Zur Situation der Berliner Galerien: Das prekäre Geschäft mit dem Glamour
VIP-Party und Champagner – die Kunstszene lebt vom Glanz. Und auch Berlin profitiert davon. Aber das Geschäft wird zunehmend schwierig.
Alle fotografieren diese Insektenkästen. Bunte Schmetterlinge und Käfer, die aus Kronkorken, Drähten und gefundenem Schrott gebaut sind, aufgepikst und hinter Glas. Galerist Werner Tammen freut's. Matthias Garff ist sein Künstler, dessen Skulpturen werden in Tammens Berliner Galerie verkauft, und nun hat er sie auf die Kunstmesse „Positions Art Fair“ am Flughafen Tempelhof mitgebracht.
Die Kästen gibt es in vielen Größen, die kleinen für 400 Euro. Der größte, zwei Meter breit, für 15 000 Euro. Tammen wird sie am Abend alle verkauft haben. Mit dieser Messe wird er also keinen Verlust machen. Sicher ist das nie.
180 Galerien kamen im September in die Hangars 4 bis 6 am ehemaligen Flughafen. Daran sieht man schon: Das Geschäft mit der Kunst läuft. Es war „Berlin Art Week“, ein Fest, das jeweils im Herbst ausgerufen wird.
In jener Woche will man, finanziell unterstützt von Kultur- und Wirtschaftssenatsverwaltung, zeigen, was die Stadt in Sachen Kunst zu bieten hat: Museen, freie Szene, Clubs, 8000 Künstler aus aller Welt. Wer auf einer der VIP-Listen steht, wird zu Atelierbesuchen eingeladen und kann mit einer E-Limousine zu versteckten Projekträumen fahren.
Nebenan in den Hangars 5 und 6 auf der Kunstmesse „art berlin“ stellen die Galerien aus, die noch internationaler und teurer sind als die auf der „Positions“. Die Besucher, die bereits vor der Eröffnung zur exklusiven Collectors Preview eingeladen sind, kommen gut gekleidet, mit schicken Röcken, feinen Jackets, auffälligen Schuhen.
Wo sind die schwerreiche Sammler?
Später wird auf dem Rollfeld gefeiert. Die einen auf der einen Seite, die anderen auf der anderen. Der Wind trägt ab und zu ein paar Musikfetzen zwischen den beiden Messen hin und her. Auf der „art berlin“ klackern Eiswürfel in Longdrinkgläsern, eine queere Band singt auf Brasilianisch. Trotzdem wird es nachher heißen: überwiegend lokales Publikum. Schwerreiche Sammler aus Amerika und Nahost, wie man sie noch vor ein paar Jahren sah? Kaum.
Die Kunstszene der Stadt ist über die Grenzen Europas hinaus bekannt: Sie gilt als experimentell, offen, diskursfreudig. Berliner Politiker und auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters betonen es bei etlichen Gelegenheiten: Kultur sei ein erfreulicher Erfolgsfaktor für Berlin.
Jenseits der etablierten Museen und Institutionen entlade sich die Kreativität in zahllosen Projekten. Das begünstigt den Tourismus und lockt Startups – ein Gewinn für die Stadt.
Genauso sehen das auch die Galeristen Werner Tammen und Andreas Herrmann. Als Vorstände im Landesverband der Berliner Galerien kämpfen sie dafür, dass man erkennt, dass auch kommerziell arbeitende Galerien einen kulturellen Beitrag für die Stadt leisten.
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Die meisten Galeristen raten von ihrem Job ab
Sie bauen junge Künstler auf, verkaufen deren Werke, sprechen unermüdlich mit Sammlern, machen 3000 kostenlose Ausstellungen im Jahr. Dabei kann es zehn bis 15 Jahre dauern, bis ein junger Künstler sich auf dem Markt etabliert. Bis dahin gibt ein Galerist im Durchschnitt 250 000 Euro für ihn aus.
„Die Situation ist alarmierend“, ließ Andreas Herrmann vor einigen Wochen bei einer Veranstaltung in einer Charlottenburger Galerie wissen. Die neue repräsentative Umfrage des Landesverbandes unter 100 Galerien jeder Größe und jeden Alters zeigt: Echten Glamour gibt es nur bei wenigen. 41 Prozent der Galerien machen weniger als 100 000 Euro Umsatz im Jahr. Zieht man die Kosten für Räume, Personal und Messebeteiligungen ab, können davon viele kaum leben. Doch auch unter denen, die deutlich mehr umsetzen, herrscht Unzufriedenheit. 85 Prozent der Berliner Galeristen sagten, sie würden diesen Karriereweg kein zweites Mal gehen.
