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Wandler zwischen den Welten: Die Handlung entwickelt sich auf mehreren Erzählebenen gleichzeitig.
© Carlsen

Manga-Serie: Das Rätsel des Fledermausdetektivs

Naoki Urasawa hat mit „20th Century Boys“ und „Pluto“ zwei der herausragenden Manga-Serien der vergangenen Jahre geschaffen. Auch seine neue Reihe „Billy Bat“, die jetzt auf Deutsch erscheint, hat das Zeug zum Klassiker.

Leicht macht es Urasawa dem Leser schon lange nicht mehr, dem europäischen erst recht nicht. „20th Century Boys“ war mit 5000 Seiten einer der am umfangreichsten gestickte Erzählgobelins des vergangenen Vierteljahrhunderts. Zugleich einer der komplexesten: die Geschichte auf mehreren Zeit- und Realitätsebenen schwamm im Fahrwasser von Stephen King, Philip K. Dick, Neal Stephenson. „Pluto“, seine Hommage an den Manga-Altmeister Osamu Tezuka, mit knapp 1600 Seiten ein Kurzwerk dagegen, aber voller Querverweise auf andere Manga. Beide Titel erforderten aufmerksames, möglicherweise mehrfaches Lesen, um alle Fragen beantwortet zu bekommen.

Falls der Mann auf Drogen ist, dann sind es die richtigen

Wohin wird „Billy Bat“ führen, das vor zwei Jahren in Japan als Serie gestartet und dessen Ende noch nicht abzusehen ist? Klar ist, Urasawa führt sein Konzept der Rätselhaftigkeit weiter, möglicherweise noch größer und umfangreicher als je zuvor. Im Zentrum steht ein Fledermausdetektiv, natürlich eine Hommage an Batman, aber genauso an Micky Maus und Felix the Cat. In Urasawas Fiktion ist er gleichzeitig eine populäre Comicfigur in den USA und das Signet eines Geheimordens in Japan, der sich offenbar daran macht, die japanische Regierung zu stürzen. Ein amerikanisch japanischer Comiczeichner macht sich auf, das Geheimnis zu lüften. Gleich danach geschehen die ersten Morde.

Verschwörungen also. Und Batman. Und Micky Maus. Und ein Serienkiller. Falls der Mann auf Drogen ist, dann sind es die richtigen. Zumal Urasawa sich nicht darauf beschränkt, einen Kontinente und Jahrhunderte übergreifenden Verschwörungsplot aufzumachen. Allein im ersten Band flicht allein er Abhandlungen über die Natur der Kunst ein, entwirft, ohne es dem Leser zu sagen, sein eigenes historisches Paralleluniversum, sinniert über die Geschichte des Manga und wirft einen nostalgischen Blick zurück auf das Nachkriegsjapan. Ganz nebenbei hat der erste Band den vermutlich irrsten Cliffhanger seit Erfindung des Klippenhängens.

Paralleluniversum: Die Covermotive der ersten beiden Bände.
Paralleluniversum: Die Covermotive der ersten beiden Bände.
© Carlsen

Dass das alles nicht unter der eigenen Last zusammenkracht und ins Komische oder Abstrakte abrutscht, sondern hoch spannend ist, das ist die große Kunst von Urasawa. „Billy Bat“ hebt das Genre des Mystery-Thrillers auf neue Höhen. Auch hier muss man genau aufpassen. Ein komplexer Pageturner, vorerst als Endlosserie angelegt, mit dem Potential, einer der Klassiker des Mediums zu werden.

Naoki Urasawa: Billy Bat, Carlsen, Band 1: 189 Seiten, 8,95 Euro. Band 2 erscheint Ende Januar, die nächsten folgen dann im Zwei-Monats-Rhythmus.

Mehr Tagesspiegel-Artikel von unserem Autor Stefan Pannor gibt es hier, zu seiner eigenen Website mit zahlreichen weiteren Texten geht es hier.

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