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Zeuge der Vergangenheit. Büste von Jussuf Abbo.
© Gunter Lepkowski

Verarmt, vertrieben, wiederentdeckt: Das Kunsthaus Dahlem erinnert an Bildhauer Jussuf Abbo

Der jüdische Steinmetz floh als junger Mann vor dem NS-Regime und starb zwanzig Jahre später im britischen Exil. Sein Werk berührt noch heute.

Gäbe es nicht den in Brighton bei der Familie verwahrten Nachlass, was hätte man überhaupt von ihm? Jussuf Abbos Werk ist nur noch fragmentarisch greifbar: als Strandgut eines staatenlosen Exilanten.

Seiner Wahlheimat Deutschland entrann Abbo 1935 knapp und starb 1953 verarmt in Großbritannien. Viele Werke sind verschollen. Was für ein eigener Plastiker der deutschen Kunstgeschichte da entgangen ist, beleuchtet eine Kabinettausstellung im Kunsthaus Dahlem.

Nur wenige Frauenköpfe und Bronzemasken sind zu sehen, dazu Skizzenhaftes aus Grafikmappen, eine Handvoll alter Fotos und vergilbte Empfehlungsschreiben von Museumsleuten. Aber wo die Fülle fehlt, beugt man sich umso konzentrierter über das Gerettete. Dies im Original zu sehen, berührt.

Durch das Berlin der 20er Jahre geisterte Abbo als vielversprechendes Talent und exotische Erscheinung. Geboren in der Nähe des Sees Genezareth im Osmanischen Reich wagte der hochbegabte jüdische Steinmetz das Abenteuer, sich in der deutschen Metropole zum Künstler ausbilden zu lassen.

Als „Sohn des Orients“ nahm man ihn hier wahr, Selbststilisierung und Projektion gingen Hand in Hand. Ob das legendäre Beduinenzelt in Abbos Atelier am Landwehrkanal wirklich existierte, lässt sich nicht mehr feststellen. Wohl aber, dass er sich mit seiner Untermieterin Else Lasker-Schüler zerstritt und seine renommierten Galeristen nervte. Abbo fiel schwer, sich von seinen Schöpfungen zu trennen. Den Spuren des Künstlers geht der Katalog nach, als erste gewichtige Abbo-Monografie überhaupt.

Hauptpart der Ausstellung bilden zarte Frauendarstellungen

Alle Exotismen verkneift sich die schlichte und wie immer im Kunsthaus Dahlem sehr zurückhaltende Präsentation. Den feinen „Kopf eines schwarzen Mannes“ als einziges exotisches Sujet rückt sie ins Nebengelass. Den Hauptpart übernehmen die zarten Frauenphysiognomien, Abbos Stärke. Sie kehren ihren Ausdruck nach innen.

Abbos Arbeiten drängen sich nicht mit expressionistischem Pathos oder avantgardistischen Formverzerrungen auf, sondern halten an der klassischen Figürlichkeit fest. Er vereinfacht, arbeitet am Ausdruck, stilisiert knappste Konturen.

[Kunsthaus Dahlem, Käuzchensteig 12, bis 20.1.; Mi bis Mo 11–17 Uhr. Katalog (Wienand Verlag) 29 €]

In seiner bronzenen „Maske vom Nordmeer“ werden feine Asymmetrien wirksam. Eingekratzte Ritzungen beleben die gewölbte Oberfläche. Sie verraten Abbos Sensibilität im Umgang mit dem Material. Noch zurückgenommener wirkt der „Frauenkopf“ von 1928 aus Zinn. Die kleine Plastik behauptet sich wie unberührt von Zeit und Raum: ein Hauptwerk in einem künstlerischen Kosmos, der nur noch vage auszumessen ist. Die silbrig schimmernde Oberfläche wirkt wie von innen her gespannt. Sie scheint zu atmen.

Seinerzeit wurde der Künstler in einem Atemzug mit Wilhelm Lehmbruck oder Gerhard Marcks genannt. Er stellte in Breslau, Dresden, Hannover und einmal sogar in den USA aus. Aber für den Durchbruch reichte es nicht. Viele seiner Unterstützer mussten nach 1933 selbst emigrieren. Jetzt kehrt Abbo ins Bewusstsein zurück. Auch das Sprengel Museum Hannover widmet seinen Grafiken und plastischen Arbeiten gerade eine Soloausstellung.

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