Diese Gelassenheit ist auch dem gemeinsamen Stand anzusehen. Überhaupt fällt der Unterschied zwischen den nach ästhetischen Gesichtspunkten komponierten Ständen zumeist europäischer Galerien und den Gemischtwarenläden auf, die bevorzugt von US-Kollegen zusammengestellt wurden.

Damit gewinnt man zwar keinen Innovationspreis, und die Messe kann sich keinesfalls auf der sehenswerten Ausstellerliste ausruhen. Aber als Gegengewicht zu den internationalen Konzernmessen Art Basel und Frieze hat die Expo Chicago durchaus Potential.
Expo Chicago, bis 21. 9., Navy Pier, www.expochicago.com

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