Weitere Ergebnisse der Galerien-Studie:
- Nach den drei größten Problemen der Galerien gefragt, nennen 81 Prozent der befragten Galerien die Anhebung der Mehrwertsteuer für Kunstwerke von 7 auf 19 Prozent.
- Etwa 50 Prozent erachtet die Mietkosten als eines der größten Probleme.
- Für 45 Prozent gehört auch der mangelnde Ankaufsetat der Museen dazu.
- 2011, als der lvbg zuletzt die Berliner Galerien zu ihrer Situation befragte, war von über 450 Berliner Kunstgalerien die Rede. Laut der neuen Zählung sind es 339.
Und das hier, wo sich noch viele an die Euphorie erinnern können, die seit den frühen Nachwendejahren in Wellen von Galeriegründungen und -herzügen über die Stadt kamen – über Mitte, das „alte“ Charlottenburg, Kreuzberg – und Wellen der öffentlichen Aufmerksamkeit auch. Es schien eine ganze Weile so, als sollte das ewig so weitergehen, als sei dies selbstverständlich.
Ist die Situation der Berliner Galerien also wirklich so schlimm? Wir haben die ganz kleinen und auch etwas größere gefragt: Was macht Galeriearbeit überhaupt aus – jenseits der Vernissage mit Sekt und schick angezogenen Gästen?
Prämiert, aber erfolglos
Oft ist es mittlerweile ein gähnend leerer Raum. „Die Vernissagen sind voll, die Abende, an denen Künstlergespräche stattfinden, auch, ansonsten kommt kaum jemand“, sagt der Inhaber der in Prenzlauer Berg beheimateten Galerie Hunchentoot. Er möchte, dass sein Name in der Zeitung unerwähnt bleibt, denn er hat: einen Hauptberuf, den er zum Leben braucht.
Und nicht möchte, dass irgendeiner seiner Klienten denkt, dass er nicht mit voller Konzentration bei der Sache ist, weil er eben noch eine Galerie betreibt.
Es ist eine derjenigen, die sich wirtschaftlich nicht lohnen, weniger als 50 000 Euro Jahresumsatz macht er mit seinen Künstlern, dabei sind die, wie der Grafiker Philipp Hennevogl, der für seine Linolschnitte mehrfach ausgezeichnet wurde, bei Institutionen anerkannt.
Zwölf Jahre ist Hunchentoot auf dem Markt, hat sich mithilfe des Messeprogramms der Berliner Wirtschaftssenatsverwaltung in verschiedenen Städten präsentiert, wurde ebenfalls ausgezeichnet. „Nichts davon hatte einen nachhaltigen Effekt“, sagt der Mann. Seit März lässt er die Galerie auf Sparflamme laufen, „ich mache keine Ausstellungen mehr, nehme nicht mehr an Messen teil.“
Für 64 Prozent der Galerien zählen die Messekosten zu den größten Belastungen, so die Studie des Galeristen-Landesverbands. „Eine Messeteilnahme kostet 10 000, eher 20 000 Euro mit Messestand, Aufbau, Transport und Personal“, erzählt der Hunchentoot-Leiter.
Nicht jeder verkauft auch etwas auf der Kunstmesse
„Messe hieß für mich zuletzt, ich miete eine Robbe, fahre die Bilder zum Messeort – und nehme das meiste davon am Sonntagabend wieder mit.“ Als das „Art Forum“ noch existierte, Berlins Kunstmesse, die 2011 dichtmachte, spülte das selbst Hunchentoot, dem Mini-Galeristen, kaufinteressierte Kunden zu, auch wenn er nur an einer der Nebenmessen teilnahm.
Diese Zeiten sind vorbei. Die aktuellen Berliner Kunstmessen schaffen genau das nicht. Besonders Galerien, die junge Künstler fördern und etablieren, haben in den vergangenen Jahren in Berlin dichtgemacht.
Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, teilt die Sorge, dass in der Kreativwirtschaft der Kleinst- und Mittelstand verloren gehe. „Bei einer Wirtschaftsförderung wird immer darauf geblickt: Wie viele Arbeitsplätze können hier entstehen?
Da teilen die Galerien das Leid des Einzelhandels. Der hat in Berlin auch noch nie eine Förderung erhalten.“ Gräff ist für eine Strukturförderung der Galerien – etwa in Form einer Hilfestellung, wie bezahlbare Räumlichkeiten gefunden werden.
