Held der Postmoderne: Das Gesamtkunstwerk Arnold Schwarzenegger
Arnold Schwarzenegger inszeniert sich gerne selbst - als Bodybuilder, als Schauspieler und auch als Politiker. Der Kunstwissenschaftler Jörg Scheller geht in seinem Buch dieser Lebensgeschichte nach.
Man kann es sich leicht machen mit Arnold Schwarzenegger, dem Muskelmann, Actionfilm- Schauspieler, Politiker und Ehebrecher. Er selbst lädt dazu ein – in und mit „Total Recall“, der angeblich wahren Geschichte seines Lebens. Am Ende dieser Memoiren, die ihrer Länge nach so monumental nicht sind, macht Schwarzenegger nämlich das, was in vielen amerikanischen Sachbüchern üblich ist: Er fasst noch mal zusammen und stellt ein paar Regeln auf. Regel Nummer sieben lautet: Schieb die Schuld nie auf deine Eltern. Da fragt sich Schwarzenegger, was aus ihm geworden wäre, „wenn ich einen netten warmherzigen Vater gehabt hätte. Hätte ich Österreich dann verlassen? Wahrscheinlich nicht. Und das ist meine große Angst! Ich wurde Arnold, weil er so hart mit mir umging … Seine Strenge trieb mich aus dem Haus. Sie sorgte dafür, dass ich nach Amerika kam und hart für meinen Erfolg arbeitete.“ So also sieht sich Schwarzenegger, dessen neuer Film dieser Tage in die Kinos gekommen ist: Vom autoritären Vater, dem Prototyp des kleinen Polizisten in der Nachkriegszeit, in die Welt geworfen, auf sich gestellt, groß und stark geworden. Na ja.
Zum Glück für seine geneigten Leser hat Schwarzenegger nicht bloß eine vulgärfreudianische Sicht auf sich selbst, sondern viel Humor – und viel zu erzählen. So oberflächlich bekannt, wie seine Lebensgeschichte ist, so interessant wird sie, phasenweise jedenfalls, wenn er in die Einzelheiten geht. Mindestens so wichtig wie der – aus Sohnes Sicht – autoritäre Vater war offenbar Arnies Überzeugung, dass er etwas Besonderes sei. Als Jugendlicher fing er mit dem Kraftsport an. Sein Vater schimpfte über den „Unfug“ und verlangte, er solle „etwas Nützliches“ tun und Holz hacken. Doch Arnold Schwarzenegger hatte sich in Eisenpumpen und die Entwicklung seiner Körperkraft verliebt – da interessierte ihn Papas Gerede längst nicht mehr.
Der eigene Plan, das Selbstbild, an das er ganz fest glaubt: Wenn an diesen Erinnerung etwas Wahres ist, das Schwarzenegger von sich wissen lässt, ist es die Abwesenheit von jedem Zweifel an sich selbst. Als Jung-Bodybuilder glaubte er an sich. Als Schauspielanfänger und „Conan, der Barbar“ glaubte er an sich. Als Geschäftsmann und Unternehmer in eigener Sache glaubte er an sich. Als Ehemann glaubte er beim Verfassen des Buches auch immer noch an sich.
„Das Geheimnis“ lautet die Überschrift über dem letzten Kapitel von „Total Recall“ – dem einzigen, in dem er vor seinen Lesern als Verlierer dasteht. Man muss ihm lassen, dass er mit seinem Seitensprung so offen umgeht wie mit seinen Erfolgen: Er erzählt und überlässt es den Lesern, sich ihr Urteil zu bilden. „Maria und ich sind zwar in dem Moment, in dem ich dies schreibe, getrennt, aber ich versuche immer noch, mit allem so umzugehen, als wären wir zusammen … Die Scheidung läuft, aber ich habe immer noch die Hoffnung, dass Maria und ich wieder als Ehemann und Ehefrau und als Familie mit unseren Kindern zusammenkommen können. Man kann das Verdrängung nennen, aber so arbeitet mein Denken nun mal. Ich liebe Maria. Und ich bin Optimist.“
Klar, dass ein so starkes Ego sogar in peinvollen Passagen erst von sich spricht, vom „Ehemann“ – dann erst von der Ehefrau. Ob man Schwarzenegger als Eisensportler mag, als Actionstar oder ob man ihn als amerikanischen Politiker interessant findet: Man hat auf weit über 600 Seiten unendlich viele Gelegenheiten, sich zu fragen, ob man Egoist und Egomane sein muss, wenn man es im Leben so weit bringen will wie Schwarzenegger.
