Der Sohn des Zeichners e.o.plauen: Christian Ohser ist tot: Das Vaterkind
Er hatte tatsächlich einen Wuschelkopf, der Sohn des Zeichners Erich Ohser alias e.o.plauen, des Erfinders der "Vater und Sohn"-Geschichten. Nun ist Christian Ohser im Alter von 69 Jahren gestorben.
Ein Paar wie TNT und Dynamit: für jede Überraschung gut, auch für die allerböseste. Im Sohn steckt ein Anarchist, was man schon an seinen Haaren erkennen kann, die spitz und struppig wie die Blätter einer Ananas in die Höhe ragen. Aber der eigentliche Kindskopf ist der Vater, nur dass sich bei ihm der Rebellengeist in der Maske des Biedermanns mit Kugelbauch, Glatzkopf und Walross-Schnäuzer tarnt. Zusammen sind sie unschlagbar. Die beim Backen vergessenen Rosinen schießen sie einfach mit der Flinte in den fertigen Kuchen. Beim Paddelausflug kollidieren sie mit einer Seejungfrau und kentern. Und wenn sie sich im Fotoatelier einen Spaß erlauben und den Po in die Linse halten, dann retuschiert der Fotograf am Ende ihre Gesichter auf die Hinterteile. Es sind milde Alltagsdramen, kleine Attacken auf die ermüdende Gleichförmigkeit des Kleine-Leute-Lebens, die sich in diesen Geschichten abspielen. Da fliegt gelegentlich was in die Luft, und wenn es hart auf hart kommt, legt der Vater den Sohn im Zorn auch schon mal übers Knie. Aber spätestens nach acht Bildern ist dann alles wieder gut. Länger ist keine der "Vater und Sohn"-Geschichten von e. o. plauen.
Einhundertfünfzig dieser Bildgeschichten waren ab September 1934 auf der Romanseite der "Berliner Illustrirten" erschienen, und weil der verspielte Vater und sein quicker Sohn das Hart-wie-Kruppstahl-Erziehungsideal des Dritten Reiches mit zivilem Witz unterliefen, avancierten sie rasch zu Publikumslieblingen. Dabei war die erfolgreichste deutsche Comicserie der dreißiger Jahre aus der Not geboren. Ihr Schöpfer hieß eigentlich Erich Ohser. 1903 im Vogtland geboren, war er in den zwanziger Jahren nach Berlin gekommen, hatte Gedichtbände seines Freundes Erich Kästner illustriert und Karikaturen für den sozialdemokratischen "Vorwärts" geliefert. Eines seiner bekanntesten Blätter zeigt einen Betrunkenen, der ein Hakenkreuz in den Schnee pinkelt. Die Nationalsozialisten verweigern Ohser die Aufnahme in den "Reichsverband der deutschen Presse", ein Berufsverbot. Seine Vater-und-Sohn-Geschichten können deshalb nur unter Pseudonym erscheinen: e. o. plauen steht für Erich Ohser aus Plauen. Trotz des Riesenerfolgs beendet Ohser die Serie im Dezember 1937. In der letzten Folge entschweben seine beiden Helden zum Mond. Sieben Jahre später wird Ohser, der inzwischen für das Hochglanzpropagandablatt "Das Reich" arbeitet, nach einer Denunziation wegen regimekritischen Äußerungen verhaftet, vor den Volksgerichtshof gestellt und zum Tode verurteilt. Am 6. April 1944 erhängt er sich in der Gefängniszelle.
"Ich schlief, als Vater starb", hat Christian Ohser später erzählt. Christian ist der Sohn von Erich Ohser, und wenn man alte Fotos von ihm sieht, lässt sich eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Co-Helden der Bildgeschichten nicht bestreiten: dieselbe Stupsnase, derselbe Wuschelkopf. Er war 13, als der Vater seinem Leben ein Ende setzte, und lag mit Diphterie im Bett. Nach dem Krieg hat Christian Ohser Deutschland verlassen. In Amerika brachte er es zum Leiter einer erfolgreichen Druckerei, in England betrieb er eine Farm. Das Werk seines Vaters hat ihn nie losgelassen. "Ich habe Chinesen getroffen", sagte er, "die mir erzählten, dass sie ihre Kinder nach den Vater-und-Sohn-Büchern erziehen." Erst im März hatte er in Kiel eine Ausstellung mit den Karikaturen seines Vaters eröffnet, die im nächsten Jahr auch im Berliner Willy-Brandt-Haus zu sehen sein wird. In Düsseldorf ist Christian Ohser jetzt an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Er wurde 69 Jahre alt und blieb doch ein Leben lang Kind: als Sohn aus den Bildgeschichten, die jeder kennt.
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