Kultur: „Da dachten wir: Werfen wir eine Katze rein!“
Ethan und Joel Coen über Erfolglosigkeit und Glück in der Karriere – und über Tiere am Set.
„Inside Llewyn Davis“ spielt in der New Yorker Folkmusikszene der frühen sechziger Jahre. Was hat Sie an dieser Zeit und diesem Milieu gereizt?
ETHAN COEN: Es war eine kleine, abgeschottete Szene, die erst einige Zeit später durch das Auftauchen Bob Dylans auch kommerziell erfolgreich wurde. Wir haben die Vor-Dylan-Ära gewählt, weil die Musik weniger bekannt ist. So konnten wir freier mit der Musikgeschichte und der Gestaltung unserer Figuren umgehen. Und wer will schon einen Film über Bob Dylan drehen?
Todd Haynes hat das mit „I’m Not There“ ganz gut gemacht …
JOEL COEN: Stimmt, aber er hat ebenfalls einen abstrakten Ansatz gefunden. Auch „Inside Llewyn Davis“ will ja kein Biopic über Dave Van Ronk sein, von dessen Memoiren wir uns inspirieren ließen.
Die zweite Hauptrolle spielt eine Katze. Wie hat die sich in den Film geschlichen?
JOEL COEN: Irgendwann realisierten wir, dass wir nicht sehr viel an Plot zu bieten haben, und da dachten wir: Werfen wir doch mal eine Katze rein! Sie trägt entscheidend dazu bei, die Story über einen Mann voranzutreiben, der permanent seine Mitmenschen verärgert. Zur Katze hat er eine unkomplizierte Beziehung, das ist ein interessanter Kontrapunkt.
Und wie gibt man einer Katze Regieanweisungen?
JOEL COEN: Man kann sie nicht wirklich trainieren. Man braucht mehrere Tiere, eine, die immer wegläuft, und eine andere, die man herumtragen kann.
ETHAN COEN: Man verschwendet viel Filmmaterial mit diesen Tieren. Das dauert schon mal 20 Minuten, bis so eine Katze in die richtige Richtung geht.
JOEL COEN: Es kann einem ganz schön auf die Nerven gehen. Aber ab einem gewissen Punkt der Dreharbeiten konnten wir der Katze nicht mehr kündigen. Wir hatten schon zu viel mit ihr gedreht und sie als eigenständige Figur eingeführt.
„Inside Llewyn Davis“ zeigt, dass künstlerischer Erfolg auch mit Glück und gutem Timing zu tun hat. Ist der Film auch eine Hommage an talentierte, aber erfolglose Künstler, an Leute, wie auch Sie es hätten sein können, wenn Sie weniger Glück in Ihrer Karriere gehabt hätten?
ETHAN COEN: Aus genau diesem Grund haben wir uns der Figur sehr verbunden gefühlt. Es gibt eine Menge talentierter Menschen, die einfach keinen Erfolg haben. Und man fragt sich, ob es an einem selbst liegt oder an den Lebensumständen.
JOEL COEN: Natürlich hat Llewyn einen selbstzerstörerischen Charakter. Aber es gibt genug talentierte selbstzerstörerische Menschen, die trotzdem Erfolg haben. Vielleicht hat er ja einfach nur Pech gehabt oder es war schlechtes Timing.
Können Sie sich denn Ihren eigenen Erfolg erklären?
JOEL COEN: Ich weiß, dass wir großes Glück hatten. Wir sind alle Opfer und Nutznießer der seltsamen Dinge, die uns das Leben vor die Füße wirft.
ETHAN COEN: Unser Erfolg ist ein kontinuierlicher Quell der Überraschung, aber wir versuchen natürlich, realistisch einzuschätzen, was ein Film kostet und welches kommerzielle Potenzial er hat. „True Grit“ etwa hatte ein weit höheres kommerzielles Potenzial als „Barton Fink“.
Und welcher Erfolg hat Sie überrascht?
ETHAN COEN: „Fargo“, da hatten wir mit einem viel kleineren Zuschauerspektrum gerechnet. Und „The Big Lebowski“, der beim Start gar nicht so viel einspielte, aber später diesen seltsamen Kultstatus bekam. Damit hatten wir nicht gerechnet.
JOEL COEN: In musikalischer Hinsicht war „O Brother, Where Art Thou“ die größte Überraschung. Unser Musikproduzent T Bone Burnett hat immer gesagt, dass diese Hillbillymusik noch einmal ganz groß rauskommt, aber keiner wollte ihm glauben. Die Platte hat sich dann über zwei Millionen Mal verkauft.
Im Film geht es auch darum, inwieweit man seine künstlerische Authentizität im Entertainmentbetrieb bewahrt. Wie haben Sie in fast 30 Jahren die kreative Kontrolle über ihr Werk behalten können?
ETHAN COEN: Am Anfang waren wir im Grunde Opportunisten. Wir hätten uns gerne verkauft, fanden aber keinen Käufer.
JOEL COEN: Wenn ein großes Studio bei unserem ersten Drehbuch gesagt hätte: „Wir finanzieren euren Film, aber wir wollen, weil ihr Anfänger seid, die Kontrolle über bestimmte Dinge haben“, dann hätten wir sofort zugestimmt. Aber das tat keiner, also mussten wir die Finanzierung selber auf die Beine stellen und konnten alles genau so machen, wie wir wollten. Daran haben wir uns so gut gewöhnt, dass wir dann einfach so weitermachten.
– Das Gespräch führte Martin Schwickert.
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