Interview: „Comiczeichnen lässt sich lernen“
Anke Feuchtenberger ist Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Im Interview spricht sie über die Kunst als Beruf, ihren Einfluss auf Studierende und die Erwartungen an den Nachwuchs.
Frau Feuchtenberger, wann würden Sie Menschen, die sich für Comics interessieren und eine künstlerische Neigung haben, das Studium an einer deutschen Kunsthochschule empfehlen?
Ich würde es niemandem empfehlen, der nicht von alleine drauf käme. Das könnte ich gar nicht verantworten: Comic ist in Deutschland immer noch eine schwierige Angelegenheit, wenn man davon leben will. Da muss man sich breiter profilieren, um den Comic nebenbei betreiben zu können: in der Illustration etwa oder im Grafik-Design. Comiczeichner ist nach wie vor bei uns nicht wirklich ein Beruf und wird an keiner Hochschule als solcher ausgebildet. Selbst meine Stelle an der HAW Hamburg ist für Zeichnen und Illustration ausgeschrieben. Ich musste mich dafür einsetzen, bestimmte Themen und Aufgaben aus dem Comic in meine Kurse reinzuholen. Inzwischen unterrichte ich aber einen Kurs, der sich ausschließlich dem Comic widmet.
Was unterrichten Sie außerdem?
Ich gebe noch einen Masterkurs, bei dem die Studierenden eigene Projekte mitbringen, die nicht immer Comics sind. Und ich unterrichte einen akademisch ausgerichteten Zeichenkurs, in dem die Anfänge des Comiczeichnens und des erzählenden Zeichnens gut vermittelt werden können. Da zeichnen wir zum Beispiel Landschaften, was ein guter Grundstein auch für Comics ist, etwa in Bezug auf das Zeichnen von Räumen.
Wieweit lässt sich Comiczeichnen lernen, wie viel Grundbegabung ist erforderlich?
Mitbringen sollte jeder ein zeichnerisches Talent. Alles andere lässt sich lernen. Manche Studierende kommen am Anfang des Semesters zu mir und sagen, dass sie nicht erzählen können. Das sind dann schwierige Anfangsschritte. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Studierenden ins Erzählen reinkommen, wenn sie eine Leichtigkeit beim Zeichnen entwickeln und sich nicht zu sehr darauf konzentrieren, wie nach ihrem anfänglichen Verständnis ein Comic auszusehen hat.
Wie steht Ihre Hochschule im Vergleich mit anderen Kunsthochschulen wie Kassel oder Berlin da, bei denen Comics ebenfalls eine wichtige Rolle spielen?
Wir sind nicht sehr weit voneinander entfernt. Wer aus Kassel und Berlin kommt, hat in der Regel eine sehr gute allgemeine Grafik- und Designausbildung. Bei uns an der Hochschule sind Design und Illustration hingegen getrennt. Das hat Vor- und Nachteile. Mein Ansatz ist, dass die Studierenden sich zeichnerisch frei entwickeln sollen, sich breit aufstellen, was das Übersetzen von Realität in Abstraktion angeht. Der Stil steht für mich dabei nicht im Vordergrund. Ich möchte, dass die Studierenden sich so lange wie möglich nicht festlegen und sich die Bahn frei halten.
Beim Betrachten von Arbeiten Ihrer Studierenden hat man allerdings öfter das Gefühl hat, dort ganz klar Ihren stilistischen Einfluss erkennen zu können …
Das ist bei meinen Kollegen von anderen Hochschulen ähnlich: Ich weiß zum Beispiel genau, wenn ich einen Studenten aus der Berliner Universität der Künste von Henning Wagenbreth vor mir habe. Und bei Hendrik Dorgathen aus Kassel sehe ich das auch. Ich denke, das ist generell so, dass Studierende sehr von ihren Professorinnen und Professoren geprägt und inspiriert werden. Ich lehre aber nicht meinen eigenen Stil und zeige in der Schule auch nicht meine Arbeiten. Und ich habe auch viele ehemalige Studierende, deren Sachen ganz anders aussehen, von Sascha Hommer über Arne Bellstorf bis zu Line Hoven und Birgit Weyhe.
Sind auch Studierende, die sich für die nach wie vor sehr populären Manga interessieren, bei Ihnen am richtigen Platz?
Ich habe unter meinen Studierenden junge Frauen, die sich für Manga interessieren, was ich sehr spannend finde, da ich Inspirationen der großen Manga-Meister sehr gern aufnehme. Wichtig ist mir, dass die Studierenden Themen verarbeiten, die sie persönlich interessieren, und ihren eigenen Stil finden.
Was halten Sie von privaten Einrichtungen, die angehende Comiczeichner ansprechen, wie der Design Akademie Berlin oder der Comicademy?
An den Kunsthochschulen geht es uns im Gegensatz zu vielen privaten Einrichtungen in erster Linie darum, ein breites Repertoire zu entwickeln, das sehr stark persönlich und künstlerisch ausgerichtet ist. Es geht um eine künstlerische Ausbildung auf dem Level der Avantgarde, nicht um eine primäre Ausrichtung auf den kommerziellen Markt. Trotzdem sollen unsere Studierenden später natürlich auch einen Job bekommen können.
Lernen Studierende bei Ihnen denn auch, wie man mit Comics später seinen Lebensunterhalt verdienen kann?
Ja, das ist bei uns eingebunden in das größere Illustrationsprogramm. Wir laden auch Leute aus der Praxis ein, die in Agenturen arbeiten und sich mit der Vermarktung beschäftigen – oder Verleger wie Dirk Rehm, um darüber zu sprechen, wie man sich bei Verlagen mit seinem Werk vorstellt.
In Sachen Comic-Kunst sind Hamburg, Berlin und Kassel wohl die wichtigsten deutschen Hochschulen. Wie sieht es mit anderen Standorten aus?
Die Kunsthochschule Berlin-Weißensee hat auch einen guten Ruf bei dem Thema. Aus Kiel, wo Markus Huber lehrt, kommen in letzter Zeit ebenfalls immer mehr Menschen, die sich mit der Bilderzählung befassen. Und Martin tom Dieck lehrt in Essen, da wird in nächster Zeit sicher auch noch mehr passieren.
Anke Feuchtenberger, Jahrgang 1963, ist Professorin für Zeichnen und Medienillustration an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. Sie hat zahlreiche Comics veröffentlicht, die vor allem im Verlag Reprodukt erschienen sind, zuletzt die Kurzgeschichtensammlung „Die Spaziergängerin“.
Das Interview führte Lars von Törne für die Website des Goethe-Instituts. Das Institut hat auch eine spezielle Seite für Comicthemen, auf der sich zahlreiche weitere lesenswerte Beiträge zur deutschen Comicszene finden.
Lars von Törne
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