"Blau ist eine warme Farbe": Clémentine alias Adèle
Sehr frei orientiert sich der Film "Blau ist eine warme Farbe" am gleichnamigen Comic von Julie Maroh. Jetzt gibt es ihn auf DVD.
Diese Geschichte wird traurig enden. Das ist schon am Ende der ersten Seite klar. Denn die Worte, die dort zu lesen sind, stammen aus dem Abschiedsbrief einer Toten. Clémentine schreibt an ihre große Liebe Emma, der sie ihre frühen Tagebücher vermacht hat: „All meine blau getönten Jugendtöne sind darin.“
Um die Bücher zu lesen, fährt Emma zu Clémentines Eltern, und eine Reise in die Vergangenheit beginnt. Die französische Zeichnerin Julie Maroh erzählt sie in ihrer Graphic Novel „Blau ist eine warme Farbe“ – Abdellatif Kechiche entwickelte daraus sehr frei seinen Cannes-Siegerfilm, der soeben als DVD erschienen ist – anhand der Tagebücher, die Clémentine seit ihrem 15. Geburtstag im Oktober 1994 führte. Für die Rückblenden wechselt Maroh von gedeckten Aquarelltönen in den Schwarz-Weiß-Modus. Nur gelegentlich setzt sie Akzente in Blau, das für Emotionalität steht. So trägt etwa Clémentines erster Freund Thomas ein blaues T-Shirt, und hellblau ist Emmas halblanges Wuschelhaar. Sie sticht heraus aus der Passantenmenge, in der sich die beiden zum ersten Mal begegnen – und diesen alles verändernden Blickwechsel erleben. Fortan wird die Teenagerin magisch von dem Farbton angezogen, er füllt sogar ihre Träume.
Die Annäherung zwischen der Schülerin und der Kunststudentin ist vom Gefühlschaos der pubertierenden Protagonistin geprägt. Hinzu kommt, dass Emma seit zwei Jahren mit Sabine liiert ist und die Beziehung nicht aufgeben möchte. Clémentine muss deutlich mehr Hin und Her überstehen als in der Filmadaption, in der die Figur Adèle heißt (wie die Darstellerin Adèle Exarchopoulos). Ohnehin entfernt sich der Film immer wieder weit von der Vorlage, die 2010 im Original und kürzlich in deutscher Übersetzung erschienen ist. Schaut Julie Maroh auch scharf auf familiäre und gesellschaftliche Konflikte, konzentriert sich Kechiche auf die Liebe und das Begehren seiner Heldinnen, wofür auch die lange erste Sexszene steht. Für das Buch ist dieser Augenblick zwar ebenfalls sehr wichtig, aber die – im Übrigen deutlich lebensnähere – Bettszene füllt dort gerade mal vier von knapp 160 Seiten.
Die 1985 geborene Zeichnerin, die selbst lesbisch ist und während ihres Comicstudiums in Brüssel mit der Arbeit an „Blau ist eine warme Farbe“ begann, zeigt Clémentines Initiation durch die in der queeren Community gut vernetzte Emma als Eintritt in eine völlig neue Welt. Zudem muss sich die junge Frau, die Maroh vielleicht einen Tick zu großäugig und kindlich porträtiert, zwangsläufig von ihrer Herkunftsumgebung lösen. So macht sie einen besonders schmerzhaften und abrupten Coming-out-Prozess durch.
Anders aber als für Emma ist für Clémentine das Private nicht politisch, sondern einfach privat. Clémentine zieht es nicht auf Demonstrationen, sie will nichts weiter als ihr Leben mit der Geliebten leben. Diesen Konflikt können die beiden nie recht überbrücken. Und so wird es, als die Graphic Novel in die Gegenwart und ins Farbige zurückfindet, noch einmal sehr traurig – auf viel endgültigere Weise als im Film.
Julie Maroh: Blau ist eine warme Farbe. Aus dem Französischen von Tanja Krämling. Splitter Verlag. Bielefeld 2013. 156 Seiten, 19,80 €
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