Kultur: Das fremde Haus
„News from Home“ : Regisseur Amos Gitai gräbt im Steinbruch israelisch-palästinensischer Geschichte
Er ist so etwas wie ein cineastischer Archäologe. Die Aufgabe des Dokumentarfilms, erklärt die knarzige Sprecherstimme des israelischen Regisseurs Amos Gitai in der Eröffnungssequenz seines neuen Films „News from Home“, bestehe im Wühlen, im Graben, im Freilegen verschütteter Geschichten. Staubige Schwarz-Weiß-Aufnahmen einer Baustelle flackern währenddessen durchs Bild, und der Zuschauer begreift schnell, wie wörtlich „News from Home“ Gitais Grundsatzüberlegungen zum Dokumentar-Genre nimmt: Der Film rekonstruiert die Geschichte eines Hauses in Westjerusalem – und zwar weitgehend aus den Erinnerungsbruchstücken palästinensischer Flüchtlinge, die bis zum Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges von 1948 dort lebten.
Als Filmemacher zeichnet sich Gitai – wie jeder gute Archäologe – durch Beharrlichkeit aus. Wie schon in seiner Trilogie über das Rushmia-Tal kehrt der Israeli auch in „News from Home“ an den Drehort früherer Werke zurück: Bereits 1980 stand das Haus in Jerusalem im Zentrum eines Dokumentarfilms, 1996 machte Gitai hier erneut Aufnahmen und nimmt nun – 25 Jahre nach dem ersten Film – zum dritten Mal die Spur der ehemaligen Bewohner auf. Die wenigen, die er noch findet, sind inzwischen so betagt, dass jeder Kamerablick auf zittrige Hände und gebeugte Rücken den archäologischen Charakter des Projekts unterstreicht: Dies, sagen die Bilder, ist der letzte Moment, bevor die Erinnerungsscherben unrettbar im Boden der Geschichte versinken.
Zu Wort kommen jedoch nicht nur die Nachfahren jenes palästinensischen Arztes, dem das Haus bis 1948 gehört hatte, sondern auch die heutigen Bewohner, denen das Haus überlassen wurde, nachdem die israelische Regierung es als leer stehend enteignet hatte. Ebenfalls Teil des Films sind palästinensische Bauarbeiter, die das Gebäude 1980 nach den Vorgaben eines israelischen Architekten dreistöckig ausbauten.
Natürlich gerät bei dieser vordergründig historischen Wühlarbeit auch viel Aktuelles in den Blick der Kamera: Sei es das Verhandlungspatt in den palästinensisch-israelischen Beziehungen oder die Tragik erzwungener Lebenswege. Als Gitai beispielsweise gemeinsam mit dem Enkel des ehemaligen Besitzers das Haus von außen besichtigt, versagt diesem, obwohl er das Gebäude nur aus dem Fotoalbum seiner Familie kennt, die Sprache. An der Tür zu klopfen, geschweige denn einzutreten und mit dem neuen Besitzer zu sprechen: Es ist ihm nicht möglich.
Das unternimmt Gitai alleine. Und stellt fest, dass auch die heutigen Bewohner, eine jüdisch-algerische Flüchtlingsfamilie, im Fotoalbum Erinnerungen an Wohnorte bewahren, die sie verloren haben.
Natürlich begegnet Gitai bei seinen Grabungen im Steinbruch der israelisch-palästinensischen Geschichte auch dem erwartbaren Versuch, Unrecht gegen Unrecht aufzurechnen – auf beiden Seiten. Es ist der Verdienst des Films, dass er solche Rechnungen nicht aufgehen lässt – für keine Seite.
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