Ein geistvolles Buch über Schwarzenegger
Bei allem, was er machte, ging es vor allem um ihn: sein Selbstbild, seinen Weg, sein Ziel, seinen Erfolg. Seinem Humor, seiner Offenheit, seinem scheinbar unarroganten Plauderton zum Trotz: Sympathischer wird einem dieser Mann nicht durch die „wahre Geschichte“ seines Lebens. Auch diese Memoiren dienen nur ihm selbst. Dabei hat er als Eisenpumper hochinteressante Menschen wie den Fotografen Robert Mapplethorpe und den Künstler Andy Warhol kennengelernt – und sagt fast nichts über solche Begegnungen. Eher bekommt man eine Ahnung von dem gigantischen Ehrgeiz, der ihn ein Leben lang getrieben hat – und davon, dass Jung-Arnold als Gigant vom Muscle Beach im damals noch nicht hippen Bezirk Venice von Los Angeles außer sehr guten Sportlergenen ein geradezu instinktives Verständnis von Vermarktung und Verkauf hatte. Der eigenen, wohlgemerkt. Auch das zieht sich durch sein Leben, bis hin zum Arnie’schen Regelsystem am Ende von „Total Recall“: „Egal, was Du tust, du musst es auch gut verkaufen.“
Als Bodybuilder hat er sehr schnell begriffen, wie man sich vermarktet, als Schauspieler und Selbstdarsteller hat er sich perfektioniert – wobei der Rückblick auf seine Filmerfolge zu den langatmigsten Passagen des Buches gehört. Interessant daran ist vor allem, wie Filme nach Marketinggesichtspunkten und -tests während der Produktion verändert werden, um sie im Kino zu Massenerfolgen zu machen.
Nur in der Politik hat sich Schwarzenegger davon nicht immer leiten lassen. Auch wenn er zu den linksliberalen Republikanern gehörte – sein Profil, sein Sinn für Solarenergie und Umweltschutz und die Rechte von Schwulen passten bestens in den Sonnenstaat Kalifornien, in Texas wäre er gescheitert –, sah er doch, dass Performance, Marketing und die Orientierung am Mainstream nicht alles sind, wenn kein Geld mehr da ist. Haushaltskrise am Anfang, Haushaltskrise am Ende der Karriere – Schwarzenegger muss gedacht haben, dass er zum ersten Mal in seinem Leben keinen Gipfel des Erfolgs erreicht, sondern eine Kreisbewegung absolviert hat. Und doch sagte seine Frau Maria Shriver öffentlich über den Politiker Schwarzenegger: „Ich habe ihn nie glücklicher oder erfüllter gesehen.“
Womöglich liegt das daran, dass der Gouvernator von Kalifornien in der Zeit seines Regiments all seine Talente auf einmal einsetzen konnte – seine Fähigkeit zur Performance, seine noch immer eindrucksvolle Körperlichkeit, seinen Ehrgeiz, seine Geldgier – und seinen Willen, Ruhm zu erringen. Der Kraftsportler und Kunstwissenschaftler Jörg Scheller hat seinem wunderbaren, eisen- wie geistvollen Buch über „die Kunst, ein Leben zu stemmen“, das Gesamtkunstwerk Arnold Schwarzenegger angesehen und beschrieben: mit Sympathie und Schärfe gleichermaßen.
Scheller vollzieht Schwarzeneggers Weg noch einmal nach, mit Sinn für dessen kunstvolle Arbeit an Körper und Ego – und mit scharfem Blick für die von Schwarzenegger verschwiegene Wirklichkeit der kalifornischen Politik. Scheller wendet eine ganze Reihe von Kategorien auf Schwarzeneggers Vita an, um zu erklären, wie Arnold wurde, was er ist: ein Held der Postmoderne, ein politischer Geschäftemacher, „ein grobes Kind der liberaldemokratischen Pop- und Konsumkultur – allerdings, und das ist essentiell, in deren postdemokratischer Ausprägung“, wie Scheller schreibt. Gemeint ist, was heute viele fühlen und manche sehen – die Demokratie in einer „Ermattungsphase“. Man sollte es sich mit Schwarzenegger nicht zu einfach machen.
Arnold Schwarzenegger mit Peter Petre: Total Recall. Die wahre Geschichte meines Lebens. Aus dem Amerikanischen von Karlheinz Dürr, Anne Emmert, Heike Schlatterer, Karin Schuler. Hoffmann und Campe, Hamburg 2012. 672 Seiten, 27,99 Euro.
Jörg Scheller: Arnold Schwarzenegger oder Die Kunst, ein Leben zu stemmen. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012, 278 Seiten, 29,90 Euro.
Werner van Bebber
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