Kultur: Das multiple Ich
Vom Künstler zum Antiquitätenhändler zum Galeristen: Michael Haas geht berufliche Umwege
Eigentlich haben sie mit der Kunst abgeschlossen. Und deshalb nach ihrem Studium an einer Kunstakademie erst einmal andere Berufe ergriffen. Wie wichtig die Zeit im Atelier dennoch gewesen ist und wie einen die Erfahrung mit Malerei, Skulpturen oder neuen Medien prägen kann, erzählt die Sommerserie der Seite „Kunst & Markt“.
Ganz schön vertrackt, das System Haas. Es gibt die Galerie Michael Haas in der Niebuhrstraße und nebenan eine zweite Galerie namens Haas & Fuchs. Es gibt gemeinsame Räume in Zürich und einen Künstler namens Joachim Elzmann, der zwar an keiner der drei Adressen mit seinen Arbeiten vertreten ist. Und der doch immer wieder im Dunstkreis des Berliner Galeristen auftaucht.
Haas hat als Künstler angefangen und schon bald nach dem Studium mit dem Malen und Bildhauern aufgehört. Offiziell jedenfalls. Eine Frage der Ökonomie sei das gewesen, meint der Kunsthändler: Er sei schon damals viel unterwegs gewesen. Die Pendelei zwischen Berlin und Braunschweig, wo Haas bis 1978 bei Emil Cimiotti studierte. Ein Bildhauer des Informel, den heute nicht mehr viele kennen. Der Student aber fand ihn wichtig für sich. Bloß die Stadt hielt er nicht aus, denn dort passierte nichts. Im Gegensatz zu Berlin, wo sich in den frühen Siebzigern der Punk formierte und man die langen Haare blau färbte. „Wir sahen ja böse aus“, meint Haas und grinst.
Von Moabit ging es aber auch nach Paris, über die Flohmärkte, oder nach London, auf die Portobello Road. Damals konnte man dort wunderbare Antiquitäten kaufen, erzählt Michael Haas. Vor vierzig Jahren wussten die Leute mit dem alten Plunder wenig anzufangen. Also hat er die Ware erst im Auto transportiert und später dann im Brummi. Damit es sich lohnt.
Der Student als Antiquitätenhändler mit einem Platzproblem: „Die Wohnung in Berlin reichte bald nicht mehr, um alles aufzubewahren.“ Ein Ladenlokal in der Eisenacher Straße war 1976 die Lösung. Wenig später ging es an die Budapester Straße, wo in den schnittigen Pavillons am Interconti Hotel schon zwei Experten für historische Möbel und Vasen saßen. Doch auch dort hielt es Haas, den Rastlosen, nicht lange. Mit dem Ankauf mehrerer Gemälde aus den fünfziger Jahren, für die sich damals niemand interessierte, erweiterte er das Sortiment. „Meine Freundin von damals war richtig sauer, als ich mit den Bildern aus Hamburg zurückkam. Sie hätte lieber einen neuen Mantel gehabt.“
Haas jedoch faszinierten die informellen Motive. Was ihn packt, das verteidigt er vehement. Sollen die anderen ruhig schräg schauen – bald schlägt die Stunde für solche Kunst. Dieses Wissen, gepaart mit leichter Halsstarrigkeit, gehört zur Biografie seines Erfolgs. Michael Haas erinnert sich noch gut daran, dass schon sein Vater ihn in solche Situationen gebracht hat. Als Steuerberater arbeitete Haas senior unter anderem für den Berliner Galeristen Reinhard Onnasch. Der bot dem Vater einmal ein Bild an, und der ließ den Sohn wählen – zwischen einem recht dekorativen britischen Konstruktivisten und einem verwischten Motiv von Gerhard Richter. Die Wahl fiel auf den deutschen Maler. Das Gängige links liegen lassen, sich auf Sperriges konzentrieren, es auszuhalten und zu warten, bis der passende Sammler kommt. Haas hat seine Lektion als Händler früh gelernt. Die Erfahrungen des Künstlers waren dabei unschätzbar – der genaue Blick des Malers, das räumliche Denken als Bildhauer. Vor allem aber begriff er: „Dass ich viel schneller ein gutes Bild erwerben als selbst machen kann.“
