Schlossplatz: Das Einheitsdenkmal wird eine Schaukel
Lange wurde gestritten und viele Entwürfe wurden verworfen. Jetzt steht fest, dass eine begehbare Schaukel am Schlossplatz an die deutsche Einheit erinnern soll. Der Streit ist aber damit nicht beendet.
Das haben Denkmäler heute so an sich: dass sie zum Streitobjekt werden, weniger zum Gegenstand der Bewunderung wie einst. Beim Holocaust-Mahnmal war es ein mühsamer Prozess, bis die Entscheidung für das Stelenfeld von Peter Eisenman fiel, das inzwischen breite Zustimmung erfährt und zu einem der wichtigsten Besucherziele in der Stadt gehört. Auch beim „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ besaß die Auseinandersetzung im Vorfeld Sprengstoff, auch wenn sie längst nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie das Holocaust-Mahnmal hatte. Der Streit gehört dazu, denn es geht um ästhetische Fragen, inhaltliche Vorgaben, die symbolische Darstellung eines historischen Vorgangs, ja die Verortung einer Nation. So manchem würde da die Debatte als Denkmal schon reichen, und der Sockel des ehemaligen Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm auf der Schlossfreiheit bliebe am besten leer – als Raum zum Denken. Wenn es nur so wär’.
Was zeichnet das Denkmal aus?
Durchgesetzt hat sich nun der Entwurf des Stuttgarter Architekten Johannes Milla in Zusammenarbeit mit der Berliner Choreographin Sasha Waltz. Es ist eine große Schale, die als Schaukel genutzt werden kann, sobald sich mindestens fünfzig Personen auf eine Seite begeben. Womöglich besteht gerade in dieser Beweglichkeit der Anteil der Tänzerin Sasha Waltz. „Bürger in Bewegung“ heißt die golden erstrahlende Riesenschüssel, die den 60 Meter breiten Sockel gegenüber vom künftigen Humboldtforum einnimmt. Das mobile Monument versteht sich als Vermächtnis der „mutigen Bürger der friedlichen Revolution von 1989“, symbolisiert durch die innewohnende Dynamik, die Offenheit, die Ausrichtung himmelwärts. Die Superschaukel reinszeniert spielerisch die Botschaft „Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk“ und deren Wirkmächtigkeit. An der Unterseite sind Bilder von der Herbstrevolution appliziert, auf dem darunter befindlichen Asphalt sind Zitate von Bürgerrechtlern in den Boden eingelassen.
Was ist aus den konkurrierenden Entwürfen geworden?
Millas Entwurf war zusammen mit dem Parolen-Dach des Münchner Architekten Andreas Meck und dem knieenden Mann des Karlruher Bildhauers Stephan Balkenhol ins Finale gelangt. Die 15-köpfige Jury konnte sich im Herbst 2010 nach dem zweiten Wettbewerbsdurchgang – der erste erbrachte nur indiskutable Vorschläge – auf keinen Sieger einigen und nominierte drei Entwürfe mit der Aufforderung zur Nachbesserung. Balkenhol zog zurück, so dass die Wahl zwischen Millas Schaukel und Meckels Buchstaben-Himmel blieb. Vor acht Tagen entschied sich die Jury für die Riesenwippe, was jedoch bis Dienstag ein gut gehütetes Geheimnis blieb. Die Präsentation am späten Mittwochnachmittag im Bundestags-Kulturausschuss dient nur noch dem Abnicken.
Doch damit beginnt erneut der Streit, denn Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) wünschte sich als letzten Segen das Votum des Kulturausschusses, das letztlich jedoch nicht bindend ist. Erstens stand die Schaukel als Favorit der Jury ohnehin fest. Ihr gehörten neben den beiden Künstlerinnen Monica Bonvicini und Katharina Fritsch auch der Architekt Meinhard von Gerkan und als Politiker neben Neumann der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse an. Zweitens kommen Neumann die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss entgegen. Vertreter der Grünen und Linken fühlten sich prompt düpiert. Grünen-Chefin Claudia Roth bat Neumann in einem Brief darum, die Realisierung des Freiheits- und Einheitsdenkmals auszusetzen, um „ein öffentliches Diskursverfahren durchzuführen“. Die bereitgestellten Gelder in Höhe von 10 Millionen Euro sollten derweil reserviert bleiben und für weitere Projekte wie etwa die Freiluft-Ausstellung „Friedliche Revolution 89/90“ verwandt werden.
Wie verlief die Entscheidungsfindung?
Wenn mancher mit dem Verfahren auch unzufrieden sein mag – es gab beim Einheitsdenkmal – ähnlich wie beim Stadtschloss – eine lange Vorlaufzeit: zunächst die Initiative der Deutschen Gesellschaft, die Suche nach dem geeigneten Platz, schließlich die Entscheidung des Bundestags vor vier Jahren symbolträchtig am 9. November. Der erste Wettbewerb 2009 wurde zum Desaster; von den 533 eingereichten Arbeiten erhielt keine einzige die notwendige Mehrheit. Auch der zweite, zu dem gezielt Kandidaten eingeladen worden waren, überzeugte in der Öffentlichkeit kaum. Die Präsentation der Entwürfe im Martin-Gropius-Bau zeigte einmal mehr, dass die Zeiten großer Denkmäler endgültig vorüber ist, dass Künstlern, Architekten, Designern die überzeugenden Ideen fehlen. So wurde auch im Vorfeld sehr schnell wieder das Brandenburger Tor als bereits bestehendes Denkmal der Wiedervereinigung diskutiert, das jedoch in all dem touristischen Trubel und der kommerziellen Ausschlachtung untergeht.
Wird das Denkmal angenommen werden?
Das darf bezweifelt werden. Der Entwurf von Milla mag zwar „sympathisch“ sein, wie er selbst in seinem begleitenden Text erklärt, da er zum Mitmachen einlädt. Das Stichwort „Bürgerbewegung“ ist hier wörtlich gemeint. Aber die bereits von der Jury geäußerte Sorge, dass die monumentale Schale zu pathetisch erscheint, wird sich am Ende gegen das Denkmal verkehren. Es gibt sich der Lächerlichkeit eines Riesenspielzeugs für Erwachsene preis. In der Nähe des Potsdamer Platzes gibt es bereits ein entfernt vergleichbares Modell als „Kunst im öffentlichen Raum“: mehrere Riesenwippen, welche die Freifläche zwischen den Bauten geschickt überspielen sollen. Kinder hat man hier noch nicht gesehen. Mag sein, dass die Schaukel auf der Schlossfreiheit zum Dauer-Happening wird, mit dem Flair eines Karussells, als Gegenprogramm zu den Kulturen der Welt, die später einmal im Humboldt-Forum residieren werden. Vielleicht kommt auch mit dem Schaukeln das Nach-Denken. Der Zeitpunkt für die Aufstellung ist zunächst noch unklar.