Comic-Klassiker: Cowboy der Meere
80 Jahre und kein bisschen friedlich: Der Comic-Held Popeye begeht an diesem Wochenende einen runden Geburtstag. Der Spinatmatrose eroberte sein Publikum mit Kratzbürstigkeit - und war Schuld an einem bis heute verbreiteten Irrglauben.
Er hat tonnenweise Spinat verschlungen, sich wüste Keilereien mit den Halunken dieser Welt geliefert und geduldig die Launen seines Herzblatts Olivia ertragen. Nun feiert Popeye, der Spinatmatrose, seinen 80. Geburtstag. Mit jedem Atemzug stößt er einen Fluch aus, die Pfeife balanciert er dabei stets im Mundwinkel. Gerade seine kratzbürstige Herzlichkeit hat Popeye zum Publikumsliebling gemacht, noch heute sind seine Abenteuer in den Comicbeilagen der Tageszeitungen in den USA zu finden.
Seinen ersten Auftritt absolvierte Popeye am 17. Januar 1929 in einem Zeitungscomic des US-Zeichners Elzie Crisler Segar. Im Matrosenanzug steht Popeye am Kai, der Reeder fragt ihn: „Sind Sie Seemann?“ Popeye blafft mit charakteristischer Grantigkeit zurück: „Seh' ich etwa aus wie ein Cowboy?“ Popeye bekommt dennoch einen Job auf dem Schiff, das Abenteuer kann beginnen.
Fortan war der einfältige, aber herzensgute Seemann immer zur Stelle, wenn es rund um den Globus Abenteuer zu bestehen galt. In den ersten Folgen fehlte dabei freilich noch jenes Blattgemüse, das später zu seinem Markenzeichen wurde: Erst 1932 begann Popeye, sich durch exzessiven Konsum von Spinat übermenschliche Kräfte anzueignen. Auf wundersame Weise jagt ihm das Grünzeug Bärenkräfte in die tätowierten Oberarme.
Die moderne Wissenschaft hat den Mythos von der muskelfördernden Wirkung des Spinats längst als Seemannsgarn enttarnt. Auch wirkt es inzwischen ein bisschen archaisch, dass Popeye seinen Appetit in Zeiten des Tiefkühlspinats samt Sahne-Blubb immer noch aus Spinat-Dosen wie vor 80 Jahren stillt. Doch wurde Popeye mit seinem Spinat-Trick zum Vorläufer der übermenschlichen Superhelden, die inzwischen die Comic-Szene beherrschen.
Die acht Jahrzehnte seines Daseins haben Popeyes Bild ein wenig unscharf werden lassen. Sein Schöpfer Segar starb bereits 1938, danach führten mehrere Zeichner sein Werk weiter und ließen Popeye in zum Teil widersprüchliche Rollen schlüpfen. Mal klärt er mit detektivischem Spürsinn die Entführung seiner Freundin Olivia auf, mal konstruiert er die tollsten Wundermaschinen, mal sorgt er sich auf internationalen Konferenzen um den Weltfrieden. Von seinem Ursprung als Einfaltspinsel auf dem Hafenkai hat sich Popeye bisweilen weit entfernt.
Die Popeye-Vielfalt wird in nächster Zeit eher noch zunehmen. In Europa lief zu Jahresbeginn der Urheberschutz für die Figur aus, ausgerechnet zum runden Geburtstag kann nun jeder neue Popeye-Comics zeichnen, Popeye-Spielzeug herstellen oder Popeye-T-Shirts verkaufen, der das will. Nach EU-Recht erlischt nämlich 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers - im Fall von Popeye also des Zeichners Segar - der Urheberschutz. In den USA ist Popeye noch bis 2024 rechtlich geschützt.
Etwa 1,7 Milliarden Euro werden derzeit nach Angaben der Londoner „Times“ pro Jahr weltweit mit Popeye-Produkten umgesetzt. Der knurrige Seemann ist eine der erfolgreichsten Comic-Figuren aller Zeiten und wird es wahrscheinlich noch eine Weile bleiben. Längst wurde ihm in seiner Heimat USA ein Denkmal gesetzt: Bereits 1937 wurde im texanischen Crystal City eine Popeye-Statue enthüllt, sie steht dort immer noch. Gestiftet wurde sie von den örtlichen Spinatbauern.
pw/gt AFP
Mehr auf der offiziellen Popeye-Fanseite.
Eine sehr schöne Neuauflage der frühen Popeye-Comics hat der Hamburger Mare-Verlag vor zwei Jahren herausgebracht: E.C. Segar: Popeye. Strips von 1928 bis 1937. Übersetzt von Ebi Neumann. Mare Verlag, Hamburg 2006, 450 Seiten, 29,90 Euro
Peter Wütherich
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