Berlinale Wettbewerb: Das Ende der Jagd
Gangsterdrama, Liebesfilm, Slapstick: In dem japanischen Wettbewerbsbeitrag „Mr. Long“ wird ein Auftragskiller zum Nudelkoch - ein elegant gefilmter Genremix.
Profikiller müssen einsam sein. Mitgefühl für andere Menschen, gar Liebe, würde sie bei der Arbeit bloß behindern. Was mit Killern passiert, die ihre Kaltblütigkeit verlieren, haben Filme wie „Der eiskalte Engel“ oder „The American“ gezeigt: Sie werden von Jägern zu Gejagten.
Am Anfang von „Mr. Long“, dem Wettbewerbsbeitrag des japanischen Regisseurs Sabu, gleitet die Kamera durch das nächtliche Taipeh, vorbei an Hochhauslichtern und verwischtem Autoscheinwerferleuchten. Eleganter ist lange keine Stadt mehr gefilmt worden. Der Auftragsmörder Long wird mit einem fulminanten Deus-ex-machina-Auftritt eingeführt. Als ein paar Yakuza im Vorratskeller eines Restaurants zusammensitzen und sich mit ihren Taten brüsten, färbt sich das weiße Hemd eines von ihnen plötzlich blutrot. Dann bohrt sich eine Klinge durch den Stoff, es handelt sich um das Messer von Long, der mit wenigen tänzerischen Schritten und präzisen Schnitten auch die anderen Gegner erledigt. Eine atemberaubende Martial-Arts-Sequenz, gedreht abwechselnd in Zeitlupe und Normalgeschwindigkeit.
Es geht um eine höhere Form der Wirklicheit, die Kino-Wirklichkeit
Long, gespielt vom taiwanischen Filmstar Chen Chang, wird bis zum Ende des Films nur einen Gesichtsausdruck benötigen: mürrisch-distanziert. Sabu, der bürgerlich Hiroyuki Tanaka heißt, präsentiert statt Menschen Archetypen. In seinen extrem stilisierten, hochglanzpolierten Filmen geht es um eine höhere Form der Wirklichkeit, die Kinowirklichkeit. Long ist so etwas wie die Summe aus allen Killern der Filmgeschichte. Unendlich cool, erbarmungswürdig allein. Sein nächster Auftrag, der ihn nach Japan führt, geht schief. Long wird von den Bodyguards eines Rotlichtmoguls gefangen genommen und soll erschossen werden, kann aber – herrlicher Slapstick – im Kartoffelsack, den sie ihm übergestülpt haben, entkommen.
Seine ersten Worte spricht Mr. Long erst nach einer guten halben Stunde. Sie lauten: „Wo kommst du her? Bist du der Hund, den ich getötet habe? Die Belohnung für den Hund?“ Und sie sind an einen kleinen Jungen gerichtet, der ihm in der Abbruchhäuser-Siedlung, in der Long gestrandet ist, Wasser, Essen, Kleidung gebracht hat. Aus dem Film Noir wird ein Märchen. Long kann mit dem Messer nicht bloß töten, mindestens genauso geschickt ist er darin, Gemüse zu zerhacken.
Er kocht für Nachbarn, dann steht er mit einem Imbisswagen vor dem Tempel der Provinzstadt. Hier könnte das Happy-End einsetzen, die Auflösung des Krimis im Kulinarischen. Es folgen zwei Liebesfilme. Sie erzählen von der Liebe, die zwischen Long und der Mutter des Jungen beginnt, einer drogensüchtigen Prostituierten (Yiti Yao). Und von der einstigen Liebe zwischen der Leidensfrau und ihrem ermordeten Freund, dem Vater des Jungen. Rückblenden zeigen Küsse vor Sonnenuntergängen. „Mr. Long“ jongliert brillant mit Genres, aber ohne Kitsch kommt er nicht aus.
14.2., 9.30 Uhr (HdBF), 14.15 & 22 Uhr (F-stadt-Palast), 19.2., 12.15 Uhr (HdBF)