Wirtschaftsförderung? In der Konsequenz also Steuergeld, das zu Vermarktern und letztlich auch zu Künstlern fließt? Gräff spricht ausdrücklich nicht davon, er hat „Strukturförderung“ gesagt. Aber die Forderungen nach öffentlichem Geld oder einer anderen Verteilung dieses Geldes, die gibt es längst.
Kundensammeln im Ausland
Die Kisten sind nicht angekommen. Irgendwo sind sie hängengeblieben auf dem Weg von der texanischen Wüste nach Berlin. „Kann passieren“, sagt Galerist Michael Ruiz. Geärgert hat es ihn trotzdem. Die Einladungen für die Ausstellung mit Dustin Pevey, einem US-amerikanischen Maler, waren schon versendet.
Aber weil es die Gemälde nicht rechtzeitig in Ruiz' Galerie am Schöneberger Ufer schafften, musste der zur Berlin „Art Week“, dem großen Herbstevent, den Gästen etwas anderes zeigen. Als er eine Woche später mit den brandneuen Bildern von Pevey eröffnet, ist die Galerie leer.
Es ist ein Freitagabend. Den großen Aufschlag in Berlin gibt es für den 1980 geborenen Pevey also nicht.
Und auch kein Big Business für Ruiz. Der trägt es mit Fassung, sein Geschäft findet ohnehin anderswo statt. Ruiz' Kunden kommen aus New York, London, Asien. Vor gut einem Jahr hat er eine Dependance in Mexiko-Stadt eröffnet, ein kleiner Raum mit großer Dachterrasse in einem Gebäude, das nach Humboldt benannt ist.
Das Standbein im 21-Millionen-Einwohner-Ballungsraum habe neue Energie ins Programm gebracht, Interesse geweckt, auch in Deutschland, sagt Ruiz.
Die Vernissagen sind voll, danach wird es dünn
„Mir war von Anfang an klar, dass die Galerie nicht läuft, wenn ich mich nur auf die Sammler in Deutschland oder Berlin verlasse. Nur mit den Verkäufen an diese Kunden würde ich nicht überleben“, sagt er. Zwar seien die Vernissagen voll, aber es kommen kaum Besucher in die Galerie, die richtig kaufen.
Ruiz war früher selber Künstler, er hat seinen Meisterschüler an der Berliner Universität der Künste gemacht. Er war kurz davor, bei einer großen Pariser Galerie unterzukommen, als er 2013 die erste Ausstellung in seiner Kreuzberger Wohnung organisierte.
Fortan wollte er nicht mehr selber Kunst machen, sondern andere dabei unterstützen. Er eröffnet die Future Gallery und vertritt Künstler aus seiner Generation. Ihr gemeinsames Thema ist das Internet und die digitale Kultur.
Spiros Hadjidjanos aus Griechenland etwa hat wie Ruiz an der Universität der Künste studiert und nutzt Kunst und Technologie, um sichtbar zu machen, wie Datenströme fließen oder wie eine historische Pflanzenfotografie als 3-D-Druck aussieht.
Kein großer Geldgeber im Rücken, klein aufgestellt
Einer der ersten Artikel, der über Hadjidjanos publiziert wurden, erschien in einem Computer-Magazin. In seinen neuesten skulpturalen Bildern nutzte er eine Hightech-Maschine, die Tinte quasi in 360 Grad ausdruckt.
Ruiz' Future Gallery ist ein typisches Beispiel für die Art von Galerie, die es im Moment besonders schwer hat: kein großer Geldgeber im Rücken, mit zwei Angestellten klein aufgestellt, das Programm jung, experimentell, erklärungsbedürftig.
Die Art von Kunst, der Berlin seinen Ruf als Ort aufregender Entdeckungen verdankt. Aber: eine riskante Strategie. Alle Künstler in Ruiz' Programm stehen am Anfang ihrer Karriere. Keiner bringt zuverlässig Geld.
Ruiz bringt sie bei Kuratoren ins Gespräch, empfiehlt, erklärt, versucht, sie in Sammlungen und Institutionen zu platzieren. Das kann zwar dauern, aber wenn erst mal das Centre Pompidou gekauft hat, greifen auch die Sammler zu.
