Heinz Strunk: Das Phlegma ist mein bester Freund
Stille, Schweigen, Wellenplätschern: Wie Heinz Strunk mal Urlaub in Afrika machte. Seine Stärke ist die schonungslose Dokumentation des öden Alltags.
Eigentlich interessiert sich Heinz Strunk nicht für Afrika. Eigentlich interessiert er sich nie für seine Urlaubsziele. Strunks Vorliebe gilt vielmehr der „Pauschalreise ohne alles“, denn „das größte Abenteuer des Lebens ist die Abwesenheit von Abenteuer“. Perfekte Voraussetzungen für den Weihnachtsurlaub in Kenia. Dass es ihn trotzdem in die bizarrsten Winkel von Mombasa verschlägt und er in bürgerkriegsähnliche Wirren gerät, verdankt er seinem Phlegma. Und seinem übellaunigen, also kongenialen Reisepartner C. aus Wien. Gemeinsam wollen sie am Pool ein Drehbuch schreiben, ihr Geld am Automaten verdaddeln und sonst möglichst wenig erleben. So kommt es dann auch.
„Heinz Strunk in Afrika“ ist schon Heinz Strunks vierter Roman in den sechs Jahren, die seit der Veröffentlichung des Bestsellers „Fleisch ist mein Gemüse“ vergangen sind. Diese produktive Eile merkt man dem aktuellen Buch auch an. Eine erzählenswerte Begebenheit sieht einfach anders aus als ein durchzechter Weihnachtsurlaub zweier missmutiger Komödienautoren. Doch da Strunk um diese Schwäche weiß, konstruiert er gar nicht erst so etwas wie einen Spannungsbogen.
Seine Stärke – und damit auch die seines gleichnamigen Alter-Ego-Protagonisten – ist die schonungslose Dokumentation des öden Alltags. Mit ebenso spöttischer wie diskriminierender Zunge seziert er die Unreinheiten in Aussehen und Verhalten seiner Mitmenschen dermaßen, dass es schon zum Fremdschämen ist – wenn es nicht zugleich perfide komisch wäre.
Strunks Komik lebt dabei von ihrer Nähe zur Tragik. Er macht sich nicht nur lustig über das Aussehen anderer Menschen, nein, er echauffiert sich richtiggehend darüber, um kurz darauf feststellen zu müssen, welch armselige Vorstellung er selber abgibt: „Gott, ach Gott, wo sind bloß meine Konturen hin. Ein weißer Batzen Fleisch, gallertartige Masse, das einzig klar Umrissene ist meine Brille.“
Dass Strunks Antihelden dabei stets ein hohes Maß an unsympathischen Zügen tragen, macht sie eher erschreckend lebensnah als unerträglich. Aber der Grat ist schmal. Und auf diesem wandeln der kränkelnde und grantelnde Raucher C. und der quengelnde und saufende Strunk nachts durch schäbige Casinos und Clubs. Ihr Afrika versinkt mehr im Dreck als in Urlaubsromantik, selbst in ihrer abgeschotteten Touristenwelt.
Tagsüber arbeiten sie an einem haarsträubenden Filmskript über einen Pudelschönheitswettbewerb, das sich beinahe zum Stück im Stück entwickelt. Daneben liefern sie sich Antipathieduelle mit anderen Urlaubern – oder ziehen gleich hemmungslos über diese her. Nachdem sie praktisch ihr ganzes Geld verspielt, ihr Drehbuch beendet und die Turbulenzen nach den kenianischen Präsidentschaftswahlen irgendwie überstanden haben, ist das afrikanische Abenteuer für sie auch schon wieder vorüber. Strunks Urlaubsbilanz: „Endlich wieder rauchen.“
„Heinz Strunk in Afrika“ bleibt hinter den vorherigen Büchern des norddeutschen Komikers zurück. Wie gehabt aber ist auch dieser Text immer dann am stärksten, wenn man den Tonfall des Autors förmlich zu hören meint. Strunk beherrscht den inneren Monolog auf eigentümliche Weise. So wird eine Reise nach Afrika, dem angeblich „schwarzen Kontinent“, zur Reise in die tatsächlich tiefschwarze Gedankenwelt eines komischen Misanthropen. Erfrischender sind die Dialoge mit einem fiktiven Lektor, der an Strunks literarischen Fähigkeiten kein gutes Haar lässt: „,Das war wieder sehr schlecht, Herr Strunk, und der rassistische Ausfall am Schluss ganz und gar unerträglich. Belegen Sie bitte einen Kurs für kreatives Schreiben!’ – ,Kein Geld.’“ Das ist bekanntlich im Casino geblieben. So viel ironischer Fiktionsbruch ist allerdings auch einiges wert.
Heinz Strunk:
In Afrika. Roman.
Rowohlt Verlag,
Reinbek 2011.
272 Seiten, 13,95 €.
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