New Yorker Moderne-Auktionen: Das Beste vom Westen
Wohltuende Zurückhaltung statt der ewigen Preisrekorde: Bei den New Yorker Moderne-Auktionen kaufen Sammler aus Fernost nur höchste Qualität.
Während sich Enthusiasten der Gegenwart, die Kunstspekulanten und flipper, wie man die schnellen Käufer und Verkäufer der Kunst nennt, an diesem Wochenende auf der New Yorker Messe Frieze für die Zeitgenossen-Auktionen in der kommenden Woche rüsten, ging es bei den Auktionen mit der Kunst der Impressionisten und der Moderne fast schon wieder sittlich zu: Es gab wohltuende Zurückhaltung statt der ewigen Preisrekorde.
Sotheby’s nahm in der Abendauktion 219 Millionen Dollar ein, Christie’s 286 Millionen – das lag ziemlich im Schnitt der letzten Jahre. Waren Christie’s Absatzquoten beachtlich gut – nur elf Prozent der 53 Lose blieben unverkauft, waren sie bei Sotheby’s eher wacklig. Hier blieben 21 von 71 Losen und damit 30 Prozent des Angebots unverkauft. Hier schlug der Rückgang von Picassos „Tête de Marie-Thérèse“ negativ zu Buche: Sotheby’s hatte das 46 cm große, quadratische Porträt von Picassos Geliebter aus den frühen dreißiger Jahren in pastosen Farben auf 15 bis 20 Millionen Dollar geschätzt.
Picasso war aber nicht nur der Flop der Woche, er lieferte auch das teuerste Los. Sotheby’s hatte „Le Sauvetage“ mit 14 bis 20 Millionen Dollar zwar niedriger geschätzt als Marie-Thérèse, es brachte dank eines amerikanischen Telefonkäufers dann aber 31,5 Millionen. Die Taxe war bescheiden – kaum höher, als die 15 Millionen Dollar, die das Bild 2004 gekostet hatte. Auch dieses Werk stammt von 1932, hat aber eine wichtigere Provenienz, die verhaltene, klare Farbpalette, die typisch für die besten und sinnlichsten Bilder dieser Meisterperiode Picassos ist, und ein dramatisch-verspieltes Thema. Die aufregende Rettungsszene am Strand sieht aus, als hätte Picasso seine farbigen Blechskulpturen aus jener Periode abgemalt.
Picasso war das A und O der Woche. Von 124 in beiden Häusern versteigerten Bildern stammten 27 von ihm. Sie brachten 151 Millionen Dollar und damit fast ein Drittel aller Einnahmen. Verdaut wurde dieser Reichtum auch dank des Einsatzes neuer chinesischer Sammler – aber auch sie wollten die Preise nicht noch höher treiben. Bei Christie’s stand Picassos Gemälde aus der Sammlung der Neusser Langen Foundation ganz oben, die Einlieferung aus dem Nachlass der deutschen Sammler und Kunststiftungsgründer Viktor und Marianne Langen: Das Porträt der Dora Maar war auf 25 bis 35 Millionen Dollar geschätzt, ein amerikanischer Kunsthändler bekam es als einziger Interessent für 22,5 Millionen Dollar. Wohlfeil war bei Christie’s auch ein weiterer Picasso von 1932, die Skizze einer Liegenden, die mit elf Millionen Dollar sehr reell bewertet war.
Eine frühe Strandszene von Wassily Kandinsky und ein Männerbildnis von Amedeo Modigliani kosteten jeweils 17 Millionen Dollar, aber auch bei Christie’s war die Preisfindung oft von Vernunft gebremst: Claude Monets Seerosenbild von 1907, von einer amerikanischen Unternehmerfamilie 1930 an der Urquelle Durand-Ruel in Paris gekauft, hatte eine Schätzung von 25 bis 35 Millionen Dollar und ging für 27 Millionen Dollar in eine asiatische Sammlung. Asiaten (meist Chinesen) erwärmen sich schneller, als man je dachte, für die westliche Kunst. Ein Bild von Renoir ging für elf Millionen Dollar nach Fernost, bei Sotheby’s kauften Asiaten Malerei von Henri Matisse für 19,5 Millionen Dollar, Albert Giacomettis „La Place“ mit fünf Schreitenden für 13 Millionen Dollar und eine Arbeit Joan Mirós für acht Millionen – letzteres das einzige Los, das über die Schätzung ging.
Im Februar in London dachte man, der Moderne-Markt strebe in eine neue Hochpreisphase, als großartige Sammlungen des Kunsthändlers Jan Krugier oder der Züricher Edelintellektuellen Giedion- Welcker Superpreise brachten. New York holte nun die Realität ein: Das Angebot wird knapper, und es fehlt die bedingungslose Massennachfrage, die Mode und Zeitgenossenschaft bringen. Wenn die Kunst älter wird und aus der Mode kommt, reüssiert nur das Feinste, das einen schrumpfenden Kreis von Kennern überzeugen muss.
Das wird bei den Contemporary-Auktionen anders werden, wenn man sich weniger in den Spuren der Geschmacksschulung als denen von Spekulation und gierigem Kalkül bewegt. Allein Christie’s will in seiner Abendauktion über 500 Millionen Dollar umsetzen – 34 Lose, fast die Hälfte, sind „vorvergeben“ durch Garantien von dritter Seite, die den Verkauf auch dann sichern, wenn die Versteigerung nicht vom Fleck kommen sollte. Ein Francis-Bacon-Triptychon soll um 80 Millionen Dollar kosten, ein Bild von Mark Rothko 40 bis 60 Millionen und Warhols „Race Riot“ 50 Millionen Dollar. Sotheby’s hat eine Arbeit von Basquiat. Warhols sechs „Fright“-Porträts und ein Bild Gerhard Richters sind auf jeweils 25 bis 35 Millionen Dollar taxiert, sogar Jeff Koons’ überlebensgroße Glitzerstahlversion „Popeye“, erst 2011 produziert, soll schon 25 Millionen Dollar kosten. Christie’s bietet ein Schriftbild von dem überteuerten Christopher Wool an. Erwartet werden 20 bis 25 Millionen Dollar. Im Jahr 2000, als die Finanzwelt noch in Ordnung und Picassos fast schon so teuer wie heute waren, kostete es 305 000 Dollar.
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