Auch er würde den Job nicht unbedingt einem Freund empfehlen, sagt Ruiz. Man arbeitet hart: Steuer, Büro, Logistik, Archiv, für alles ist er zuständig. Und natürlich möchten Sammler auch zum Essen und zu Drinks begleitet werden. 250 000 Euro Jahresumsatz muss Ruiz mindestens erwirtschaften, um durchzukommen.
Eigentlich passt Kunst perfekt zur Start-up-Klientel
Eigentlich würde die Kunst, die er zeigt, perfekt zur Startup-Klientel passen, die jetzt nach Berlin zieht und gut verdient. Neue Kunstkäufer kommen aus der Szene aber bisher kaum. „Das dauert“, sagt Ruiz. „Wie in San Francisco und dem Silicon Valley, es hat Jahre Aufbauarbeit gebraucht, bis die Startup-Leute die Kunstszene wahrgenommen haben.“
Im Moment findet Ruiz die Berliner Szene etwas träge. „Man könnte sich gegenseitig unterstützen, gemeinsam den Standort voranbringen, Sammler in die Stadt locken.“ Doch was ihm fehlt, ist der Dialog mit anderen Galeristen. Am prestigeträchtigen „Gallery Weekend“ im Frühjahr, dem zweiten großen Termin in der Stadt, den eine Gruppe renommierter Berliner Galeristen 2005 ins Leben rief, darf im offiziellen Programm nur mitmachen, wer von den Veranstaltern eingeladen ist. Ruiz war es noch nie.
Profitiert hat er trotzdem, weil ein Firmenchef, der wegen des Weekends in der Stadt war, in seine Räume spazierte und kaufte. An der Messe hat er zwar schon erfolgreich teilgenommen, in diesem Jahr aber bewusst nicht. „Mir bringen die Berliner Messen nichts“, sagt er. Und sein Vorschlag, einen Galerientausch mit weniger bekannten Galerien ins Rahmenprogramm aufzunehmen, sei „nicht sehr freundlich“ abgeschmettert worden.
„Es gibt einfach zu viele Messen, zu viele Biennalen, zu viele Galerien“
Die Galerie Zak Branicka hat sich in den letzten zwölf Jahren in Berlin einen guten Namen gemacht, war beim „Gallery Weekend“ und den Messen dabei. Seit Kurzem gibt es sie nicht mehr. Stattdessen macht Zak Branicka als Stiftung weiter. So, wie sie auch angefangen haben.
Asia Zak Persons und Monicka Branicka haben sich 2007 zusammengetan, um die von Alltag und Mangel befeuerte Aktions- und Konzeptkunst aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern hierzulande bekannt zu machen. Und weil sie ihre Aktivitäten finanzieren mussten, gründeten sie damals eine private Kunstgalerie.
Beide waren Neulinge im Geschäft, sie hatten kaum Geld noch familiäre Wurzeln im Kunsthandel. Doch ihr Plan ging auf, von ihnen präsentierte Künstler wie Zofia Kulik, Jaroslaw Kozlowski oder Ryszard Wasko sind heute in Sammlungen vertreten, haben Museumsausstellungen.
Die 1985 in Lublin geborene Video-Künstlerin Agnieszka Polska, die sie als Studentin betreuten, gewann 2017 den Preis der Nationalgalerie und ist seitdem auch für große Galerien und Institutionen interessant. Die erfolgreiche Aufbauarbeit ist jetzt auch ihr Problem: Es geht nicht weiter, in einem Markt, der sich auf wenige globale Player konzentriert.
Galerien investieren viel in junge Künstler. Und dann machen sie dicht
„Wir machen uns schon seit einiger Zeit Gedanken darüber, wie wir weitermachen sollen“, sagt Zak Persons im Büro der Galerie in der Kreuzberger Lindenstraße. „Man kann entweder klein und sehr profiliert sein, was wir waren, oder man ist sehr groß.“
Sind die Künstler erst an einem bestimmten Punkt angekommen, helfen ihnen Ausstellungen in einer kleinen Galerie nicht weiter. Dann brauchen sie museale Auftritte oder wie die junge Polska eine große, internationale Galerie.
Um eine solche zu sein, „müssten wir sehr viel Geld investieren und berühmte und sehr teure Künstler in die Galerie holen und Dependancen in Amerika und Asien eröffnen“, sagt Zak Persons. Wenn sie nun mit der Stiftung die Nachlässe ihrer osteuropäischen Künstler betreuen, erforschen, digitalisieren und für die Zukunft fit machen, können sie dafür wenigstens Förderungen beantragen.
