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Artur Nebe (Burghart Klaußner) Georg Elser (Christian Friedel) Heinrich Müller (Johann von Bülow) in einer Szene des Films "Elser".
© dpa

"Elser" auf der Berlinale: Das alles darf Kino, wenn es sonst nur gut ist

Fast hätte der Abend des 8. Novembers 1939 die Historie verändert. Oliver Hirschbiegels „Elser“ verzwergt die Geschichte des Hitler-Attentäters zum Dorfmelodram.

Über 30 Versuche eines Attentats auf Adolf Hitler soll es gegeben haben. Die meisten sind schon im Ansatz gescheitert. Nur zweimal explodierten wirklich Bomben, doch allein Graf Stauffenberg und die Verschwörer des 20. Juli 1944 haben dann ihren verdienten Nachruhm erhalten. Der schwäbische Tischler und Tüftler Johann Georg Elser indes, der Kühnste und Erstaunlichste von allen, die den Tyrannen töten wollten, ist von den Historikern anerkannt worden. Ihm sind Gedenktafeln gewidmet, auch im Saal des ehemaligen Bürgerbräukellers in München, wo Elsers Dynamitladung Hitler knapp verfehlte. Aber zum allgemeinen deutschen (und gar weltgeschichtlichen) Helden ist Elser nie geworden.

Das würde Oliver Hirschbiegel gerne ändern. Sein Biopic „Elser“ heißt im internationalen Verleih „13 Minutes“, und der fürs Hitler-„Untergangs“-Opus einst oscar-nominierte Regisseur hofft nun mit all seinen Produzenten und angeschlossenen Sendern und Spendern auf den großen Durchbruch. 70 Jahre, nachdem Elser als jahrelanger persönlicher „Schutzhäftling“ Hitlers auf dessen Befehl im April 1945, in den letzten Kriegswochen, noch im KZ Dachau erschossen wurde.

Fast hätte der Abend die Historie verändert

13 Minuten fehlten, sonst hätte der Abend des 8. Novembers 1939 vermutlich die Historie Europas und der Welt verändert. Hitler redete damals vor über tausend Parteigenossen und einem Teil der NS-Führungsschicht zum Gedenken an seinen eigenen versuchten Staatsstreich in München 1923. Gleich danach wollte er noch nach Berlin zurückfliegen, doch wegen einbrechenden Nebels musste man den Zug nehmen. Darüber wurde Hitler erst im Bräu unterrichtet, spontan kürzte er seine Ansprache und verließ den Saal eben 13 Minuten, bevor hinter seinem Rednerpult Elsers Bombe explodierte und, neben vielen Verletzten, acht Zuhörer in den Tod riss.

Hirschbiegel beginnt damit, den großäugigen, dunkel gelockten Titeldarsteller Christian Friedel im flackernden Taschenlampenlicht beim nächtlichen Einbau der Sprengladung und des selbst konstruierten Zeitzünders zu zeigen. Keuchend und schweißüberströmt. Später fließt dann vor allem Blut – wenn der schon bald verhaftete Attentäter im Reichssicherheitshauptamt in Berlin beim Verhör gefoltert wird. Was dabei Orte und Zeit angeht, nimmt sich der Film ein paar Freiheiten, auch sind die Bäume im Münchner November noch grün belaubt. Das alles darf Kino, wenn es sonst nur gut ist. Aber hier haben Hirschbiegel und sein sonst so gewiefter Drehbuchautor Fred Breinersdorfer fast alles verschenkt. Der zum Zeitpunkt des Attentats längst ausgebrochene Krieg spielt merkwürdigerweise keine Rolle, und die Dramatik des Scheiterns auch nicht. Der Hitlerauftritt ist mattestes Vorabendprogramm, keine historische Nacht und auch kein Nebel. Stattdessen immerzu Christian Friedels edel leidendes Verhör-Gesicht, und kaum, dass er sich erinnert, folgt der schiere Schmalz.

Geschichte als kulissenhafter Fingerzeig

Bricht Elser erstmals unter der Folter sein Schweigen, dann summt er vor den Spitzen der SS und Gestapo tatsächlich „Kein schöner Land in dieser Zeit“. Hierauf die Rückblende ins schwäbische Heimatdorf. Dort sind die eher kommunistisch orientierten Freunde Elsers allesamt die Guten, Netten, Braven. Die Nazis dagegen sind feig oder fett, schlagen ihre Frauen und liefern der Kamera (sonderbar uninspiriert: Judith Kaufmann) Abziehbilderbuchszenen: von feiertags durchs Dorf getriebenen KZ-Häftlingen oder von der erniedrigten Geliebten eines Juden. So wird, obwohl gut gemeint, Geschichte nur als kulissenhafter Fingerzeig instrumentalisiert. Und zieht Elsers Freundin Elsa (Katharina Schüttler) ihren Georg ins Bett, lautet der ungekürzte Dialog: Sie (vorher): Du! – Er (sagt nichts) – Sie (hinterher): Es ist besonders mit dir.

Was aus dem Stoff hätte werden können, deutet allein Burghart Klaußner als SS-Gruppenführer Arthur Nebe an. Bei ihm als Elsers Verhöroffizier dringt durch die brutale Fassade immerhin ein Hauch Respekt vor der technischen Intelligenz und moralischen Integrität des Einzeltäters Elser. Nebe, der nach dem 20. Juli ’44 in Plötzensee gehängt wurde, wirkt als authentische Figur nicht nur eindimensional, sondern widersprüchlich. Ansonsten hätte es, nach einem früheren Elser-Film von Klaus Maria Brandauer und einer TV-Verfilmung diesen filmischen Fehlzünder nicht gebraucht.

13. 2. 9.30 u. 18 Uhr (Friedrichstadtpalast), 12 Uhr (Haus der Berliner Festspiele)

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