So rückte an die Stelle der Antiquitäten immer mehr die Malerei. Der nächste Umzug 1978 in die Niebuhrstraße war da nur konsequent, denn dort gab es bereits mehrere Galerien für moderne Kunst. Haas kam hinzu und orientierte sich an jenem Prinzip Galerie, das für ihn funktioniert: Man handelt mit arrivierter Kunst, um junge Künstler wie Nicole Bianchet, Marianna Gartner oder Dirk Lange aufzubauen. Ein Kurs auf Nummer sicher, der ihm den Ruf eines Kunstdealers eingebracht hat. Andere handeln heimlich, Haas geht offen damit um. Zum 25-jährigen Jubiläum seiner Galerie leistete er sich 2003 einen Katalog, wie er perfekt zu ihm passt. Ein schmallippiges Vorwort für den Mann, der keine großen Worte mag. Stattdessen eine opulente Fotostrecke jener Meisterwerke, die während der Jahre durch seine Hände gegangen sind: Arbeiten von Picasso, ein Selbstporträt von Paula Modersohn-Becker, Ölgemälde von Ernst-Ludwig Kirchner und Otto Mueller. Miro, Matisse und Braque. Lauter Schätze zum Vorzeigen. Gleiches gilt für die Künstler der Galerie Haas & Fuchs, die 1997 als weitere Adresse gegründet wurde und sich ganz auf etablierte Zeitgenossen konzentriert; darunter Sean Scully, Thomas Locher und Leiko Ikemura. Und die Dependance in Zürich bewährt sich, wenn man wie Michael Haas seit Jahren auf der internationalen Kunstmesse Art Basel präsent ist. Denn die Schweizer Ein- und Ausfuhrbestimmungen sind mindestens so komplex wie das System Haas, in dem nun noch Joachim Elzmann seinen Platz finden muss.
Ihn hat der Galerist bis vor kurzem versteckt. Tatsächlich ging es in seinem Atelier nämlich weiter. Verkaufen wollte Michael Haas diese skulpturalen Arbeiten aus Holz oder Glas nicht. Ihm waren und sind sie „Ventil“ für jenen kreativen Überschuss, der trotz aller Beschäftigung mit Kunst noch übrig ist. Den entscheidenden Impuls gab dann vor Jahren der österreichische Künstler Franz Grabmayr. Ihn hat Haas häufiger besucht, und weil Grabmayr keinen Leerlauf duldet, fing der Galerist auch wieder mit dem Malen an. „Die Bilder hingen hier und da“, erinnert er sich. „Dann hat sie der erste Galerist gesehen, wollte sie ausstellen, es kamen Kaufanfragen.“ Mit Grabmayr zusammen ersann man das Pseudonym Joachim Elzmann. Bis sich die Sache verselbstständigte und Michael Haas etwas den Überblick verlor.
Denn natürlich kam in den Galerien stets die Frage nach dem Künstler auf. Kataloge wurden gedruckt, in denen nicht bloß Elzmanns Biografie seltsam deckungsgleich mit der des Galeristen war. Es gibt auch fotografische Porträts, unter denen Joachim Elzmann steht, obwohl dort eindeutig Michael Haas zu sehen ist. Schließlich trat er die Flucht nach vorn an. So firmiert er in der aktuellen Ausstellung bei Ingeborg Wiensowski zwar immer noch als Elzmann. Inzwischen aber wird hier jeder Besucher auf die wahre Identität des Künstlers aufmerksam gemacht. Fragt man nun Michael Haas, als was er sich nun eigentlich sieht, dann kommt klar und prompt die Antwort: „Als Galerist!“
Projektraum Wiensowski, Lützowstr. 32; bis 31.7., n. V., Tel. 313 87 41.
Christiane Meixner
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