Und die Künstler, die sie weiter an ihre Sammler verkaufen wollen, integrieren sie in die Galerie von Zak Persons Ehemann.
Berliner Institutionen kaufen kaum Kunst
„Unser Problem in Berlin war immer, dass die Institutionen“ – Museen, Verwaltungen, Regierungsapparate, Universitäten, Firmenstiftungen – „nicht kaufen.
In zwölf Jahren, hat keine Berliner Institution bei uns gekauft“, sagt Zak Persons. Das sei in anderen Ländern anders, in Frankreich zum Beispiel, in Skandinavien. Gerade für gesellschaftlich relevante, kritische Kunst, die nicht ins Wohnzimmer passt, ist ein solches Engagement essenziell.
Und es gibt noch ein Problem: „Es gibt zu viele Messen, zu viele Biennalen, zu viele Galerien, die Interessenten kaufen weniger, nur noch eine Arbeit, nicht mehr fünf.“ Früher war Berlin ein Muss für Sammler. Jetzt bieten sich auch viele andere Ziele an. „Es kann sein, dass ein Sammler in diesem Jahr nach Berlin kommt, die nächsten zwei Jahre aber nicht“, sagt Zak Persons.
Zwar beobachtet auch sie „mehr reiche Leute in der Stadt“, allerdings wirkt sich das kaum auf den Umsatz aus. „Unser Geschäft ist zu 90 Prozent Messe“, sagt Zak Persons. „Wir sind jetzt an einem Punkt, wo die Leute kaum noch in die Galerien kommen.“
Hohe Erlöse, wenig Gewinn
Sich kleiner machen, um groß zu werden – das ist auch die Strategie der Galeristinnen Stefanie Feldbusch, Andreas Wiesner und Jette Rudolph. Vor drei Jahren haben sie aus ihren beiden Galerien eine gemacht. Die drei haben ihre Kontakte und ihre Künstlerlisten zusammengeworfen und konsolidiert.
Nun stellen sie in der Jägerstraße zwischen Ministerien und Baustellen gemeinsam aus, derzeit die aus Walnussholz geschnitzten Holzskulpturen des südafrikanischen Künstlers Wim Botha.
„Es ist eine unglaubliche Anstrengung eine Galerie in dem Preissegment, in dem wir arbeiten – von 2000 bis 50 000 Euro – erfolgreich ökonomisch zu führen“, sagt Feldbusch, die in dem Team die Betriebswirtin ist. Zwar klingen die Preise für Kunstwerke oft hoch. Abzüglich aller Kosten bleibe aber nicht viel übrig.
„Neulich fragte jemand, ob er eine mit winziger Handschrift bemalte Steinskulptur, die 12 000 Euro kosten sollte, für die Hälfte kaufen kann. Wir haben ihm dann vorgerechnet, dass der Stundenlohn des Künstlers dann noch bei einem Euro liegen würde.“
Niemand kauft mehr einfach so
Feldbusch und Rudolph beobachten, wie die Sphären bei den Kunsthändlern immer mehr auseinanderdriften. Im oberen Preissegment sehen die Sammler Kunst oft als Investment, das sich lohnen muss. Deshalb kaufen sie nicht bei mittelgroßen Galerien mittelgroße Künstler.
„Wir müssen uns ganz neue, eigene Kundenkreise erschließen“, sagt Feldbusch. Dass sich Malerei fast wie von selber verkaufe, wie vor ein paar Jahren, sei vorbei.
Das Problem, dass weniger Besucher in die Galerie kommen, kennen auch sie. „Viele sehen sich die Künstlerportfolios zu Hause am Computer an“, sagt Jette Rudolph. Nun überlegen sie, ob sie die Öffnungszeiten kürzen und künftig lieber mit gezielten Veranstaltungen die Leute in die Galerie holen.
Nach der Messe in Berlin fuhr das Dreier-Team sofort zur „Vienna Contemporary“. Und obwohl Wien die viel kleinere und regionalere Messe ist, sei sie professioneller organisiert, das VIP-Programm attraktiver. Und wieder der Appell an die Stadt. „Warum steht man nicht selbstbewusst zum Kunststandort?“
In Frankreich besucht Präsident Emmanuel Macron die „Paris Photo“ und schmückt sich mit der „größten Fotomesse der Welt“. Auf Berliner Messen sucht man Michael Müller oft vergeblich. Von Angela Merkel ganz zu schweigen.
Standortnachteil Berlin
Galerist Johann König mischt sich seit einiger Zeit politisch ein. In offenen Briefen kritisiert er Entscheidungen des Berliner Senats und stellt Forderungen, die nicht jedem gefallen.
Geld von der Stadt, sagt König, solle direkt bei der Kunstwirtschaft landen und nicht bei der „Berlin Art Week“, die auch die Museen und die Non-Profit-Räume unter ihrem Dach promotet. Bei der „Art Week“, schimpft König, kämen die Galerien überhaupt nicht vor. Sie bringe den Händlern – gar nichts.
Gegeneinander ausspielen wolle er jedoch niemanden. „Wir brauchen sie alle, vom Auktionshaus über Galerien diverser Größen bis hin zum Off-Space. Das ist wie im Wald, ein existenzieller Kreislauf. Ihn sehe ich gerade in Gefahr, weil Berlin für kleine Galerien immer unattraktiver wird.“
Im Jahr 2002 war er Berlins jüngster Galerist. Inzwischen zählt er zu den wichtigsten Händlern der Stadt, zumindest wird er so wahrgenommen.
Die Kirche, die die Galerie 2015 in Kreuzberg bezogen hat, ist eine architektonische Sensation, die Künstler – darunter Jorinde Voigt, Erwin Wurm und Katharina Grosse – verkaufen sich prächtig. Bloß nicht von Berlin aus, sondern auf internationalen Messen.
Große Galeristen verlagern ihre Aktivitäten ins Ausland
Manche wichtigen Sammler habe er schon länger nicht mehr hier gesehen, sagt König am Tisch seiner Galerie, in die selbst sonntags Besucher strömen. Doch viele Besucher bedeuten nicht automatisch, dass auch viel verkauft wird. König hat zwar Kunden, die bei ihm spontan vorbeikommen für zwei Millionen Kunst kaufen.
Aber selbst er will an die Newcomer. Mal macht er einen Shop mit Kunstsouvenirs auf, dann veranstaltet er politische Diskussionen in seiner Galerie. Die 2017 in London eröffnete Dependance wollte er wegen des Brexits schließen - inzwischen hat er sich anders entschlossen - und eine weitere Zweigstelle in Tokio.
Im Ausland lassen sich die Standortnachteile Deutschlands umgehen. Ein wichtiger Berliner Galerist wie Max Hetzler verlagert seine Aktivitäten seit Jahren immer mehr nach London und Paris. „Gerade in Paris ist die Mehrwertsteuer niedriger, und es gibt keine Abgabepflicht an die Künstlersozialkasse“, sagt König.
Vielleicht ist die Lage ja wirklich so ernst, dass einer der erfolgreichsten Galeristen in einem Satz von einer Steuersenkung spricht und gleichzeitig davon, die Zahlungen an die Sozialversicherung einkommensschwacher Künstler nicht sonderlich gern zu leisten – derjenigen, die ihm den Rohstoff liefern, mit dem er handelt.
König sagt, irgendwann würden sich diese Galerien fragen, weshalb sie noch in Berlin tätig seien. „Dann verlieren wir die Galeristen, die Weltstars vertreten.“ Königs Hauptfrage ist, wie man Berlin für Sammler attraktiver machen kann.
Große Galerien bei Laune halten, kleine fördern
„Die ,Art Week' in ihrer aktuellen Form ist nicht das passende Instrument“, sagt er. Aus der Warte der Wirtschaft braucht es ein Programm, das sich an die globalen „high net worth individuals richtet“.
An jene, deren Vermögen jenseits der Millionengrenze liegt. „Das hört man vielleicht nicht so gern“, sagt König, „aber es ist die Realität: Wer Kaufkraft in die Stadt holen möchte, muss diese Menschen ansprechen.“
Er sagt: „Wir müssen die großen Galerien bei Laune halten und kleine fördern, damit die überhaupt in Schwung kommen.“
Es kann sein, dass er damit bereits gehört wurde. „Wir sehen die Probleme der Galerien und wollen insbesondere die jungen, innovativen gezielt fördern“, sagt Daniel Wesener, Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus für Kultur und Haushalt.
In den laufenden Planungen für den Doppelhaushalt 2020/21 ist von „150 000 Euro für die Unterstützung des ,Gallery Weekends' und zur Förderung junger Galerien“ die Rede. Falls beides zusammenhängt, könnte sich das schnell als Nachteil für diejenigen herausstellen, die beim „Gallery Weekend“ ohnehin nicht mitspielen dürfen.
Mitarbeit: Christiane Meixner und Ronja Ringelstein